In rund vier Wochen wird Alain Berset als Vorsteher des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zum letzten Mal die neuen Krankenkassenprämien verkünden. Klar ist schon heute: Die Botschaft wird alles andere als froh sein. Der Prämienanstieg dürfte mit grosser Wahrscheinlichkeit noch höher sein als im vergangenen Jahr, denn die Kosten im Gesundheitswesen sind gemäss dem Krankenkassenverband Santésuisse bereits im ersten Halbjahr 2023 um 7,85 Prozent gestiegen.

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Regulierung behindert Datennutzung

Angesichts der Tatsache, dass die Gesundheitskosten das Portemonnaie von Herrn und Frau Schweizer massiv belasten, ist nicht nur die Politik gefordert, Sparmassnahmen umzusetzen, sondern auch alle anderen Akteure im Gesundheitswesen müssen mitziehen. Jeder Rappen zählt, denn auch kleine Sparmassnahmen haben in der Summe eine grosse Wirkung. 

Doch das Gesundheitswesen wird nicht nur immer teurer, sondern auch immer regulierter. Das gilt insbesondere für den Bereich der Daten und deren Nutzung. Natürlich ist es richtig und wichtig, dass sensible Gesundheitsdaten vom Gesetz angemessen geschützt werden und der Umgang mit ihnen reguliert ist. Allerdings, so die Meinung verschiedener Akteure im Gesundheitswesen, geht der Schutz zu weit. 

Das Krankenversicherungsgesetz und das Datenschutzgesetz setzen den Krankenversicherern hohe Hürden.

Christian Schmid, Gesundheitsökonom und Leiter des CSS Instituts

Gerade im Bereich der Prävention könnte es nicht nur hilfreich sein, wenn beispielsweise Krankenversicherer die Daten ihrer Versicherten nutzen dürften, sondern es liessen sich dadurch auch massiv Kosten sparen. «Das Krankenversicherungsgesetz und das Datenschutzgesetz setzen den Krankenversicherern hohe Hürden», konstatiert Gesundheitsökonom Christian Schmid, Leiter des CSS Instituts.

Kosten in Millionenhöhe sparen dank einem Brief

Für Nationalrat Andri Silberschmidt ist das stossend. «Versicherer werden heute nur als Payer gesehen und nicht als Player. Sie besitzen enorm viele Daten – teilweise wissen sie mehr über die Kundinnen und Kunden als der Hausarzt …», erklärte er vergangene Woche in einem Interview mit HZ Insurance. Doch in Sachen Datennutzung seien ihnen die Hände gebunden. So dürften sie die Patientinnen und  Patienten nicht einmal darüber informieren, dass sie statt des Originalpräparates auch ein Generikum nehmen könnten.

Dass mit solch vermeintlich banalen Informationen Kosten gespart werden können, zeigen Zahlen der CSS. Zwischen 2012 und 2019 informierte der Luzerner Versicherer Kundinnen und Kunden, die die Rechnung für ein Originalpräparat eingereicht hatten, für welches ein Generikum verfügbar war, via automatisierten Brief darüber. «Dadurch konnten wir die Generikaquote von 12 auf rund 42 Prozent steigern und Kosten in Millionenhöhe sparen», erklärt Gesundheitsökonom Christian Schmid. 2019 wurden solche Mailings vom BAG in einem Kreisschreiben verboten. 

Die individuelle Information der Patientinnen und Patienten im Bereich der Leistungserbringung obliegt den Leistungserbringern.

Pascal Perren, Leiter der Sektion Governance Aufsicht, BAG

Akteure nicht gegeneinander ausspielen

Das BAG verweist auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, wonach Krankenversicherern das Bearbeiten von Personendaten gesetzlich lediglich erlaubt ist, wenn sie sie zur Erfüllung einer durch das Gesetz übertragenen Aufgabe benötigen. «Informationen an selektionierte Versicherte weiterzugeben, gehört nicht zu den gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben der Krankenversicherer, denn in der sozialen Krankenversicherung gilt das Kostenerstattungsprinzip», begründet Pascal Perren, Leiter der Sektion Governance Aufsicht beim BAG. Den Krankenversicherern werde durch den Gesetzgeber grundsätzlich keine Aufgabe im Bereich der Behandlungssteuerung der Versicherten übertragen. «Die individuelle Information der Patientinnen und Patienten im Bereich der Leistungserbringung obliegt den Leistungserbringern.»

Für Andri Silberschmidt ist es falsch, die Akteure gegeneinander auszuspielen. «Die Versicherer haben Big Data, und die Leistungserbringer haben die qualitative Untersuchung. Im Sinne einer integrierten Versorgung müsste man das viel mehr zusammenbringen.» Deshalb hat er den Vorstoss zur Lancierung eines digitalen Patientenidentifikators, der von allen Partnern im Gesundheitswesen in der Kommunikation eingesetzt werden kann, eingereicht. Dieser wurde vom National- und Ständerat gutgeheissen und liegt nun beim BAG zur Umsetzung.

Deutschland hat das Gesetz bereits angepasst

Das BAG begrüsst, dass die Rolle der Krankenversicherer im Parlament diskutiert wird. «Es ist Sache des Gesetzgebers, den Krankenversicherern in diesen Bereichen künftig neue Aufgaben zuzuteilen», sagt Pascal Perren. «Auf jeden Fall wäre das mit einem Paradigmenwechsel verbunden; das dafür notwendige Profiling hat der Gesetzgeber im Bereich des KVG bisher abgelehnt, und entsprechende Motionen wurden zurückgezogen.»

Ein Blick nach Deutschland könnte beim einen oder anderen Politiker ein Umdenken bewirken. Der grosse Kanton hat das Sozialversicherungsgesetz vor wenigen Jahren modernisiert und erlaubt auch Krankenversicherern die Sekundärnutzung von Daten. Dies notabene, obwohl das deutsche beziehungsweise das europäische Datenschutzgesetz um einiges restriktiver ist als das schweizerische.