Viele selbstständig arbeitende Menschen starten damit im Nebenverdienst und sind im Haupterwerb bei einem Arbeitgeber angestellt. Da ist die zu kleine Rente vorprogrammiert. Wie kann die Vorsorgelücke vermieden werden?
Erst einmal gilt der Grundsatz, dass je eher Selbstständigerwerbende mit der Planung ihrer Vorsorge beginnen, desto besser. Frühzeitige Investitionen und regelmässige Überprüfungen der finanziellen Situation können dazu beitragen, die Vorsorgelücke im Alter zu verkleinern. Eine konkrete Möglichkeit ist der Einkauf von fehlenden Beitragsjahren in die berufliche Vorsorge beim bestehenden Arbeitgeber. Zusätzlich bieten einige Branchen über ihren Verband spezielle Pensionskassen für Selbstständige an. Hinzu kommt noch die Variante, sich bei einer Vorsorgeeinrichtung zu versichern, welche ausschliesslich überobligatorische Leistungen anbietet (Vorsorgeeinrichtung im Bereich der weitergehenden Vorsorge). Auch der Kauf von Immobilien kann eine Möglichkeit sein, Vermögen aufzubauen, das im Alter genutzt oder verkauft werden kann, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Darüber hinaus hat der oder die Selbstständige die Möglichkeit, sich der Stiftung Auffangeinrichtung anzuschliessen.
Bei der Stiftung Auffangeinrichtung BVG haben sich lediglich 537 Selbstständigerwerbende angeschlossen. Warum wird diese Möglichkeit nicht breiter genutzt?
Möglicherweise sind viele Selbstständigerwerbende nicht ausreichend über die Existenz und die Vorteile der Stiftung Auffangeinrichtung BVG informiert –oder es ist ihnen zu komplex. Denn das schweizerische Vorsorgesystem ist kompliziert, und die verschiedenen Optionen können verwirrend sein. Und natürlich sind auch die Kosten für einen solchen Anschluss nicht ausser Acht zu lassen. Selbstständigerwerbende müssen die Einzahlungen ganz allein stemmen, daher könnten sie zögern, eine solche zusätzliche finanzielle Verpflichtung einzugehen, insbesondere wenn sie bereits andere Formen der Vorsorge in Betracht ziehen oder ihr Business erst gestartet haben.
Der Stratege
Name: Urs Schleuniger
Funktion: Chief Executive Officer bei der Tellco AG
Alter: 56
Karriere: Seit über 40 Jahren im Privatbanken- und Retailbankenumfeld tätig. Unter anderem arbeitete Urs Schleuniger während 17 Jahren bei der Swisscom in unterschiedlichen Führungspositionen. Als Head Private Banking zeichnete er zuletzt für den Ausbau und die Wachstumsstrategie verantwortlich. Seit 2023 ist er Vorsitzender der Geschäftsleitung der Tellco AG.
Werden Selbstständige damit nicht schlechter gestellt als Angestellte?
Hinsichtlich einer Rentenlösung haben Selbstständigerwerbende, die keine GmbH oder AG gegründet haben, teilweise Nachteile. Im Pensionsalter haben sie dann lediglich die Möglichkeit, das Kapital in einen Entnahmeplan zu investieren oder in eine Leibrente. Selbstständigerwerbende haben jedoch den Vorteil, dass sie jedes Jahr, je nach Geschäftsgang, einen freiwillig wählbaren Betrag einzahlen können (ausser bei einer Lösung über eine Versicherung). Bei einer Lösung, welche ein reines Sparen vorsieht, besteht dafür im Normalfall keine Deckung für die Risiken Tod und Invalidität. Dies muss dann separat versichert werden. Wie vorhin erwähnt, ist es wichtig, zu beachten, dass die Schweiz auch Optionen für Selbstständige bietet, um umfassend fürs Alter vorzusorgen. Die Zusammenarbeit mit uns oder anderen Finanzberatern respektive Finanzexpertinnen kann helfen, eine massgeschneiderte und frühzeitige Vorsorgestrategie zu entwickeln, die den individuellen Bedürfnissen und Zielen entspricht.
Was ist mit der dritten Säule?
Sofern es die finanziellen Möglichkeiten erlauben, ist es unbedingt ratsam, den maximal möglichen Betrag (35 280 Franken jährlich, ohne Pensionskassenanschluss) in die Säule 3a einzuzahlen. Neben den Steuervorteilen profitiert man von einem breiten Angebot von digitalen Lösungen, welche die Eröffnung und Einzahlung sehr vereinfachen. Wir haben dabei die Erfahrung gemacht, dass der damit verbundene direkte Zugriff auf das 3a-Konto und die Transparenz bezüglich der Vermögensentwicklung, die Kosten und die individuell wählbare Anlagestrategie sehr geschätzt werden.
«Hinsichtlich einer Rentenlösung gibt es teilweise Nachteile.»
Für wen lohnt sich das Sparen zusätzlich in der Säule 3b?
In der Säule 3b können selbstständige Personen in verschiedene Anlageprodukte investieren, darunter Aktien, Anleihen, Investmentfonds und andere Wertpapiere. Diese Form bietet mehr Flexibilität bei der Anlage, birgt jedoch auch ein höheres Risiko und ist steuerlich nicht privilegiert. Selbstständige können innerhalb der Säule 3b auch Lebensversicherungen abschliessen, die im Todesfall eine Todesfallleistung bieten, mit der aber auch Kapital für das Alter aufgebaut werden kann.
Inwiefern kann die Gründung einer GmbH die Lage in der Altersvorsorge ändern?
Mit der Gründung einer GmbH kann sich die selbstständig erwerbende Person selbst als Angestellte einstellen und sich somit einer Pensionskasse anschliessen.
Wer sich dazu entschieden hat, steht bereits vor der nächsten Frage: Worauf sollte man bei der Wahl einer passenden Pensionskasse achten?
Es gibt hier einige Kriterien zu beachten. Zum Beispiel, welche Altersgewichtungsstruktur (Verhältnis von Rentnern zu Aktiven) die Pensionskasse hat, wie hoch der Umwandlungssatz, der Deckungsgrad, die Verzinsung und das Preis-Leistungs-Verhältnis sind. Wichtig dabei ist, zu prüfen, welche risikobasierte Anlagestrategie die Pensionskasse hat. Fokussiert diese auf Rendite, oder steht bei ihr die langfristige finanzielle Sicherheit im Zentrum? Auch die Verwaltungskosten, welche die Pensionskasse belasten, müssen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Ebenso entscheidend ist die Flexibilität – also die Frage, wie die gewählte Pensionskassenlösung an die eigene Unternehmensentwicklung angepasst werden kann. Diese drei letztgenannten Kriterien werden von unseren Kundinnen und Kunden immer wieder als besonders wichtig angesehen, insbesondere auch in der Startphase des eigenen Unternehmens.
Warum sind flexible Lösungen in der Altersvorsorge wichtig?
Mit dem Start in die Selbstständigkeit verändert sich einiges in Sachen Altersvorsorge. Und auch das eigene Unternehmen entwickelt sich stetig weiter. Zusätzlich können im Privatleben ebenfalls Änderungen anstehen, welche eine neue Ausrichtung der Altersvorsorge notwendig machen. Daher sind flexible Vorsorgelösungen entscheidend. Wie beispielsweise eine Pensionskasse, welche mit dem eigenen Unternehmen mitwächst und bei der je nach Geschäftsentwicklung die Lösung angepasst werden kann. Auch in der privaten 3a-Vorsorge sind Lösungen gefragt, mit welchen man seine individuellen Anlagewünsche direkt platzieren kann. Ein Vorteil kann zum Beispiel sein, wenn man bei der Pensionierung sein in Wertschriften angelegtes 3a-Vorsorgeguthaben in das private Wertschriftendepot übertragen kann, falls die Lage an den Börsen zum Zeitpunkt des Bezugs nicht optimal ist.