Vor allem die Autoversicherungen waren von den stark gestiegenen Preisen für importierte Ersatzteile betroffen (Bericht der «Handelszeitung»). Die Schweizer Versicherer haben darauf mit Preiserhöhungen reagiert; bisher ohne Wirkung. Zwar weist der Markt in der OR/SST-Offenlegung für 2023 eine technische Marge von circa 10 Prozent aus, diese lässt sich allerdings zur Gänze auf die Auflösung von Rückstellungen zurückführen.

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1. Von den Reserven zehren

Schaubild 1 zeigt die Zusammensetzung der technischen Marge in der Autoversicherung seit 2016. Die Marge vor Veränderung der versicherungstechnischen Rückstellungen (dunkelblaue Balken) ist für 2023 im Minusbereich. Die Gesamtmarge ist dank Rückführung von Reserven mit 10 Prozent positiv. Nun war 2023 von der Schadenhäufigkeit her kein aussergewöhnliches Jahr: Unwetter blieben im Rahmen des Üblichen, wenn man vom Hagelschlag im Tessin absieht. Dafür entfaltete die Inflation ihre Wirkung, bei den Servicekosten der Garagen wie auch bei den Ersatzteilen.

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Quelle: ZVG

2. Zu wenig, zu spät

Die erfolgten Preisanpassungen konnten das nicht wettmachen. Die meisten Autoversicherungsverträge werden auf mehrere Jahre abgeschlossen. Erhöht ein Versicherer während der Vertragslaufzeit die Beiträge, so gibt er damit der Kundschaft unter Umständen Anlass zu einer ausserordentlichen Kündigung. So warten Versicherer gern mit Preisanpassungen das Vertragsende ab, schadenfreie Fahrerinnen und Fahrer sind von Preiserhöhungen oft ausgenommen. Bis also alle Verträge neu eingepreist sind, können leicht drei und mehr Jahre vergehen. Marktteilnehmende schätzen, dass bis Ende 2023 weniger als die Hälfte aller Autopolicen angepasst wurde.

Über die Autoren

Walter Reinl ist Partner der Managementberatung Oliver Wyman in Zürich und leitet den Bereich Insurance and Assetmanagement in der Schweiz. Jérémy Bonifay und Oliver Götz sind als Consultants für Oliver Wyman tätig.
 

3. Reserven sind endlich

Während das Prämienvolumen in der Schweizer Autoversicherungsbranche über die letzten fünf Jahre um circa 205 Millionen Franken (plus 3 Prozent) gestiegen ist, haben die Versicherer über den gleichen Zeitraum gut 1 Milliarde Franken (minus 9 Prozent) an MF-Reserven abgebaut. Sie sind insgesamt immer noch gut reserviert, könnten also noch eine Zeit lang Gewinne in der Autoversicherung aus den Rückstellungen ziehen. Es fällt jedoch auf, dass die Reserveausstattung der einzelnen Anbieter unterschiedlich stark ist, mit Rückstellungen in der Höhe von knapp über 100 bis zu 220 Prozent der Beiträge (2023 brutto, Schätzung auf der Basis von Finma- und SST-Daten). Anders gesagt: Wenn sich der Markt nicht erholt, werden einzelne Versicherer in der Autoversicherung bald technische Verluste schreiben.

4. Versicherer laufen immer noch der Inflation hinterher

Für dieses Jahr werden deutlich niedrigere Preissteigerungen prognostiziert. Mit plus 1,8 Prozent bei den Preisen für Service und Wartung beziehungsweise plus 2,3 Prozent für Ersatzteile ist die Inflation aber nicht verschwunden, siehe Schaubild 2. Dazu kommen die Überschwemmungen im Wallis und eine Unwettersaison, die noch nicht ausgestanden ist. Ausserdem lagen die Preise für die Rückversicherung 2024 in etwa auf dem hohen Niveau wie jenes im Vorjahr. Kurz, es besteht eine gewisse Möglichkeit, dass die Autoversicherer auch dieses Jahr mit ihren Preisen nicht auskommen. Eventuell müssen einige von ihnen ihre Fähigkeiten ausbauen, schneller Dynamiken im Schaden- und Preisgefüge zu erkennen und dann auch schneller auf diese zu reagieren.

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Quelle: ZVG
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