Compenswiss, der Ausgleichsfonds von AHV, IV, EO, verwaltet 38 Milliarden Franken an Rentengelder. Wie lief 2021?
Es gab zwei starke Treiber: die Börse und der Immobilienmarkt.
Beide legten um 8 bis 20 Prozent zu.
Das hat sicher geholfen. Aber als Reservefonds, welcher der Sicherheit verpflichtet ist, halten wir einen hohen Anteil des Kapitals in festverzinslichen Anlagen, also Obligationen: 60 Prozent.
Die Ausgleichsfonds bilden innerhalb der Anstalt compenswiss die getrennten Vermögen der AHV, der IV und der EO. Sie gleichen Schwankungen der Finanzflüsse dieser Sozialversicherungen aus und stellen sicher, dass die Ausgleichskassen jederzeit die fälligen Leistungen der AHV, der IV und der EO auszahlen können.
Wie fällt das Gesamtergebnis 2021 aus?
Auf dem gesamten Wertschriftenportfolio liegen wir bei ungefähr 5 Prozent Rendite. 2021 war ein gutes Jahr.
Da reden wir also bei einem Gesamtvermögen von 38 Milliarden von 2 Milliarden Franken Gesamtrendite.
Das trifft ungefähr zu.
Das war auf dem Niveau des Vorjahres.
Letztes Jahr lagen wir ebenfalls bei zirka 5 Prozent, damals hatten wir im März einen massiven Einbruch an den Aktienmärkten. Dieses Jahr war viel ruhiger, was nicht unbedingt zu erwarten war. Wir konnten jeden Monat mit einer Null oder mit einem Gewinn abschliessen – ausser im September, der war negativ.
Die Aktien haben zugelegt, die Immobilien auch. Der Goldbestand im AHV-Portfolio war kein Renditebringer 2021.
Gold hat tatsächlich nur ein wenig verloren. Aber wir halten Gold aus Gründen der Diversifikation und der Stabilisierung. Das sind ungefähr 3 Prozent am Gesamtportfolios.
Manuel Leuthold arbeitete als Banker für UBS und Banque Privée Edmond de Rothschild. Der Genfer Jurist ist seit 2021 Präsident der Genfer Kantonalbank und seit 2016 Präsident von Compenswiss, dem Ausgleichsfonds der AHV, der für das Sozialwerk rund 40 Milliarden Franken an Rentengelder verwaltet.
Das Vermögen der AHV-Ausgleichsfonds dürfte damit neu bei 40 Milliarden Franken liegen.
Das trifft in dieser Grössenordnung ungefähr zu.
Der Aktienanteil lag in der Vergangenheit bei 25 Prozent. Haben Sie den geändert angesichts der Börsenhausse? Der SMI hat über 20 Prozent zugelegt.
Wir sind daran, unsere Aktienposition leicht auf 26 Prozent zu erhöhen. Das tun wir langsam, aber stetig.
Der Immobilienanteil lag bei 10 Prozent.
Hier sind 13 Prozent unser Ziel. Dazu gehören Immobilien in der Schweiz und im Ausland. Das sind aber keine Direktinvestitionen, etwa in Projekte oder in Überbauungen. Wir investieren in verbriefte Immobilien, kotierte und nicht kotierte.
Das Anlageergebnis der AHV-Fonds schliesst 2021 mit einem Plus von 5 Prozent ab. Und das Umlageergebnis der AHV, also die Einnahmen und Ausgaben der AHV an die Rentner?
Das gesamte AHV-Ergebnis liegt erst Ende März 2022 vor. 2020 hatten wir ein positives Umlageergebnis der AHV von 579 Millionen – auch dank des STAF-Beitrag von 2 Milliarden – und dazu das positive Ergebnis der Anlagefonds von 1,3 Milliarden. Das Gesamtergebnis war entsprechend positiv.
2021 liegt der Gewinn der drei Fonds bei 2 Milliarden, dazu die 2 Milliarden von der STAF. Das ist schon mal eine gute Vorlage.
Wie gesagt, alle Zahlen liegen erst im März vor. Aber wir können heute davon ausgehen, dass die AHV – mit Anlageergebnis und Umlageergebnis – positiv abschneiden wird.
ESG-Kriterien beim Investieren sind ein grosses Thema.
Wir schenken dem Thema grosse Aufmerksamkeit, aber viele Kriterien in dieser Thematik sind noch nicht klar. Das macht ein Vergleich noch schwierig. Dieses Jahr haben wir aber ein Projekt gestartet, es nennt sich «Nullmessung», es soll dazu dienen, mehr exakte Daten über unser Portfolio zu haben. Wir arbeiten auch mit dem SVVK, dem Schweizerischen Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen zusammen, den wir mitgegründet haben. Mit ihm sind wir verstärkt mit grossen Unternehmen im Dialog.
Das heisst, der AHV-Ausgleichsfonds mit seinen Milliarden will sich stärker einbringen, gerade bei ESG-Kriterien?
Das ist so, der Dialog mit den Firmen ist sehr positiv. Gründungsmitglieder des SVVK sind wichtige institutionelle Anleger in der Schweiz, darunter die Personalvorsorge des Kantons Zürich, die Pensionskassen von Post, SBB, Swisscom, Suva, die Publica und wir von Compenswiss.
«Unser Rentensystem gehört zu den besten überhaupt. Doch es gibt einen hohen Reformbedarf.»
Sie schliessen auch Anlagen in Firmen aus? Welches sind die Ausschlusskriterien?
Unternehmen, die die Gesetze und die von der Schweiz unterschriebenen internationalen Abkommen nicht respektieren. Für uns stehen natürlich soziale Aspekte im Vordergrund: Wir müssen die Renten so lange wie möglich bezahlen können. Das ist das oberste Ziel.
Bis 2035 sollte die Finanzierung der AHV gesichert sein. Dann wird es eng. Es braucht dringend Reformen.
Das grosse Thema ist und bleibt das Verhältnis zwischen Beitragszahlenden und Rentenbezügern. Die Demographie ändert das Spiel. Die entsprechenden Parameter – Beiträge, Anteil der Mehrwertsteuer, Länge der Beitragspflichtperiode und so weiter – müssen durch die Politik neu ausgerichtet werden. Aber ich sage auch, dass unser Rentensystem zu den besten überhaupt gehört. Doch es gibt einen hohen Reformbedarf. Damit die Kasse in 13, 14 Jahren nicht leer ist.
AHV-Revision: Wirtschaft steht geschlossen hinter der AHV 21
Die Dachverbände der Wirtschaft - economiesuisse, Schweizerischer Arbeitgeberverband, Schweizerischer Gewerbeverband - unterstützen die deutliche Zustimmung der eidgenössischen Räte zur AHV-Reform (AHV 21). Nach jahrzehntelanger politischer Blockade und mehreren gescheiterten Reformbemühungen sei eine Stabilisierung der finanziellen Lage der staatlichen Altersvorsorge von eminenter Wichtigkeit. Ohne Reformen würden der AHV tiefrote Zahlen und der rasche Verlust des heutigen Kapitalstocks drohen. Das abschliessende Ja der Stimmberechtigten zur AHV 21 sei für ein stabiles schweizerisches Sozialversicherungssystem von zentraler Bedeutung.
Die ausländischen Investmentberater Blackrock, Barings, State Street helfen beim Verwalten der Vorsorgemilliarden mit. Keine Schweizer?
Diese drei sind im Asset Management stets dabei. Wir arbeiten aber auch mit Schweizer Instituten zusammen, etwa der Waadtländer Kantonalbank, die Credit Suisse, Mirabaud, Pictet, Maerki Baumann oder UBS. Wir suchen immer die Besten für jeweilige Anlageklassen.
Die Genfer Kantonalbank gehört nicht zu den Besten?
Doch. Aber Sie wissen, ich bin seit diesem Frühling Präsident der Genfer Kantonalbank (lacht).
Eben: Sie haben einen Interessenkonflikt.
Solange ich auf beide Seiten tätig bin, wird die Zusammenarbeit auf sehr tiefen Niveau bleiben müssen. Das hat aber in keinster Weise mit der Qualität der Arbeit der Genfer Kantonalbank zu tun!