Kunden wünschen eine kompetente Beratung und eine verlässliche Dienstleistung, sie fordern aber auch Honorartransparenz und Kostenkontrolle, damit sie ihre «Finanzen im Griff» haben. Das wirft viele Fragen auf: Was macht eine gute Beratung aus, wieviel darf sie kosten und in welcher Form soll sie vergütet werden? Gibt es minimale Standards bezüglich Ausbildung und Kompetenzen, die einfach überprüfbar sind? Eine aktuelle Auslegeordnung zur Finanzplanung in der Schweiz.

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Nach Definition ist Finanzplanung umfassend, unabhängig, ergebnisoffen, produktneutral und eigenständig zu gestalten. In der Praxis suggerieren Marketingbegriffe wie «ganzheitlich, lebensphasenorientiert, 360 Grad, selbstbestimmt, holistisch», dass diesem Ideal bereits nachgelebt wird. Über 90 Prozent solcher «Beratungen» beziehen sich aber auf ein einzelnes Ereignis oder auf ein singuläres Problem, das beim Kunden Beratungsbedarf ausgelöst hat. Meist wird dann ein vorkonfektionierter Finanzplan mit einem eigenen Produkt als Lösung verkauft. Diese Praxis korrespondiert noch wenig mit dem heutigen Zeitgeist «pay for advice». Die digitale Disruption steht für maximale Transparenz  - versteckte Vertriebsgebühren wirken wie aus der Zeit gefallen.

Hilfe zur Selbsthilfe?

Finanzplanung scheitert häufig am Finanz-Analphabetismus der Kunden. Das könnte auch eine Chance darstellen, diese Dienstleistung als Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten (Financial Coaching). Initial steht selten der Kundenwunsch nach umfassender Finanzplanung.

Findige FinTechs sind heute schon in Lage, auf Triggerpoints (scheinbar) einfache Lösungen anzubieten. Digital, schnell und günstig. Dazu etwas Infotainment, so dass die Frage nach einer persönlichen Beratung zweitrangig wird. Für Finanzdienstleister wird es daher immer schwieriger, sich mit Standardlösungen am Markt zu differenzieren: Vor Corona war die Bereitschaft, in hybride Beratungsmodelle zu investieren, noch fast null.

Auch heute fehlt es oft an Schnittstellen und der Einsicht zu einer kundenzentrierten Beratung. Vernetztes, strukturiertes und konzeptionelles Denken und Synthesefähigkeit sind wenig gefragt an der Front der Finanzprodukteverkäufer. 

Finanzplaner denken nicht im kurzfristigen Absatz von Produkten, sondern in Bedürfnissen und Lösungen einer langfristigen und nachhaltigen Kundenbeziehung. Umgekehrt nützt eine Finanzplanung nur dann, wenn sie auch umgesetzt wird und Umsatz kommt von Umsetzen.

Nach wie vor besteht zwischen Kunden und Beratern eine grosse Asymmetrie von Wissen und Informationen. Das Geschäftsmodell der als Beratung getarnten Verkaufsgespräche wird daher so lange wie möglich weitergeführt. Eine «kostenlose Beratung» wäre daher ehrlicher als «Verkaufsgespräch» zu deklarieren. Zumal eine Bank oder Versicherung nur einen Ausschnitt aus dem ganzen Finanzplanungsuniversum betrachtet und die Produktauswahl auf die eigenen Produkte beschränkt ist. Solche Verkaufsgespräche unterliegen dem Interessenkonflikt der Vergütungsfrage und können daher weder als umfassende noch unabhängige Finanzplanung betrachtet werden. 

Quanta costa?

Alle Finanzdienstleister behaupten heutzutage, im Fokus stehe das Interesse der Kunden und nicht Marge und Absatz. Und alle Unternehmen möchten eine qualitativ hochstehende Beratungsdienstleistung anbieten – daher sind folgende Fragen seriös zu klären: «Was definiert den Preis einer Beratung? Das Kundenvermögen? Sein potenzielles Provisionsvolumen? Oder die Leistung des Beraters? Gemessen als Zeiteinheit oder als Beratungserfolg? Welche Qualifikationen haben die Berater?»

Die Finanzdienstleister in der Schweiz lassen sich grob in fünf Kategorien einteilen:

  1. «Retailvertrieb»: Die rein provisionsbasierte Themenberatung mit minimaler Berater-Qualifikation ist eher ein aussterbendes Modell im Retailmarkt, das zunehmend digitalisiert wird. Dazu zählen die Aussendienste von Versicherungen und Krankenkassen aber auch alle Basisdienstleistungen von Banken. Definitiv keine Finanzberatung und schon gar nicht eine umfassende Finanzplanung. (Beispiel: Alle Auschliesslichkeitsvertriebe)
  2. «Strukturvertriebe»: Die rein provisionsbasierte Allfinanzberatung mit mittlerer Berater-Qualifikation rechnet sich im Retail-Segment dank Cross-Selling und höherer Gebühren. (Beispiel: Swiss Life Select, Global Sana, Bucher Invest). Passable Einstiegsberatung für Standardthemen, aber die Interessenkonflikte verhindern eine unabhängige Finanzplanung.
  3. «Honorar-Provisions-Mix»: Die meisten Anbieter wie Banken und Versicherungen bieten ihre Basisdienstleistung (Verkauf ihrer Produkte) kostengünstig an, persönliche Finanzberatung werden verrechnet mit dem Produkteabsatz und Pensionsplanungen haben einen Festpreis. Die Berater-Qualifikationen decken primär die Anforderungen an die eigenen Produkte ab;  für die Pensionsplanungen kommen meist Finanzplaner mit eidg. Fachausweis, also einer zertifizierten Ausbildung, zum Zug. (Beispiele: Von A wie «Axa» bis Z wie «Zürich», von «Bank Cler» bis «ZKB»). Je nach Firma und Segment sind fachlich fundierte und einwandfreie Konzepte möglich – die Krux liegt darin, dass die Umsetzung meist wieder in den Händen eines Ausschliesslichkeitsverkäufers liegt, das heisst, die Versicherung verkauft Einmaleinlagen und die Bank verkauft ihre Vermögensverwaltung.
  4. «Unabhängige»: Dieser Begriff wird sehr grosszügig interpretiert. Killer-Kriterium sind «keine eigenen Produkte» und eine neutrale Selektion der am Markt erhältlichen Produkte. Die Qualifikation der Berater ist sehr unterschiedlich, eine lange Unternehmensgeschichte ist noch kein Garant für eine qualitativ hohe Beratungsqualität. Typischer Vertreter ist das VZ, welches sich selbst als unabhängig bezeichnet: Die Finanzplanung erfolgt gegen Honorar und ohne Produktempfehlungen. Ca. 40 Prozent der so beratenen Kunden entscheiden sich für eine Umsetzung, welche dann mit Lösungen aus dem Hause VZ erfolgt.
  5. «Honorarberater»: Diese nennen sich so, weil sie ein Stundenhonorar in Rechnung stellen, meist begründet mit deutlich höherer Qualifikation ihrer Berater. Viele nehmen trotzdem Provisionen ein und sind daher eher als «Honorar-Optimierer» einzuschätzen (Beispiel: Academix Consult AG). Andere lassen den Kunden die Wahl zwischen Honorar- oder Provisionsvergütung (Beispiel: Fina Finanzplanung AG). Solange eine Firma nicht explizit auf Provisionsvergütungen verzichtet, kann sie nicht als reine Honorarberatung eingestuft werden.

Verkappte Verkäufer

Die ersten vier Kategorien decken rund 95 Prozent des Marktes ab, Honorarberatung kommt der akademischen Definition von Finanzplanung am nächsten, hat sich am Markt aber noch nicht durchgesetzt. Speziell aus Sicht vermögensstarker Kunden böte es Vorteile, da grossvolumige Verträge nur mit Stundenkosten abgerechnet würden. Honorare auf Anwaltsniveau sind nur gerechtfertigt, wenn Kunden adäquate Expertise und konkrete Vorteile bekommen: Problemlösungskompetenz, Erfahrungswerte, Unabhängigkeit und höchste Ausbildungsstandards (CFP®). Systembedingt ist Honorarberatung also noch kein Thema im Retailbereich, in Nischensegmenten und im Core-Affluent bestehen aber durchaus Chancen. 

Das hat auch die Swiss Life erkannt, die mit ihrem eigenen Aussendienst und Swiss Life Select bereits die ersten zwei Kategorien erfolgreich bespielt. Mit Swiss Life Wealth Manager versucht sie derzeit, die kaufkräftige Kundensegmente 55plus für eine umfassende Pensionsplanung abzuholen. Ob das ohne zertifizierte Berater und einem einzigen Produkt («private Vermögensverwaltung ohne Klischees») gelingt? Nun, das VZ war mit dieser Marketingmasche auch erfolgreich…

Zukunft Finanzcoaching

Finanzielles Wohlbefinden wird genauso zum Konsumgut, wie es Gesundheit heute schon ist: Im Mittelpunkt stehen Fragen zum Umgang mit Geld und Risiko. Finanzcoaches dienen als neutrale Sparringpartner für Fragen, wie man mit Trennungen und Erbschaften umgehen kann oder wie Unternehmer komplexe Finanzentscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen strukturiert lösen können. 

Sportler vertrauen seit langem auf Coaches, um Ziele zu erreichen, die Qualität und Flexibilität zu verbessern, die Leistungsbereitschaft zu steigern. Coaching unterstützt bei Krisen, fördert Veränderungsprozesse und steigert nachhaltig die «Financial Wellness».

Kunden zahlen gewissermassen für die «Blicke des Experten»: Vom Rückblick über den Einblick und Durchblick zum Ausblick und Weitblick. Das verschafft Sicherheit und Orientierung. 

Reto Spring ist CFP® und Präsident FinanzPlaner Verband Schweiz

Dieser Text ist erstmals erschienen im Vorsorge Guide 2022/2023.

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Der «Vorsorge-Guide» untersucht aktuelle Trends mit Blick auf die Digitalisierung, gibt Tipps zum sinnvollen Sparen für das Alter und zeigt auf, weshalb die junge Generation anders für die Rente plant.

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