Herr Valenghi, was sind die Herausforderungen bei der Anlage der Versicherungsgelder?
Die Herausforderung besteht darin, in einem Tiefzinsumfeld langfristig wiederkehrende Erträge für unsere Versicherten zu erzielen. Damit richten wir u. a. ihre Renten aus. Immobilien sind so gesehen eine ideale Anlage für Versicherungsgelder, da sie genau dies leisten. Baloise managt deshalb in der Schweiz ein Immobilienportfolio von mehr als 9 Milliarden Franken. Hinzu kommen substanzielle Investments in weiteren europäischen Heimmärkten wie Belgien und Deutschland.
Jean-Pierre Valenghi, Leiter Immobilien Baloise Asset Management
Die Fed hat jüngst einen Zinsanstieg kommuniziert. Was passiert, wenn die EZB nachzieht, und welche Auswirkungen hat dies auf Ihr Geschäft?
Die Fed will nun entschieden die Inflation bekämpfen und hat deshalb begonnen, ihre Leitzinsen anzuheben. Die EZB wird der Fed folgen, da die Teuerung auch in der Euro-Zone ein Problem darstellt. Die damit einhergehenden tendenziell steigenden Finanzierungskosten haben einen dämpfenden Einfluss auf die Immobilienbewertungen. Im Gegenzug dürften die Erträge mittelfristig ansteigen. Wir bleiben deshalb zuversichtlich für die Anlageklasse «Immobilien» und verfolgen weiter einen sehr disziplinierten und vorsichtigen Ansatz beim Erwerb neuer Liegenschaften.
Wie entwickeln Sie Ihre Immobilienkompetenz weiter?
Bis vor wenigen Jahren nutzte Baloise Asset Management die Immobilienexpertise nur innerhalb des Konzerns zum Entwickeln und Verwalten von Immobilien im Eigenbesitz der Versicherung. In Zukunft wollen wir unsere umfassende Immobilienexpertise auch Drittkunden anbieten.
Was sind die Ziele Ihrer Immobilienstrategie?
Wir wollen bis 2025 entlang der gesamten Immobilien-Wertschöpfungskette stark wachsen. Dies mit der Ambition, uns als einen der führenden Immobilien-Portfolio- und Asset-Manager der Schweiz zu etablieren. Wir wollen für unsere Versicherung weiter in die Entwicklung von neuen Arealen und Projekten für Mietwohnungen investieren, die hohe Standards punkto Nachhaltigkeit erfüllen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Überbauung Am Ring in Dübendorf: Auf einem rund 35’000 Quadratmeter grossen Grundstück ist der Bau von bis zu 500 ökologisch nachhaltigen Wohnungen und Gewerbeflächen geplant. Bezugsbereit sind diese voraussichtlich im Herbst 2025.
Wie beurteilen Sie ein Auslandengagement?
Wir bauen unser Drittkundengeschäft ja gezielt aus. Nach der erfolgreichen Lancierung des Mandatsgeschäfts für Immobilien sowie Aufbau und Börsenkotierung des Baloise Swiss Property Fund (BSPF) für Schweizer Immobilien lancieren wir nun eine europäische Immobilien-Investmentplattform. Diese soll auch Investmentlösungen für Drittkunden in Verbindung mit einem starken Engagement der Versicherung ermöglichen.
Sie sind neu zur Baloise gekommen, vorher waren Sie bei einem Immobilien-Startup. Was sind die Unterschiede?
Die Grundlage eines Startups ist eine Idee, mit der man glaubt beziehungsweise hofft, ein Kundenbedürfnis zu decken. Die Idee muss reifen und sich entwickeln, und dazu gehört im Alltag eines Startups das Eingehen von Risiken. Bei einer Versicherung hingegen steht eher das Absichern von Risiken im Vordergrund. Doch die Anpassungsfähigkeit unserer Organisation und unserer Mitarbeitenden ist erstaunlich. In meinen Teams hat sich die Idee einer transparenten Fehlerkultur schon nach wenigen Monaten etabliert. Dies ermöglicht es uns, Risiken frühzeitig zu identifizieren und sie im Sinne des Konzerns zu eliminieren oder abzusichern.
Sehen Sie auch Gemeinsamkeiten?
In meiner vorhergehenden Funktion bei einem Immobilienmarktplatz war ich Teil der digitalen Wirtschaft. Auch bei Baloise ist Wachstum im Immobilienbereich an eine konsequente Digitalisierungsstrategie gekoppelt. Wir wollen entlang der Immobilienwertschöpfungskette neue digitale Tools entwickeln und einführen, um effizienter und nachhaltiger zu werden sowie neue Services einzubinden. Dazu hilft uns, dass wir uns zu einer agilen Organisation mit selbstorganisierten Teams entwickeln. Hierarchiestufen wurden in meinem Verantwortungsbereich abgebaut. Die Teams wurden nach den Kundenbedürfnissen ausgerichtet und haben gleichzeitig weitreichende Kompetenzen erhalten. Diese Organisationsform durfte ich schon bei einem Startup umsetzen. Und ich habe dabei erlebt, welche Innovationskraft und Anpassungsgeschwindigkeit mit einer solchen Organisation möglich sind. Bei der Baloise entwickeln wir das erste agile Immobilienteam der Schweiz.
Auch lesenswert: