Oberster Wahlkampfhit der Session ist die Motion zum Lohndeckel für leitende Organe im Bereich der Grundversicherung. Der Ständerat hat darüber zu entscheiden, ob der Bundesrat die Kompetenz erhält, die Löhne zu plafonieren. Der Bundesrat selbst lehnt das ab. Nun sind die Krankenversicherer in der Tat ausführende Organe des Bundes. Lohndeckelungen beim Bund und bei bundesnahen Unternehmen hat das Parlament vor Kurzem abgelehnt. Wieso also jetzt diese Ausnahme für Krankenversicherer? Genau, wir sind im Wahlkampf, ein bisschen Kassen-Bashing schadet da nie.

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Gastkommentator: Wolfram Strüwe, Leiter Gesundheitspolitik Helsana

So richtig Wahlkampf sind die beiden Volksinitiativen «Kostenbremse» und «Prämien-Entlastung». Die Kostenbremse will keiner, denn die Bindung der Kostentwicklung an die Entwicklung der durchschnittlichen Löhne hat nichts mit Kostenbremse, gar Kostendämpfung zu tun, sondern ist in Tat und Wahrheit der Einstieg in eine gesundheitsgefährdende Versorgung. Um das Thema bis zum Wahltag weiter beackern zu können, wurde ein indirekter Gegenvorschlag erarbeitet. Beschlossen ist bereits, dass eine neue Kommission dem Bundesrat bei der Festlegung von Kostenzielen berät. Wenn man bedenkt, dass die Krankenversicherer jedes Jahr eh die Kosten schätzen müssen, um die Prämien berechnen zu können, und wenn man weiss, mit wieviel Unsicherheit das behaftet ist, dann wird einem der Mehrwert dieser neuen Kommission nicht ersichtlich. Das Ganze erinnert dann eher an ein «Wenn Du nicht mehr weiterweisst, gründe einen Arbeitskreis!» als an kluge Politik. Zu befürchten ist daher, dass nun zusätzlich Massnahmen beschlossen werden, die mehr der Bürokratisierung denn der Kostendämpfung dienen.

Bei der Prämien-Entlastungs-Initiative geht es allein um die Finanzierung des Kostenkuchens, nicht um seine Grösse. Auch hier liegt ein Gegenvorschlag auf dem Tisch. Die Kantone sollen stärker in die Finanzierung der Grundversicherung eingebunden werden, in dem sie mehr steuerfinanzierte Prämienverbilligung einschiessen sollen. Die pochen aber auf ihrer sozialpolitischen Autonomie. Sagt der Ständerat abermals nein, ist der Vorschlag vom Tisch und die Volksinitiative kommt allein vors Volk. Sagt er ja, geht es um den Frankenbetrag. Dann finden wir uns im klassischen «Battleground» von Bund und Kantonen wieder, der da lautet: Wer zahlt wieviel?

Die Reserven der Krankenversicherer sind vor Wahlen immer wieder ein beliebtes Thema. Zwei Standesinitiativen wollen einen übermässigen Reserveaufbau begrenzen, in dem eine Obergrenze und automatische Rückerstattungen an die Versicherten eingeführt werden. Standesinitiativen haben es bekanntlich schwer in Bundesbern. Der Ständerat hat sie bereits abgelehnt, aber auch im Nationalrat wird es eng. Das Bundesamt für Gesundheit hat vergangene Woche mitgeteilt, die Reserven der Branche seien in den letzten drei Jahren um satte 30% von 12 Mrd. auf 8,5 Mrd. Franken abgeschmolzen und resümiert: «Das ist nicht beunruhigend, aber das Polster ist weg.» Da bleibt nur die Feststellung: Gut, dass es keine Obergrenzen für Reserven gibt.

Nichts mit Wahlkampf, dafür aber mit unnötiger Regulierung, hat ein Vorstoss zu tun, der mit den Problemen beim Systemwechsel vom Delegations- zum Anordnungsmodell bei psychotherapeutischen Leistungen zu tun hat. Bekanntlich finanzieren einige Krankenversicherer die Leistungen jener Therapeutinnen und Therapeuten nicht, die sich in Weiterbildung befinden. Es wird eine Verordnungsänderung gefordert, die dies ermöglicht. Wie der Bundesrat zu Recht festhält, war das in der Vergangenheit in anderen Bereichen nie ein Problem und wurde auch nicht in Frage gestellt. Die konkrete Umsetzung sei Sache der Tarifpartner. Recht hat der Bundesrat; machen und nicht auf die Politik warten.

Nichts mit Wahlkampf, aber dafür umso mehr mit guter Versorgung, hat die Frage zu tun, ob der Systemwechsel zu Versorgungsengpässen geführt hat. Dies lässt sich anhand von ersten Helsana-Zahlen verneinen. Ein weiterer Effekt war die Verschiebung aus der Zusatz- in die Grundversicherung. Im Jahr 2022 bezogen in der Grundversicherung im zweiten Halbjahr 17% mehr Personen psychotherapeutische Leistungen als im ersten Halbjahr.

Helsana äussert sich in ihrer Publikation Standpunkt zu aktuellen Fragen der Gesundheitspolitik. Das gesundheitspolitische Magazin erscheint viermal jährlich.