Seitens Politik steht die Forderung im Raum, dass die Krankenversicherer lockdownbedingte Spitaldefizite mitdecken sollen. Werden Sie sich solidarisch zeigen und Ihre Kässeli öffnen?
Was Sie als «Kässeli» bezeichnen, sind die Prämiengelder unserer Versicherten. Es kann nicht sein, dass die Prämienzahlerinnen und -zahler nun auch für Behandlungen aufkommen müssen, die gar nie erbracht worden sind. Die Forderung richtet sich direkt gegen die Prämienzahlenden, denn die Reserven stehen ihnen zu. 

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Sie haben aber im Lockdown viel Geld gespart …
Das ist nicht so! Bis Ende April hatten wir ein Kostenwachstum von 4 Prozent. Im Mai und Juni werden wir – da die Rechnungen ja zeitlich verzögert eintreffen – bestimmt ein rückläufiges Kostenwachstum haben. Aber da die Spitäler nun die verschobenen Eingriffe nachholen, dürften die Kosten anschliessend wieder steigen. 

«Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Reserven der Krankenversicherer sind.»

Haben Sie denn Verständnis für die Forderungen der Spitäler?
Ja, ich habe Verständnis dafür, dass sich die Spitäler wegen Ertragsausfällen an den Bund und die Kantone wenden. Ihnen wurde verboten, nicht dringende Behandlungen durchzuführen. Die Leistung der Spitäler und ihrer Mitarbeitenden im Umgang mit den Corona-Patienten war zudem hervorragend. Man sollte meiner Meinung nach aber abwarten, wie sich die Erträge und Kosten der Spitäler über das ganze Jahr 2020 entwickeln.

Als Krankenkasse verfügen Sie über genügend Reserven um helfend einzugreifen. Weshalb sträuben Sie sich?
Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Reserven der Krankenversicherer sind. Denn mit den Reserven können die Krankenversicherer bei unvorhersehbaren Ereignissen wie Pandemien die Kosten decken, die über ihren Einnahmen liegen. 

Aber die Reserven gehören unseren Versicherten! Als nicht profitorientierter Verein zahlt die Concordia darum heuer zum vierten Mal seit 2017 freiwillig einen zweistelligen Millionenbetrag aus den Reserven an ihre Versicherten zurück. Und sollten wir Ende 2020 wieder positiv abschliessen, versprechen wir, auch nächstes Jahr zusätzlich den Ertragsüberschuss unseren Versicherten zurückzugeben, so wie wir das schon letztes Jahr gemacht haben und für dieses Jahr planen. Seit 2017 sind so bereits rund 300 Millionen Franken an unsere Versicherten zurückgeflossen.

In den kommenden Jahren wird die Zahl älterer Menschen zunehmen und damit wird auch der Bedarf an Pflegeleistungen wachsen. Wie gehen Sie bei der Concordia damit um?
Es ist zuerst einmal ein Segen und auch das Resultat unserer guten Gesundheitsversorgung in der Schweiz, dass wir immer älter werden. Wir haben heute ein sehr hohes Niveau in der Pflege. Im internationalen Vergleich gibt es hierzulande genügend Pflegende und die Löhne liegen im guten Schweizer Durchschnitt. Damit wir dieses hohe Niveau in der Pflege halten können, investieren wir heute in die Ausbildung von Pflegenden. Diese Investition ist sinnvoll und notwendig. Aktuelle Zahlen zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind: Seit 2012 wurde der Personalbestand in der Pflege um 17 Prozent erhöht.

«Alleine mit einem Referenzpreissystem für Medikamente könnten zugunsten der Prämienzahlenden mehrere hundert Millionen Franken eingespart werden.»

Wie gehen Sie das Thema Pflegeversicherung an?
Die Pflegefinanzierung ist ein gewichtiges Problem, das hauptsächlich ausserhalb der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gelöst werden muss. Man kann die Pflegefinanzierung nicht einfach in die EFAS, also die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen, reinmurksen, wie das die Kantone wünschen. Dies würde die obligatorische Krankenversicherung langfristig faktisch zu einer Pflegeversicherung machen, welche die Solidarität zwischen Jungen und Alten sprengen würde. 

Noch eine Frage zu den Kosten: Der Bundesrat hat ein erstes Kostendämpfungspaket verabschiedet. Reicht das aus Ihrer Sicht, um die Qualität und Wirksamkeit der Gesundheitsversorgung zu verbessern?
Es ist ein erster wichtiger Schritt. Alleine mit einem Referenzpreissystem für Medikamente könnten zugunsten der Prämienzahlenden mehrere hundert Millionen Franken eingespart werden. Hier appelliere ich an die Parlamentarierinnen und Parlamentarier: Rücken Sie statt der Partikularinteressen das Interesse der Prämienzahlenden, zu denen wir alle gehören, in den Vordergrund!

Darüber hinaus braucht es aber noch mehr Reformen: Der Bundesrat schätzt, dass 20 Prozent aller Leistungen im Gesundheitswesen überflüssig sind. Deshalb müssen die Anreize besser gesetzt und dieses Einsparpotenzial muss realisiert werden.

Ausserdem dürfen nicht dauernd neue umfangreiche Ausgaben dazukommen. Würden wir die Ausbauwünsche der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen zusammenzählen, kämen in den kommenden Jahren mehrere Milliarden Franken an neuen Kosten hinzu. Das hätte Prämienerhöhungen zur Folge, die ich unseren Kundinnen und Kunden nicht zumuten kann.

«Das Parlament sollte bei seinen Entscheiden zu den ausgezeichneten Kostendämpfungsmassnahmen des Bundesrats stets die Prämienzahlenden im Fokus haben.»

Ihr Kollege Reto Dahinden, CEO der Swica, sagte letzten Oktober in einem Interview mit uns, dass sich die Akteure im Gesundheitswesen auf einen Systemwechsel einigen sollten. Dahinden fordert «echten Wettbewerb», um mit innovativen Leistungserbringern Tarife und Behandlungspfade definieren zu können, bei denen es keine Rolle spielt, ob diese ambulant oder stationär verlaufen. Einverstanden mit dieser Forderung?
Ja, die Anreize müssen stimmen. Ein erster Schritt wäre die Lockerung des Vertragszwanges mit den Leistungserbringern. Damit müssten die Prämienzahler nicht mehr für Kosten von jenen Leistungserbringern aufkommen, die die Qualitätsanforderungen nicht erfüllen oder viel zu hohe Kosten verursachen. Bereits heute gibt es hervorragende Beispiele für integrierte Gesundheitsversorgung, welche die Qualität der Medizin erhöht und die Kosten stabilisiert. 

Nehmen wir zum Beispiel die Sanacare-Gruppenpraxen: Diese betreuen ihre chronisch kranken Patienten qualitativ so gut, dass sich dabei deren Gesundheitszustand besser entwickelt als in Vergleichsgruppen. Gleichzeitig liegen die gesamten Leistungskosten ihrer Patienten rund 20 Prozent unter dem üblichen Niveau. Davon profitieren sowohl die Patientinnen und Patienten als auch die Prämienzahlenden direkt. 

Was wäre konkret zu tun, um das zu erreichen?
Das Parlament sollte bei seinen Entscheiden zu den ausgezeichneten Kostendämpfungsmassnahmen des Bundesrats stets die Prämienzahlenden im Fokus haben und nicht Partikularinteressen der Leistungserbringer oder der Industrie. Dann hätten wir bald ein Referenzpreissystem bei Medikamenten und tiefere Benchmarks bei den Spitaltarifen. Zudem müssen die Kantone endlich den stetigen Zuwachs an Leistungserbringern stoppen. Denn dies führt zu einer laufenden Mengenausweitung und noch mehr unnötigen Behandlungen. 

Und was können die Versicherungen beitragen?
Unsere Aufgabe als Versicherer wiederum ist es, die Kontrolle der Leistungsrechnungen noch besser durchzuführen. Auch wenn wir uns damit bei den Leistungserbringern nicht gerade beliebt machen, bleibt es unsere wichtigste Aufgabe, die wir im Auftrag der Versicherten durchführen und bei der uns der Wettbewerb zwingt, laufende Optimierungen zu erzielen. Alleine im Jahr 2019 hat die Concordia mit Leistungsmanagement und Rechnungskontrollen 345 Millionen Franken eingespart. 

Jetzt noch zwei Schlussfragen: Über Beteiligungen arbeitet die Concordia mit Wettbewerbern zusammen. Über die Sanacare AG mit der Sanitas und die Solida Versicherungen AG mit der Helsana. Ist ein Ausbau solcher Kooperationen oder allenfalls sogar ein Zusammenschluss mit bisherigen Konkurrenten im Bereich des Möglichen?
Diese Beteiligungen sind historisch gewachsen und wir arbeiten mit unseren Partnern ausgezeichnet zusammen. Es gibt bei diesen Kooperationen aber keine Ausbau- oder gar Übernahmepläne.

Nebenbei sind Sie auch Hotelier und Beizer. In Luzern gehören das Hotel Cascada und das Restaurant Bolero zur Concordia. Wollen Sie sich damit ein weiteres Standbein ausserhalb des Gesundheitswesens aufbauen?
Nein. Das traditionsreiche Hotel Cascada liegt direkt neben unserem Hauptsitz am Bundesplatz in Luzern. Als sich vor Jahrzehnten die Gelegenheit bot, das Hotel zu erwerben, haben wir dies getan. Und wir haben es nie bereut! Das Vier-Sterne-Hotel ist bei Business- und Feriengästen überaus beliebt. Und für das leibliche Wohl wird im besten spanischen Restaurant Luzerns, im Bolero, gesorgt.