Frau Höhne, können Sie erklären, wie ein Versicherungsvertrag auf einer Blockchain Anwendung findet?

Grundlage eines Versicherungsvertrags auf einer Blockchain ist der sogenannte Smart Contract. Ein digitaler Vertrag basierend auf Computerprotokollen. Die vereinbarten Bedingungen werden in die Codezeile geschrieben und der Smart Contract führt sich selbst aus, wenn die Bedingungen eingetreten sind. Die Smart Contracts werden über die Blockchain dezentral gehostet. Das ermöglicht Transparenz und Schutz vor Manipulation. Somit ist eine vertrauenswürdige Transaktion und Umsetzung des Vertrags ohne menschliche Unterstützung möglich.

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Wofür eignen sich digitale Versicherungsverträge besonders?

Besonders passend sind Smart Contracts für parametrische Versicherungsverträge, bei denen ein Versicherungsfall vom Eintritt eines klar definierten Versicherungsereignisses abhängt. Das ist beispielsweise eine Flugverspätung oder eine Umweltkatastrophe. Es müssen keine Drittparteien, wie Vermittler, beteiligt werden.

Und das schont in erster Linie Ressourcen.

Das ist richtig. Denn durch einen Smart Insurance Contract können Kosten gespart und Versicherungsdeckungen schneller ausgezahlt werden. 

Zur Person

Dr. Franziska Höhne hat nach ihrem rechtswissenschaftlichen Studium an der Universität Freiburg zum Thema D&O-Versicherung des Aufsichtsrats promoviert. Während ihres Referendariats hat sie u.a. bei Clyde & Co und DUAL Switzerland in verschiedenen Financial Lines Gebieten gearbeitet. Danach beriet sie als Anwältin bei der Boutique-Kanzlei Pontinova in Zürich insbesondere im FinTech-Bereich. Aktuell ist sie als Legal Counsel für ein biopharmazeutisches Unternehmen tätig und ist parallel weiterhin als Anwältin aktiv.

Wie häufig kommen Smart Contracts zur Anwendung?

Smart Insurance Contracts sind noch relativ selten. Die Axa hatte bereits 2017 mit der auf der Ethereum-Blockchain basierenden Flugverspätungsversicherung Fizzy einen ersten Versuch gewagt. Das Versicherungsangebot wurde dann aber mangels Nachfrage wieder eingestellt. Aber inzwischen tut sich etwas in der Branche. Etherisc zum Beispiel entwickelt diverse Protokolle für dezentralisierte Versicherungsaufwendungen. Diese sind mit einer Ernte- und einer Flugverspätungsversicherung bereits am Markt. 

Man hört immer wieder vom Orakel als Verbindung zwischen Blockchain und Aussenwelt. Was hat es damit auf sich?

Smart Contracts können durch Off-Chain- und On-Chain-Daten sicher miteinander verbunden werden. Dadurch kann die Lücke zwischen Blockchain und Eintritt des Versicherungsfalls in der Aussenwelt geschlossen werden. Das wird gemeinhin als Orakel von Smart Contracts bezeichnet. Diese Verknüpfung ermöglicht die automatische Auslösung des digitalen Vertrags durch die Daten des Versicherungsfalls in Echtzeit. 

Es gibt offenbar auch Versicherungen für die Kryptobranche.

In der Kryptobranche gelangt eine dezentrale Versicherung über Smart Contract Cover etwa bei Hackerangriffen oder Finanzierungsproblemen von Kryptodarlehen zur Anwendung. Ein Versicherungsfall wäre hier also eine unbeabsichtigte Code-Nutzung, die zu einem finanziellen Verlust führt. Durch Smart Contract Cover könnte das Vertrauen bei Kryptoinvestments durch diese gegenseitige Risikoteilung gestärkt werden. 

Können Sie ein Beispiel aus der Praxis nennen?

Das Startup Etherisc entwickelt eine Krypto-Wallet-Versicherung für Hackerangriffe und eine Kryptodarlehensversicherung für einen Wertverlust von mindestens 90 Prozent der Kryptowährung als Kreditsicherheit. Die Risikoteilung der Smart Contract Cover mit der betroffenen Kryptogemeinschaft führt zurück zum Ursprungsgedanken der Versicherung als kollektiver Risikoübernahme. 

Und die Prämie wird ebenfalls in Kryptowährung bezahlt?

Korrekt. Bei einem Smart Insurance Contract wird die Versicherungsprämie in virtueller Währung gezahlt. Diese bleibt während der Vertragsdauer technisch gebunden. Sie kann also nicht reinvestiert werden. 

Das widerspricht etwas dem Geschäftsmodell von Versicherern.

Allenfalls. Doch bei diesen parametrischen Versicherungen mit kurzer Laufzeit und einer relativ niedrigen Versicherungssumme erscheint dies nicht als Ausschlusskriterium. Daneben kommt der Einsatz einer sogenannten DAO, also einer dezentralisierten autonomen Organisation, in Betracht. Dadurch könnten die Prämien mittels Entscheidungen aller Investoren als Mitglieder der Organisation reinvestiert werden. Fest steht, dass die Blockchain in der Versicherungsbranche ein riesiges Potenzial hat. Die Möglichkeiten der Smart Insurance Contracts bedürfen jedoch noch einiger Entwicklungen, sei es hinsichtlich der rechtlichen Einordnung oder der technischen Umsetzung abseits von parametrischen Versicherungen.