Die Rahmenbedingungen für Versicherungsmakler sind in den vergangenen Jahren zunehmend komplexer geworden. Wo steht die Branche aktuell?
Felix Jenny: Klassische Risiken stehen weniger denn je im Fokus – bei uns Brokern ebenso wie bei normalen Versicherern. Cyberkriminalität, Klimawandel und geopolitische Risiken sind die grossen Themen, die heute Unternehmen beschäftigen, nicht mehr so sehr die Sachversicherungen.
Für mich steht angesichts dieser Situation fest, dass wir alternative Formen des Risikotransfers finden müssen. Bei komplexen Risiken braucht es mehrere Versicherer, die finanziell in der Lage sind, grosse Risiken zu übernehmen.
Zusammenschlüsse geben die Gewähr, dass eine gewisse Qualität an Schutz und Deckung möglich wird.
Felix Jenny, CEO Howden Schweiz, Österreich und Liechtenstein
Heisst das, die Akteure im Versicherungsmarkt müssen mehr zusammenspannen?
Ja, Kooperation ist ein Riesen-Thema. Nehmen wir das Beispiel Cyber: Das ist sicherlich ein so grosses, unüberschaubares Risiko, dass die ganze Versicherungsindustrie sich fragen muss, ob wir uns nicht zusammentun, um eine oder mehrere Lösungen zu poolen – damit die Kunden das erhalten, was sie unbedingt benötigen, um ihre Unternehmen erfolgreich zu erhalten. Zusammenschlüsse geben die Gewähr, dass eine gewisse Qualität an Schutz und Deckung möglich wird.
Es gibt allerdings Stimmen im Markt wie die von Zurich-CEO Mario Greco, wonach Cyberangriffe unversicherbar werden könnten …
Wir können nicht ernsthaft als Versicherungsmakler auftreten und sagen, Cyberrisiken werden nicht versichert. Das finde ich schwierig.
Wir als Industrie müssen versuchen, die wahren Probleme zu lösen, denn der Sinn der Assekuranz ist es, dass wir die Wirtschaft unterstützen bei ihrem Wachstum. Das ist unsere Aufgabe. Wenn wir das nicht hinbekommen, machen wir uns in einem gewissen Grad überflüssig.
Howden möchten sich als eine europäische Alternative zu den klassischen internationalen Maklern positionieren.
Felix Jenny
In der Schweiz ist Howden in jüngerer Zeit durch Akquisitionen gewachsen. Welche Strategie verfolgt Howden damit?
Es gibt nur eine Howden-Strategie, keine Schweizer Strategie. Howden möchten sich als eine europäische Alternative zu den klassischen internationalen Maklern positionieren. Wie die grossen «Big Three» Marsh, Aon und Willis Tower Watson wollen wir künftig unseren Kunden die gesamte Palette möglicher Dienstleistungen erbringen, möglichst alles aus einer Hand.
Dieser Artikel ist Teil der Market Opinion «Cyberrisiken: Angriff, Schäden, Konsequenzen», die in Zusammenarbeit mit Howden Schweiz realisiert wurde.
War das bisher nicht möglich?
Kleinere regionale oder nationale Makler haben immer Lücken, müssen Dienstleistungen teils extern einkaufen, weil in bestimmten Bereichen ein eigenes Netzwerk fehlt. Wer als Makler alle vom Kunden gewünschten Dienstleistungen anbieten will, braucht in verschiedenen Ländern eine gewisse Grösse. Das bedeutet neben technischen Fähigkeiten eine gute geografische Präsenz und Auftragsvolumen. Mehr Volumen bedeutet, bessere Einkaufskonditionen bei Versicherern zu erzielen. Mit einem höheren Volumen spielen Broker auf Augenhöhe und werden deutlicher wahrgenommen.
Mit der Strategie zu wachsen, entsprechen wir auch einem Wunsch unserer Kunden, die lieber Alternativen am Markt sehen als eine zu starke Konzentration der grossen internationalen Broker.
Was unterscheidet Howden von den grossen internationalen Brokern?
Unser Schwergewicht liegt auf der menschlichen Komponente: Unsere Mitarbeitenden sind vertraut mit der lokalen Kultur und als Fachexperten in ihrem Umfeld bekannt und geschätzt. Die langfristige Bindung unserer Mitarbeitenden ist für uns absolut wichtig; daher können sich Howden-Angestellte am Unternehmen beteiligen. Bewusst sind wir nicht an der Börse vertreten.
Unser Erfolg basiert auf dem Prinzip, dass wir als Broker in bestimmten Gebieten die besten Spezialisten haben.
Felix Jenny
Wie sehen Ihre Pläne für Howden Schweiz für die nächste Zukunft aus?
Howden wurde 1994 als Spezialitätenbroker gegründet. Unser Erfolg basiert auf dem Prinzip, dass wir als Broker in bestimmten Gebieten die besten Spezialisten haben. Diese Strategie verfolgen wir weiter mit Blick auf ausgewählte Kundensegmente und Industriebranchen. Wir sind ständig auf der Suche nach den besten Spezialistinnen und Spezialisten.
Können Sie uns Beispiele nennen?
Beim Thema Employee Benefits sind wir hervorragend aufgestellt – also, wenn es um die Beratung für Kundenunternehmen zu Personenversicherungen oder Pensionskassen geht. Gute Spezialisten haben wir ebenfalls in den Segmenten Haftpflicht, Kredit- und Kautionsversicherung oder Aviation und auch bei Cyber.
Speziell im Cyberbereich wollen wir unser Team noch verstärken, doch das ist eine echte Herausforderung, hier Leute zu finden.
Darüber hinaus suchen wir Spezialisten mit fundiertem Wissen aus der Finanzindustrie für den Ausbau des Bereichs «Finanzial Lines» - zum Beispiel Fachpersonen, die Unternehmen zum Thema Haftungsrisiken beraten können.
Generell sind Experten mit Versicherungswissen und Industrieerfahrung für uns sehr wertvoll, weil sie am besten die Anliegen des Kunden verstehen und ihn beraten können. Solche Expertinnen und Experten sind jedoch rar.
Wo sehen Sie Howden in fünf Jahren?
Wir sind unter den Top 3 in Europa und auf der Welt.
Bei Managementfunktionen halte ich Konzentrationen für begrenzt sinnvoll.
Felix Jenny
Der Brokermarkt in der Dach-Region befindet sich in der Konsolidierung. Wo geht die Reise hin?
Im Brokermarkt sind die Nähe zum Kunden und Kenntnisse über den Markt sehr wichtig. Bei der Kundenberatung kann mehr Zusammenarbeit im gleichen Sprachraum Sinn machen, weil zum Beispiel ein Experte mit Industrieerfahrung nicht überall vorhanden ist.
Bei Managementfunktionen halte ich Konzentrationen für begrenzt sinnvoll. Denn Länder wie Deutschland, Österreich und die Schweiz agieren sehr unterschiedlich und die Kunden reagieren sehr sensibel auf kulturell fremde Ansprache.
Die Konsolidierung oder enge Kooperation verschiedener Anbieter auf nationalem Niveau kann mit Blick auf Margen- und Preisdruck, komplexe Risiken oder fehlende Spezialisten eine vernünftige Lösung sein. Allerdings sind unterschiedliche Interessen der Akteure zu beachten.
Inwiefern?
Der klassische Versicherungsvertrieb möchte am liebsten viele Produkte für einen Versicherer zu einer gut rentablen Prämie verkaufen. Das ist ein ganz anderer Treiber als beim klassischen Makler. Wir als Broker wollen unsere Kunden so umfassend wie möglich zu allen Risken beraten und ihnen dann optimale Angebote von verschiedenen Versicherungen einholen, über die sie dann entscheiden können.