Darum geht's
  • Die BVG-Reform sollte Frauen in der Altersvorsorge besserstellen, indem sie den Mindestlohn senkt und den Koordinationsabzug anpasst, doch diese Massnahmen wurden nicht gesetzlich umgesetzt.
  • Der Gender Pension Gap von 32,8 Prozent resultiert hauptsächlich aus Erwerbsunterbrüchen und Teilzeitarbeit, die oft durch fehlende bezahlbare Kinderbetreuung bedingt sind.
  • Unternehmen könnten dies als Chance nutzen, indem sie Betreuungsangebote schaffen und so die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern, was langfristig auch dem Arbeitsmarkt zugutekäme.
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Die BVG-Reform wollte der Benachteiligung von Frauen in der beruflichen Vorsorge auf zwei Wegen entgegenwirken: durch die Senkung des jährlichen Mindestlohns von 22’050 auf 19’845 Franken und durch die Senkung des Koordinationsabzugs auf 20 Prozent des AHV-pflichtigen Lohnes, wovon Teilzeitbeschäftigte und Empfänger geringer Einkommen profitiert hätten. Beides wird nun nicht eintreten, zumindest nicht gesetzlich verpflichtend.

Die Ablehnung der Reform sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Massnahmen am Ende kaum dazu beigetragen hätten, den «Gender Pension Gap» zu verkleinern. Diese «geschlechtsspezifische Rentenlücke» beträgt in der Schweiz 32,8 Prozent – soll heissen: Frauen erhalten hierzulande im Schnitt eine um einen Drittel tiefere Rente als Männer. «Im Verlauf der letzten Jahre hat sich dieser Wert kaum verändert», schreibt das Bundesamt für Statistik (BFS) zu den von ihm ermittelten Zahlen. Die Ursache für den Gap liegt vor allem in der zweiten Säule, wo Frauen aufgrund von Erwerbsunterbrüchen und Teilzeitbeschäftigung weniger in die Pensionskasse einzahlen und folglich eine tiefere Rente beziehen.

Kinderbetreuung erfolgt unentgeltlich

Das ist keine strukturelle Ungerechtigkeit, sondern entspricht der Funktionsweise eines kapitalgedeckten Systems. Um den Gender Pension Gap zu schliessen, müssten Frauen davor bewahrt werden, in die Teilzeitfalle zu laufen. Zum Beispiel, indem ein besseres System zur Kinderbetreuung aufgebaut wird, wie es in anderen Ländern Europas gang und gäbe ist. In der Schweiz aber gibt es nach wie vor zu wenig zahlbare Kinderbetreuungsmöglichkeiten, was dazu führt, dass viele Frauen für ihre Kinder zu Hause bleiben und ihr Arbeitspensum reduzieren: Gemäss den Umfrageergebnissen der Swiss-Life-Studie «Verliebt, verlobt, versorgt?» sind fehlende, ungeeignete oder zu teure ausserfamiliäre Betreuungsmöglichkeiten ein häufig genannter Grund, weshalb junge Mütter nicht in Vollzeit erwerbstätig sind. Auch die Zahlen des BFS sprechen hier eine eindeutige Sprache: Von den alleinstehenden Frauen ohne Kinder arbeiten lediglich 30 Prozent in Teilzeit, hingegen steigt dieser Anteil auf 80 Prozent bei Frauen, die Kinder haben. Sie gehen durchschnittlich nur noch mit einem Pensum von 60 Prozent einer bezahlten Erwerbstätigkeit nach – den Rest der Zeit verbringen sie häufig mit unbezahlter Erziehungs- und Pflegearbeit.

Der geringere Teilzeitverdienst hinterlässt seine Spuren in der Vorsorge, wo dann eine Lücke klafft. Gemäss der UBS-Studie «Teilzeit: Auswirkungen auf die Altersvorsorge» weist eine alleinstehende Person, die nur sechs Jahre lang in einem Pensum von 80 Prozent gearbeitet hat, gegenüber einem Vollzeitäquivalent bereits eine Vorsorgelücke von rund 2 bis 6 Prozent auf.

Karriere machen die anderen

Erschwerend kommt hinzu, dass diese Phase der Kindererziehung sehr häufig in die Zeit zwischen dem dreissigsten und vierzigsten Lebensjahr fällt – genau dann, wenn Arbeitnehmende üblicherweise die grössten Karrieresprünge machen und deutliche Gehaltserhöhungen einstreichen können – zumindest Vollzeitarbeitnehmende. Denn Teilzeitkräfte bleiben hier aussen vor – sowohl bezüglich Karriere als auch hinsichtlich Einkommen. Gemäss dem White Paper «Die 1 Mio. Franken Lücke» von KPMG und Advance verdienen Frauen im Alter zwischen 35 und 44 Jahren durchschnittlich 48 Prozent weniger als gleichaltrige Männer, weil sie Beförderungen und Gehaltserhöhungen verpasst haben, die später kaum mehr aufzuholen sind.

Für Arbeitgebende kann die strukturelle Unterversorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen hingegen auch eine Chance sein. Die Unternehmen könnten sich diesen Mangel zunutze machen und sich langfristig einen Wettbewerbsvorteil im demografisch bedingten Fachkräftemangel und im dadurch härter werdenden Kampf um qualifizierte Arbeitnehmende sichern. Sofern sie es schaffen, unter dem Stichwort «Vereinbarkeit von Beruf und Familie» mehr zu verstehen als flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice und stattdessen (oder im Idealfall zusätzlich) beispielsweise bezahlbare Kindertagesstätten für die eigenen Mitarbeitenden zu betreiben und sich insgesamt – nicht nur bei Frauen, sondern bei beiden Geschlechtern – für eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Familie einzusetzen. Denn die nachfolgenden Generationen haben ein anderes Werteverständnis, bei dem soziale Aspekte einen höheren Stellenwert einnehmen als materielle, wie unter anderem eine Studie der Unternehmensberatung Deloitte über die Prioritäten der Generation Z und der Millennials belegt.

Dieser Beitrag ist Teil des am 24. Oktober 2024 erschienenen HZ-Insurance-Print-Specials «Finanzplanung/Vorsorge».

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