Seit 1. Januar erfolgt die Rechnungslegung der grösseren gelisteten Versicherer in der Schweiz nach den Spielregeln von IFRS 17. Gleich zu Beginn müssen die Finanzchefs wichtige Entscheidungen treffen – und ab 2024 sauber darüber berichten.
Die neue Rechnungslegung IFRS beschäftigt die Versicherungen in der Schweiz. Auch wenn die Aufgabe die gleiche ist – die Reaktionszeiten sind es nicht.
Swiss Life hat angekündigt, am 1. März erste Details zu veröffentlichen. Bei Zurich wird ab dem ersten Quartal des laufenden Jahres neu gemäss IFRS 17 berichtet werden, wie eine Sprecherin versichert. Diese Zahlen stehen am 17. Mai zur Veröffentlichung an.
Bereits mit der Veröffentlichung des Jahresergebnisses am 9. Februar hatte Zurich nachvollziehbar im sogenannten Consolidated Financial Statement erklärt, welche Effekte
die Umstellung haben werden und wie man die Bilanz des vergangenen Jahres aufgrund der Übergangseffekte lesen muss. Auch die wichtigen Kommentare zur Wirkung auf das
Eigenkapital finden sich hier.
Erste grosse europäische Versicherungen hatten bereits Ende 2022 damit begonnen, ihre Zahlenwerte ohne und mit IFRS-Rechnungslegungs-Spielregeln zu veröffentlichen. Munich
Re beispielsweise hatte das Mitte Dezember erledigt. Bei anderen Versicherungen lässt man sich mehr Zeit. «Konkrete Zahlen werden spätestens mit Publikation des Halbjahresabschlusses 2023 offengelegt», heisst es von der Baloise.
Bei Helvetia hatten sich bereits vor zwei Jahren unter Analysten erste Zweifel geregt, ob und wie die Führungsetage die komplexe, anspruchsvolle Umstellung bewältigen wird. Immerhin – es gab im Februar im Rahmen einer Präsentation vor Analysten konkrete Hinweise: Die Umstellung erfordert auch die Anpassungen der bis 2025 angestrebten Ziele. Hinzu kommen wichtige Kennwerte wie die Margen im Neugeschäft und die Eigenkapitalrendite.
«Die Umstellung auf IFRS 17/9 ist sehr komplex und wir stellen mit einer temporären Fristverlängerung gegenüber der bisherigen Abschlusspublikation – wie andere Schweizer
Peers auch – die Qualität der Abschlussinformationen im Rahmen der Transition sicher», erklärt ein Helvetia-Sprecher auf Anfrage. «Wir haben bereits darüber informiert, welche
Finanzziele von der Umstellung betroffen sind und rekalibriert werden. Die genauen Zielwerte publizieren wir mit dem Halbjahresabschluss 2023 am 27. September 2023.»
Helvetia wird laut eigenen Angaben im frühen Sommer weitere Informationen zu den Halbjahres- und Jahresabschlüssen 2022 unter IFRS 17/9 veröffentlichen. (hzi/mn)
IFRS 17 dreht sich im Kern darum, wie die Kosten und Erträge etwa bei länger laufenden Lebensversicherungsverträgen realitätsnäher dargestellt werden können. In den Bilanzen betreffen IFRS 17 auf der Passivseite und IFRS 9 auf der Aktivseite fast die gesamten Bilanzen.
Aggressiv verbuchende Lebensversicherungen aus Grossbritannien oder Kanada, die gleich im ersten Berichtsjahr von 30 Jahre laufenden Lebensversicherungsverträgen 80 Prozent der zu erwartenden Gewinne verbuchen, werden sich umstellen müssen. Sie müssen dann andere Eckzahlen zu ihrem Geschäftsverlauf ausweisen. Umgekehrt werden konservativ arbeitende Versicherungen, hierzu zählen diverse schweizerische Adressen, zukünftig bessere Zahlenwerte ausweisen, weil sie bei solchen lang kaufenden Verträgen bereits heute die zu erwartenden Erträge und Kosten konservativer über die Laufzeiten verteilt hatten.
IFRS 17 verändert die Bilanz
Kurzfassungen zum Thema IFRS 17 umfassen schnell einmal 400 Seiten. Ausführliche Umsetzungen haben jetzt die Finanzabteilungen der Versicherer tüchtig auf Trab gehalten – und den grossen Buchprüfungsgesellschaften Milliardenumsätze beschert.
Immerhin: Eine Reihe von Faktoren verändert sich nicht. So spielen in der Peripherie des Versicherungsgeschäfts, etwa in den Agenturen, die erzielten Umsätze für die lokalen Abrechnungen und Boni weiterhin die wichtigste Rolle. Auch die Cashflows, die Dividenden und die Geschäftsstrategien werden sich weiterhin nicht verändern, sagte Vontobel-Analyst Simon Fössmeier unlängst an einer Präsentation zu diesem Thema in Zürich.
Verändern werden sich dagegen die ausgewiesenen Gewinne. Die Schwankungen der Gewinne dürfte höher werden, aber auch die Transparenz sollte sich verbessern. Das Eigenkapital sinkt zunächst einmal optisch, aber in der Realität wird es um die sogenannte Investment Contract Liability ergänzt werden – und summiert liegt das dann wieder fast auf der gleichen Höhe wie das ursprüngliche Eigenkapital.
Drei Modelle zur Messung
Gleich zu Beginn der Umstellung müssen die Versicherungen eine marktgerechte Bewertung ihrer Versicherungsverpflichtungen vornehmen. Diese besteht aus drei Komponenten: einer Schätzung der zu erwartenden Cashflows, der Zeitwerte (hier spielen Annahmen zu Zinsveränderungen rein) und Risiko-Anpassungen. Gemessen werden kann das mit drei Modellen: Einem Standard-«General»-Modell, einem stark vereinfachten Modell (für viele Sachversicherungen anwendbar) und einem Modell, das variable Gebühren berücksichtigt. Solche spielen beispielsweise bei Lebensversicherungen eine Rolle.
Zentral wird dann die Contractual Service Margin (CSM): Dahinter verbirgt sich die Bestimmung der Margen. Diese vertragliche Servicemarge wird jeweils für Vertragsgruppen bestimmt. Nach dem Erstansatz darf diese Portfolio- bzw. Gruppenbildung nicht mehr geändert werden. Die CSM funktioniert asymmetrisch: Wenn sie im Plus liegt, verdient eine Versicherung über die Laufzeit Geld. Fällt sie auf oder unter null, muss das sofort über die Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen werden.
Versicherer machen nicht alle mit
Die Umstellung auf IFRS 17 ist auch ein Test für die IT-Systeme der Versicherungsgesellschaften. Alte Lebensversicherungsverträge sind oft nicht elektronisch erfasst. Auch bei älteren, noch genutzten Versicherungssystemen werden Excel-Spreadsheets parallel die Grundlagen für die Berechnungen ermöglichen. In der Praxis gibt es unterschiedliche Handhabungsmöglichkeiten.
«Man kann die neuen Regeln einfach ignorieren und sich auf die Dividenden fokussieren», sagt Vontobel-Analyst Simon Fössmeier. «Wahrscheinlich wird der Nettogewinn und nicht der adjustierte Gewinn wieder an Bedeutung gewinnen und damit auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis.» Von den ganzen neuen Sachen werde die CSM wichtig und wie sich die Zahl im Laufe des Jahres verändert. «Aber das benachteiligt Firmen ohne CSM, also die reinen Sachversicherer», so Fössmeier. «Es wird sich im Laufe der Zeit zeigen, welche Kennzahlen besonders aussagefähig sein werden.» Für Investoren und die Konkurrenz wird eine Versicherungsbilanz viel ökonomischer und ähnlicher zur Solvency-Bilanz.
Zehn Jahre Vorsprung mit Rechnungslegungsstandard
Nicht nur für die reinen Sachversicherer, auch für jene, die weiterhin unter Swiss FER rapportieren, wie etwa die Vaudoise oder die Mobiliar, gibt es keine Veränderungen. Anders sieht es bei den fünf gelisteten Vertretern Baloise, Helvetia, Swiss Life, Swiss Re und Zurich aus. «Swiss Re macht das schon sehr gut, auch wenn sie ein Jahr später kommen», sagt Fössmeier. Der hier verwendete Rechnungslegungsstandard Economic Value Management (EVM) ist IFRS 17 sehr ähnlich, und damit hat Swiss Re zehn Jahre Erfahrung und Vorsprung. Damit würden auch die Zahlen in den letzten Jahren viel besser aussehen als bisher – so dürfte der aktuelle Buchwert deutlich höher liegen als der gegenwärtige Aktienkurs. Zurich macht es laut Fössmeier ebenfalls gut. Zusammenfassend ist zu sagen, dass die neue Rechnungslegung dazu führen kann, dass Versicherungen ihre Preise wohl anders berechnen müssen.