- Der Markt für nachhaltige Anlagen wächst rasant seit den 2000er-Jahren, angetrieben durch die Erkenntnis, dass ESG-Kriterien nicht nur ethisch, sondern auch finanziell vorteilhaft sind.
- Pensionskassen zögern oft aufgrund von Renditeängsten, fehlender Expertise und komplexen Regulierungen, obwohl Studien zeigen, dass ESG-konforme Unternehmen widerstandsfähiger und profitabler sein können.
- Die Integration nachhaltiger Anlagestrategien erfordert einen Mix aus Ausschlusskriterien, Best-in-SDGs-Ansätzen und Engagement, um langfristig stabile Renditen zu sichern und den gesellschaftlichen Impact zu maximieren.
Banken bieten schon lange entsprechende Produkte an. Diese Entwicklung wird durch die wachsende Erkenntnis getrieben, dass die Berücksichtigung ökologischer, sozialer und unternehmerischer Standards (ESG) nicht nur ethisch sinnvoll ist, sondern sich auch finanziell bezahlt machen kann. Dennoch reagieren gerade kleine und mittlere Pensionskassen bisher zurückhaltend auf diesen Trend. Die Gründe dafür sind vielfältig: Befürchtungen hinsichtlich geringerer Renditen, fehlende Expertise, ein hoher Ressourcenaufwand und ein komplexes regulatorisches Umfeld spielen eine Rolle. Doch es spricht für Pensionskassen jeglicher Grösse vieles dafür, den Schritt in Richtung nachhaltige Anlagestrategie zu wagen.
Langfristiger Mehrwert statt kurzfristige Renditejagd
In der Schweiz halten Pensionskassen etwa 25 Prozent aller Vermögenswerte. Immer mehr Versicherte und Begünstigte wollen wissen, worin ihre Pensionskasse eigentlich investiert ist. Sie fordern, genauso wie Regulierungsbehörden, NGOs und die Gesellschaft, zunehmend nachhaltige Investitionen. Das führt zu einem verstärkten Fokus auf ESG-Kriterien. Druck allein darf jedoch kein abschliessendes Kriterium zur Anpassung der Anlagestrategie sein. Pensionskassen tragen die Verantwortung für die Sicherung der Renten und müssen Risiken langfristig tief halten. Verschiedene Studien wie beispielsweise die «Robeco Global Studie» (2023) und Berichte von MSCI ESG Research zeigen aber, dass gerade Unternehmen mit hohen ESG-Standards oft besser performen und widerstandsfähiger gegenüber Marktschwankungen sind.
Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien im Anlageprozess ermöglicht es, Unternehmen mit nachhaltig soliden Geschäftsmodellen zu identifizieren, die langfristig profitabel sein können. Darüber hinaus helfen ESG-Faktoren, Ausfallrisiken durch Umweltzerstörung, soziale Unruhen oder schlechte Unternehmensführung zu erkennen und zu minimieren. Die Skandale um Enron und Volkswagen («Dieselgate») haben gezeigt, dass Unternehmen, die gegen etablierte Standards verstossen, nicht nur ihre Reputation aufs Spiel setzen, sondern auch ihren finanziellen Erfolg.
Stephan Werner ist CEO von Pax Asset Management AG.
Mit nachhaltigen Vermögensanlagen lassen sich folglich bei gleichem Risiko höhere Renditen erzielen, oder das bestehende Renditeniveau lässt sich mit geringerem Risiko halten. Darüber hinaus zeigt die Studie von Whelan, Atz, Van Holt und Clark der NYU Stern School of Business aus dem Jahr 2021, dass solche Investitionen langfristig zu höheren Erträgen führen. Eine Perspektive, die ideal zum langfristigen Anlagehorizont und der Verpflichtungsstruktur von Pensionskassen passt. Gleichzeitig profitieren die Umwelt und die Gesellschaft.
Der richtige Mix aus Anlageansätzen
Ein erster Schritt ist die Integration der ESG-Grundsätze in den traditionellen Anlageprozess. Dabei ist jedoch der Aufwand hinsichtlich Research und Ressourcen relativ hoch und der Risiko-Management-Prozess sehr anspruchsvoll. Einfacher ist eine Kombination aus leicht umsetzbaren «Ausschlusskriterien» und einem «Best-in-SDGs-Ansatz» – einer Adaption des herkömmlichen «Best-in-Class-Ansatzes» in Einklang mit den Sustainable-Development-Goals (SDGs) der Vereinten Nationen. Ausgeschlossen werden schädliche oder stark risikobehaftete Branchen wie Waffen, Tabak und fossile Brennstoffe.
Neben diesen Ansätzen sind auch «Impact Investing» (Investitionen mit messbaren positiven sozialen und ökologischen Auswirkungen), «normbasierte Screenings» (Auswahl anhand international anerkannter Standards wie dem UN-Global-Compact) sowie «Engagement und aktive Einflussnahme» (Beteiligung an und Dialog mit Unternehmen zur Förderung nachhaltiger Praktiken) weit verbreitet. In jedem Fall ist es heute unabdingbar, verschiedene Ansätze zu kombinieren, um der Komplexität der Situation gerecht zu werden – dies auch im Interesse des Regulators.
Herausforderung: Datenqualität und Impact-Messung
Pensionskassen und Fondsmanager stehen bei der Umsetzung nachhaltiger Anlagestrategien vor zwei weiteren Herausforderungen: Es ist schwierig, verlässliche und vergleichbare Informationen über die Nachhaltigkeitsleistungen von Unternehmen zu finden. Und es ist anspruchsvoll, den positiven Einfluss der nachhaltigen Geldanlage auf Umwelt und Gesellschaft konkret zu messen. Hier hilft die Zusammenarbeit mit spezialisierten Anbietern, die Informationen aus verschiedenen Quellen (z.B. Sustainalytics, Bloomberg, MSCI) bündeln, wissenschaftlich aggregieren und damit gleich auch validieren. So ist eine hohe Datenqualität und -konsistenz gewährleistet. Der Impact der nachhaltigen Anlagestrategie wird anhand der langfristigen Entwicklung des durchschnittlichen SDG-Scores des Portfolios gemessen. Und was die Ausübung der Stimmrechte und das Engagement angeht, können sich Vorsorgeeinrichtungen mit anderen Asset-Managern zusammenschliessen, die eine ähnliche Wertehaltung vertreten und ebenfalls vornehmlich im Schweizer Markt aktiv sind.
Kleineres Anlageuniversum, mehr Verantwortung
Klar ist, dass strenge ESG- und SDG-Kriterien jedoch das Diversifikationspotenzial einschränken und damit aufsichtsrechtlichen Anforderungen entgegenstehen können. Dass sich ihr Anlageuniversum verkleinert, nimmt eine verantwortungsbewusste, langfristig orientierte Vorsorgeeinrichtung aber aktiv in Kauf und lässt den transparenten Nachhaltigkeitsansatz in den bestehenden wertorientierten Anlageprozess einfliessen.
Dieser Beitrag erschien erstmals am 27. Juni 2024 im HZ Insurance Print Special Pensionskasse.