Die auf der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos WEF vorgestellte Version 1.0 des NZIA-Zielsetzungsprotokolls soll es den NZIA-Mitgliedern ermöglichen, unabhängig voneinander wissenschaftlich fundierte Zwischenziele für ihre Versicherungs- und Rückversicherungsportfolios festzulegen, die sich an einem Netto-Null-Übergangspfad orientieren, der mit einem maximalen Temperaturanstieg von 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau bis 2100 vereinbar ist. Die Mitglieder sind verpflichtet, ihre ersten Ziele bis zum 31. Juli 2023 festzulegen und offenzulegen.

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Dekarbonisierung: Umsetzung tut Not

Für Renaud Guidée, NZIA-Vorsitzender und Group Chief Risk Officer (CRO) bei Axa, signalisiert der Start des NZIA-Zielsetzungsprotokolls den Übergang von der Verpflichtung zur Umsetzung. «Jetzt ist es an der Zeit, dass sich die Versicherer ehrgeizige und glaubwürdige wissenschaftlich fundierte Dekarbonisierungsziele für ihre jeweiligen Versicherungsportfolios setzen und einen gerechten Übergang zu einer Wirtschaft mit Netto-Null-Emissionen unterstützen, um eine Klimakatastrophe abzuwenden und eine nachhaltige Zukunft zu sichern,» so seine Worte.

NZIA – Zuammenschluss führender Versicherer

Die von der Principles for Sustainable Insurance Initiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen ins Leben gerufene NZIA, ist eine Gruppe führender Versicherer, die weltweit mehr als 15 Prozent des weltweiten Prämienvolumens repräsentieren. Die Mitglieder haben sich verpflichtet, ihr Versicherungs- und Rückversicherungsportfolio bis 2050 auf eine Netto-Null-Emission von Treibhausgasen umzustellen.

NZIA-Protokoll: Ein zahnloser Papiertiger

Für Peter Bosshard, globaler Koordinator der weltweiten Kampagne von Nichtregierungsorganisationen und sozialen Bewegungen Insure Our Future, die Versicherer für ihre Rolle in der Klimakrise zur Verantwortung ziehen, ist das Protokoll dagegen ohne jeglichen Ehrgeiz. «Es wird das Versicherungsgeschäft nicht auf einen 1,5°C-Pfad ausrichten, denn es bietet lediglich ein Feigenblatt für das Business as usual und öffnet die Tür für das Greenwashing der Unternehmen.» 

Laut Insure Our Future weist Version 1.0 des NZIA-Zielsetzungsprotokolls folgende Lücken und Schlupflöcher auf:

  • Es konstatiert, dass die Versicherer Ziele zur Reduzierung der Scope-3-Emissionen ihrer Kunden festlegen sollten, schreibt ihnen aber nicht vor, dies zu tun – selbst wenn die Emissionen erheblich sind und Daten zur Verfügung stehen. So können die Versicherer nur die betrieblichen Emissionen der Kohle-, Öl- und Gasunternehmen, die sie versichern, offenlegen, aber die viel grösseren Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, die ihre Deckung ermöglicht, ignorieren.
  • Einige Versicherer haben ihre neuen Protokolle als Alternative zu den Ausschlussrichtlinien für fossile Brennstoffe angeboten, für die sich die NRO einsetzen. Ihr Protokoll deckt jedoch nicht die Geschäftsbereiche ab, die normalerweise für die Versicherung neuer Kraftwerke verwendet werden (Bau und Errichtung von Kraftwerken auf Risiko), so dass die Versicherer behaupten können, sie befänden sich auf einem Netto-Null-Pfad, während sie weiterhin die Expansion von Projekten mit fossilen Brennstoffen versichern.
  • Das Zielsetzungsprotokoll bietet verschiedene Arten von Zielen, die Versicherer festlegen können – von Emissionsreduktionszielen über Ziele für die Versicherung sauberer Energielösungen bis hin zu Zielen für das Engagement von Unternehmen. Für jeden in den Geltungsbereich fallenden Geschäftsbereich können die Versicherer individuell entscheiden, ob sie Emissionsreduktions- oder andere Ziele anwenden wollen, und sie können mit der Festlegung des ersten Emissionsreduktionsziels bis Ende 2024 warten.
    Im Rahmen ihrer Emissionsreduktionsziele können die Versicherer bis 2030 bescheidene Reduktionen von 34 Prozent anstreben – weit unter den Reduktionszielen des 1,5°C-Berichts des IPCC von 43 Prozent und den von der Race to Zero-Kampagne geforderten Reduktionszielen von 50 Prozent.
  • Die Versicherer haben den Einbezug von Unternehmen, die fossile Brennstoffe herstellen, in einen Netto-Null-Dialog als weitere Alternative zur Ausschlusspolitik angeboten. Ein solches Engagement hat sich bei der Beendigung der Ausweitung der Kohle-, Öl- und Gasförderung als notorisch unwirksam erwiesen, hiess es. Nach dem neuen Protokoll müssen die Versicherer den Erfolg ihres Engagements jedoch nicht an positiven Ergebnissen messen. Stattdessen können sie einfach die Bemühungen des Rückversicherers anerkennen (die zu einem bestimmten Ergebnis führen können oder auch nicht).