Covid mag viele schlechte Seiten haben, doch es gibt auch zahlreiche positive Trends, die sich nach gut zwei Pandemie-Jahren abzeichnen. Zu diesen zählt auch die Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen mit entsprechenden Dienstleistungen und Produkten wie zum Beispiel Gesundheitsplattformen.

Gemäss einer Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger dürfte sich die Einführung digitaler Healthcare-Dienstleistungen aufgrund der Corona-Pandemie um mindestens zwei Jahre beschleunigen, da sich die Bevölkerung an kontaktlose Angebote in der Gesundheitsfürsorge gewöhnt. 

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Offene Lösung für alle

In der Schweiz hat sich in Sachen Gesundheitsplattformen schon vor Corona einiges getan. Verschiedene Akteure im Gesundheitswesen haben sich untereinander vernetzt, doch bis zum vergangenen Sommer fehlte eine offene, umfassende und unabhängige Lösung. Mit Well, einem Joint Venture der beiden Krankenversicherer CSS und Visana, dem Telemedizin-Anbieter Medi24 und der Online-Apotheke Zur Rose, ist nun eine solche am Start. Seit der Lancierung der ersten Version im August testet bereits eine vierstellige Zahl an Usern die laufend neu dazukommenden Features und für nächstes Frühjahr ist die breite Vermarktung der Vollversion geplant.

Vernetzung aller Akteure im Gesundheitswesen 

«Ziel unserer Plattform ist es einerseits, alle wichtigen Akteure im Gesundheitssystem zu vernetzen und dieses nachhaltig zu verändern», erklärt Well-CEO Alexander Bojer. Anderseits wolle die Plattform für die Kundinnen und Kunden zu einem One-Stop-Shop in Sachen Gesundheit werden. 

Aktuell bietet die App Antworten auf allgemeine Gesundheitsfragen und einen digitalen Symptomchecker. Daneben besteht die Möglichkeit, einen Termin für eine Telekonsultation zu vereinbaren, einen für eine Grippeimpfung in der Apotheke und via einen Telemediziner ein elektronisches Rezept zu erhalten und Medikamente zu bestellen. Ab Januar steht zudem ein Doktor Chat zur Verfügung, um erste Antworten zu Gesundheitsfragen durch eine Fachperson zu erhalten. Gemäss CEO Alexander Bojer soll Well der ganzen Schweizer Bevölkerung Zugang zu hochqualitativer Medizin bieten, und dies kostenlos für die Nutzer. 

Integrierte Versorgung fördern

Einer der grossen Vorteile der App sei deren Offenheit, betonen die beiden Gründungspartner CSS und Visana. «Wir sind überzeugt, dass eine offene Plattform, auf der sich Nutzer und Anbieter verbinden, im schweizerischen Gesundheitswesen im Sinne aller Beteiligten ist», betont CSS-CEO Philomena Colatrella. «Im heterogenen Gesundheitsmarkt Schweiz existieren Plattformmodelle für eine digital unterstützte integrierte Versorgung erst ansatzweise. Dieses Vorhaben lässt sich nur gemeinsam mit anderen starken Akteuren realisieren und wir hoffen, dass sich weitere Versicherer und Leistungserbringer Well anschliessen.»

Eine Konkurrenz für die eigenen Kundenportale stelle Well nicht dar. «Im Gegenteil, es wertet unsere bestehenden digitalen Angebote sogar auf», betont Visana-CEO Angelo Eggli. «Well vereinfacht den digitalen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und passt damit perfekt in unsere Strategie. In dieser fokussieren wir auf möglichst hohe Qualität bei grösstmöglicher Verfügbarkeit, um unseren Kunden einen noch besseren Service zu bieten und effizienter zu werden.» Aus diesem Grund wird der Zugang zu Well auch schon bald in die Visana-App integriert werden.

Einfache Prozesse und nahtlose Kommunikation 

Dass sich der Plattform weitere Versicherer anschliessen, ist ein erklärtes Ziel von Well. «Der Schweizer Gesundheitsmarkt ist extrem fragmentiert und im Sinne eines kundenorientierten Denkens wäre es sinnvoll, wenn alle Versicherer dabei wären. Sie könnten neue Angebote schnell und günstig bekannt machen und dadurch neue Kunden gewinnen. Allerdings kann die Well-App auch unabhängig vom Versicherer genutzt werden», konstatiert Mario Bernasconi, Leiter Business Development & Partnerships bei Well. 

Vonseiten der Leistungserbringer werden ab 2022 weitere Hausärzte-Netzwerke und Apotheken dabei sein. Und zwar mit einer Online-Terminvereinbarungsfunktion sowie der Möglichkeit, die Dokumente digital zwischen Arzt und Nutzer auszutauschen. In einem nächsten Schritt sollen ab 2023 Spitäler und Therapeuten folgen. Die Vorteile für die Leistungserbringer umreisst Bernasconi wie folgt: «Wir digitalisieren die Behandlungspfade, vereinfachen Prozesse und ermöglichen einen nahtlosen Informationsaustausch mit Patienten und anderen Leistungserbringern.»

Hohe Sicherheit in Sachen Daten

Während der digitale Austausch von Gesundheitsdaten in Dänemark, Israel und den USA völlig normal ist, ist dieser hierzulande ein heisses Eisen. «Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, daher steht die Sicherheit der Daten an erster Stelle», sagt Alexander Bojer. Es sind umfangreiche Sicherheitsmechanismen um komplexe Verschlüsselungen im Einsatz, die Kunden haben die Datenhoheit, über die Well-App laufen keine Leistungsdaten und es werden keine Daten mit den Versicherungen geteilt. Trotz der Skepsis gegenüber digitalen Prozessen wird auch das Schweizer Gesundheitswesen nicht um eine Automatisierung mittels digitaler Datenflüsse herumkommen. Zu gross ist der Kostendruck und zu wichtig ist die Integration von Online- und Offline-Dienstleistungen als Mehrwert für die Kundinnen und Kunden. 

Und dann lockt noch etwas anderes: Mehr als vier Fünftel der für die eingangs genannte Studie Befragten rechnen mit einem starken Wachstum von Plattformen, die reale und virtuelle Dienstleistungen kombinieren. Dementsprechend gigantisch ist auch das finanzielle Potenzial. Bereits 2025 könnten die Ausgaben für digitale Gesundheit in Europa 232 Milliarden Euro umfassen und weltweit gar 979 Milliarden. Solche Zahlen wecken bekanntlich auch in der Schweiz gewisse Begehrlichkeiten.