Elektronische Rezepte sollen in Deutschland bis Anfang nächsten Jahres auf breiter Front in allen Praxen zu bekommen sein. Vom 1. Januar 2024 an soll es für Ärztinnen und Ärzte verpflichtend sein, Verschreibungen elektronisch auszustellen, wie es in einem Gesetzentwurf des deutschen Gesundheitsministeriums heisst.
Umstellung erfolgt schrittweise
Für die Thurgauer Versandapotheke Doc Morris dürfte dies grundsätzlich eine gute Nachricht sein. Denn sie erwirtschaftet spätestens seit dem Verkauf des Schweizer Geschäftsteils an die Migros ihre Umsätze vor allem in Deutschland und ist dort stark von einem Vorankommen des E-Rezepts abhängig. Noch bestehen aber offen Fragen. Die Praxen in Deutschland sollen sich schrittweise umstellen. Bereits seit dem 1. Juli gibt es im nördlichen Nachbarland eine neue Möglichkeit zum Einlösen von E-Rezepten, bei der man in der Apotheke die Versichertenkarte der Krankenkasse in ein Lesegerät steckt. Bis Ende Juli sollen voraussichtlich 80 Prozent der Apotheken diesen zusätzlichen Weg anbieten können.
Doc Morris sieht sich benachteiligt
Ein deutschlandweiter Start elektronischer Rezepte in grösserem Stil hatte sich bereits mehrfach verzögert, auch wegen technischer Probleme. Der neue, einfachere Einlöseweg per Karte soll nun einen Durchbruch ermöglichen.
Davor waren E-Rezepte anstelle des gewohnten rosa Zettels auch schon über eine Smartphone-App oder einen ausgedruckten QR-Code einzulösen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte vor falschen Erwartungen gewarnt, dass vom 1. Juli an auch bereits in allen Arztpraxen E-Rezepte ausgestellt werden könnten.
Dazu kommt, dass sich Doc Morris und sein grösster Konkurrent Redcare Pharmacy (ehemals Shop Apotheke) durch den neuen Einlöseweg gegenüber stationären Apotheken benachteiligt fühlten. Sie begründeten dies damit, dass sich nun der Weg zum Einlösen von E-Rezepten in stationären Apotheken zwar stark vereinfacht habe, im Gegensatz dazu der Weg direkt über eine Versandapotheke für Versicherte aber immer noch sehr kompliziert sei.
Entsprechend haben die beiden Konkurrenten jüngst eine Beschwerde bei der EU und beim deutschen Gesundheitsministerium eingereicht. Aus ihrer Sicht müssten nun gleich lange Spiesse geschaffen werden.
Mehr Nutzerfreundlichkeit und Mehrwert
Im Hinblick auf das neue Gesetz sagte der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, nun gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, es sei enorm wichtig, dass mit dem Gesetz wieder Dynamik in die Digitalisierung komme. «Es gibt zwar das E-Rezept und die elektronische Patientenakte, aber kaum einer nutzt sie.» Daher brauche es dringend mehr Nutzerfreundlichkeit und echten Mehrwert für Patienten und Ärzte, damit sie auch in der Breite genutzt würden.
Der Referentenentwurf aus dem Hause des deutschen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht auch Regelungen zum geplanten Neustart für E-Patientenakten vor. Demnach sollen alle gesetzlich Versicherten bis 15. Januar 2025 automatisch eine bekommen – es sei denn, man lehnt das aktiv ab. Als freiwilliges Angebot waren die E-Akten 2021 eingeführt worden, aber nicht einmal ein Prozent der 74 Millionen Versicherten nutzt sie. Sie sollen Befunde, Laborwerte oder Medikamentenlisten speichern können.
Ob sich Doc Morris mit dem neuen Gesetz zufrieden geben wird, bleibt vorerst abzuwarten. Die Entwicklung um das E-Rezept im Zusammenhang mit der Ostschweizer Online-Apotheke dürfte also spannend bleiben. (awp/hzi/sec)