Der gesetzliche Umwandlungssatz von 6,8 Prozent wandelt bei der Pensionierung das Altersguthaben in eine lebenslange Rente um. Aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung und tiefen Zinsen ist dieser Satz jedoch überhöht, was dazu führt, dass die Pensionskassen zusätzliche Mittel benötigen, die wiederum bei der jährlichen Verzinsung der Erwerbstätigen fehlen. Etwa 87 Prozent der Pensionskassen haben ihre Umwandlungssätze bereits durch den Ausbau überobligatorischer Leistungen unter das Reformziel gesenkt und damit die Umverteilung signifikant verringert. Bei Pensionskassen, die nahe der gesetzlichen Mindestlösung operieren, ist der Spielraum jedoch begrenzt, und die Umverteilung zwischen Erwerbstätigen und Rentnern bleibt eine gelebte Realität.
Der eidg. dipl. Pensionsversicherungsexperte Bálint Keserű ist seit 2018 Head of Retirement bei Aon in Zürich. Dennis Clement ist seit August 2024 als eidg. dipl. Pensionskassenexperte (SKPE) für Aon tätig.
Die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent wird nicht nur für die betroffenen Neurentner kompensiert (bestehende Rentner sind nicht betroffen), sondern auch für Erwerbstätige, deren Altersrente nicht gekürzt wird. Schätzungsweise 50 Prozent der Versicherten des Jahrgangs 1975 oder älter werden gemäss Bund bei der Pensionierung ein Altersguthaben von unter 441'000 Franken aufweisen und somit einen lebenslangen Rentenzuschlag erhalten. Es handelt sich hierbei um eine Schätzung, da die Handhabung von Vorbezügen, Scheidungen oder Wohneigentumsförderung erst nach der Reform auf Verordnungsstufe festgelegt wird.
Diese Zuschläge werden durch einen solidarischen jährlichen Beitrag aller Pensionskassen von maximal 338 Franken pro Person finanziert. Dass der Bund diesen Beitrag vorerst nur für das erste Jahr definiert hat, zeigt auf, dass die Datenlage nur eine grobe Schätzung zulässt. Es ist wahrscheinlich, dass sich dieser Beitrag, wo möglich, über die Rendite finanziert, was eine geringere Verzinsung für die Erwerbstätigen und weniger Potenzial für Rentenerhöhungen zugunsten der Rentenbeziehenden zur Folge haben könnte, da ein zusätzlicher Lohnbeitrag weder von Arbeitgebenden noch von Arbeitnehmenden bevorzugt wird. Die Reform könnte die Umverteilung bei Pensionskassen nahe der gesetzlichen Mindestlösung um jährlich etwa 400 Millionen Franken reduzieren. Die Kompensation über das gesamte System wird jedoch während 15 Jahren rund 800 Millionen Franken pro Jahr kosten. Folglich wird dadurch die Umverteilung vorerst verstärkt.
Weit reichende Folgen
Grundsätzlich betrifft die Reform nur die gesetzlichen Mindestlösungen. Doch wenn sich diese verschieben, könnten auch Pensionskassen mit einem überobligatorischen Leistungskatalog ihre aktuellen Lösungen überdenken. Insbesondere bei den jüngeren Mitarbeitenden und jenen im Tieflohn- und Teilzeitsegment kann je nach heutiger Ausgestaltung ein Handlungsbedarf bestehen. Arbeitgebervertretende im Stiftungsrat der Pensionskasse könnten argumentieren, dass die entstehenden Mehrkosten in diesen Segmenten durch eine entsprechende Leistungsreduktion bei älteren Mitarbeitenden kompensiert werden sollten, um die Reformziele zu erfüllen. Zudem könnte eine gleichmässige Verteilung der überobligatorischen Leistungen über alle Alterskategorien sinnvoll sein, anstatt jungen Mitarbeitenden nur minimale Leistungen und älteren Mitarbeitenden überproportional hohe Leistungen zukommen zu lassen. Letztlich werden viele Pensionskassen nicht umhinkommen, ihre Leistungsziele zu überprüfen.
Tieflohn- und Teilzeitsegment profitiert
Die Reform würde die Vorsorgesituation der Mitarbeitenden im Tieflohn- und Teilzeitsegment verbessern und für Versicherte, die eine Kapitaloption wünschen, zu höheren Altersguthaben bei der Pensionierung führen. Zudem benötigen margentiefe Branchen eine einheitliche gesetzliche Grundlage, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Die Verbesserungen gehen jedoch mit einer sensiblen Erhöhung der Lohnbeiträge seitens der Arbeitgebenden und Erwerbstätigen einher. Einzelne Erwerbstätige des Jahrgangs 1975 oder älter könnten von einem Rentenzuschlag profitieren, sofern ihr Altersguthaben bei der Pensionierung den Grenzwert nicht überschreitet. Alle anderen werden diese Zuschläge jedoch finanzieren müssen, ohne selbst davon zu profitieren.
Viele Pensionskassen und Unternehmen haben bereits Elemente der Reform in ihre Vorsorgeleistungen integriert und nutzen den vorhandenen grossen Handlungsspielraum bei der Gestaltung zukunftsfähiger Vorsorgelösungen.
Dieser Beitrag erschien erstmals im Handelszeitungs-Special «Vorsorge» am 19. September 2024.