Spätestens mit der Umbenennung von Facebook in Meta durch CEO Mark Zuckerberg im Oktober 2021 ist das Metaverse zum universellen Allzweckbegriff geworden: Firmen unterschiedlichster Richtung müssen seither in irgendeiner Form eine Meinung dazu haben oder es zumindest in einer Langfrist-Strategie erwähnen. Sichtbar ist diese Entwicklung an der Verbreitung des Stichworts an den Analysten-Konferenzgesprächen. Laut den Analysten von Bernstein, einem Broker, hat sich die Anzahl der Nennungen des Stichworts zwischen Sommer 2021 und Januar 2022 verzehnfacht. Neben den Meldungen in Medien führen die Zukunftsperspektiven zu einem Boom des Begriffs. Langfristig veranschlagen die Analysten von Morgan Stanley das Marktpotenzial auf Billionen-Summen. Zurückhaltender ist man bei Jefferies – bis im Metaverse richtig Geld verdient werde, würde es noch zehn Jahre gehen.
Konkurrenz mit E-Gaming
Die Situation erinnert etwas an das Internet in den Jahren 1997 bis 1999: Der Begriff wurde zum wichtigen Schlagwort, aber bis die Geschäftsmodelle so richtig reif wurden, dauerte es noch Jahre. Die heutigen Tech-Titanen wurden grösstenteils erst nach dem Jahr 2000 gegründet und sie erlebten ihre entscheidenden Wachstumsphasen ausnahmslos erst nach 2010, als das Internet mobil und global wurde.
Dennoch – allgemein traut man dem Metaverse viel zu. Facebook/Meta gilt hier als einer der Treiber, weil man auch über eine mit einer Akquisition aufgebauten Hardware-Sparte für Virtual-Reality-Headsets verfügt. Die Avatare anderer Menschen virtuell zu treffen, gilt indes nur als eine enge Anwendung des Metaverse. Die Computerspielindustrie ist teilweise weiter und bekannte Spiele haben eigene Universen geschaffen, die optisch und kommerziell einiges von den langfristigen Perspektiven bereits heute umgesetzt haben. Dazu gehören virtuelle Interaktionen mit anderen Menschen, kauf- und handelbare Objekte sowie virtuelle Events wie Live-Konzerte und Modeschauen.
Neben dieser Unterhaltungs- und Gaming-Variante entstehen Erweiterungen der Formen, wie Menschen heute zusammenarbeiten. Microsoft sowie weitere Hersteller von Software für virtuelle Konferenzen sehen ihre installierte Basis und die bisherigen Produkte als Ausgangsbasis für den Sprung in das kommerzielle Metaverse an. Weltweit verstreute Teams sollen sich zukünftig noch enger und besser über das Metaverse zusammenfinden und gemeinsam an den Lösungen für die kommenden Jahrzehnte arbeiten. Aus dieser Richtung kommen auch immer wieder die Argumente, dass und wie die Umwelt entlastet wird, wenn Menschen weniger physisch reisen und mehr virtuell interagieren. Erste konkrete Anwendungen gibt es bereits: Techniker müssen für spezielle Wartungs- und Reparaturarbeiten an Grossanlagen nicht mehr um die halbe Welt fliegen, um Ersatzteile einzubauen – das funktioniert auch über virtuelle Realitäts-Ausrüstung, die heute kommerziell verfügbar ist. Und auch in der Medizin gibt es erste ähnliche Modelle für virtuell gehandhabte Operationen. Israel beispielsweise hat der Ukraine unter anderem Hilfsmaterial für die medizinische Versorgung angeboten – inklusive eines mobilen Operationssaals der nächsten Generation, in dem einfache Eingriffe über Distanz möglich sind. Den Verletzten des Krieges kann so geholfen werden, ohne dass das medizinische Personal gefährdet wird.
Versicherungen gegen virtuelle Verluste
Erste grosse Finanzdienstleister wie HSBC und JP Morgan unternehmen Schritte in Richtung Metaverse. Ihre virtuellen Schalter geben indes erst rudimentär einen Einblick in die Zukunft – es erinnert arg zu vieles an «Second Life», ein einfaches Metaverse-Vorläuferuniversum. Konkreter ist man bereits bei der US-Versicherung IMA Financial Group geworden – diese verkauft Versicherungspolicen für Non-Fungible Token (NFT), die Blockchain-basierten Vertragselemente, mit denen im Metaverse Besitzansprüche beispielsweise für virtuelle Immobiliengeschäfte gehandhabt werden. Hierbei handelt es sich um eine Art Diebstahls- und Hacker-Versicherung.
Auch die schweizerischen Versicherungen schauen sich das Thema Metaverse an. «Aktuell ist nichts geplant, wir beobachten die Entwicklungen rund ums Metaverse aber aufmerksam», heisst es beispielsweise von der Mobiliar. «Das Thema ist relativ neu und wir wollen nun besser verstehen, wo wir in dem Bereich Opportunitäten für die Baloise sehen. Deshalb sind wir aktuell daran, Ideen zu sammeln und zu testen. Konkrete Pläne gibt es allerdings noch nicht», sagt eine Baloise-Sprecherin.
Etwas weiter ist man bei der Helvetia-Tochter Smile. Der Online-Versicherer macht laut eigenen Angaben erste Versuche, das Metaverse als zusätzlichen Touchpoint für die Kundeninteraktion zu nutzen. «In einem ersten Schritt wurde die virtuelle Kundenberatung getestet», sagt Helvetia-Sprecher Jonas Grossniklaus. «Ziel ist, bereit zu sein, sobald das Metaverse bei den Kunden auf eine breite Akzeptanz stösst.»