Wie ist der aktuelle Stand der Entwicklung bei vlot?
Daniel Schmidheiny: Aktuell sind wir dabei, uns im Markt zu etablieren. Wir verfolgen dabei eine Land-and-expand-Strategie. Bei unserem grössten Kunden digitalisieren wir fünf Distributionskanäle mit an diese angepassten Vorsorgerechnern. Mit weiteren potenziellen B2B-Kunden sind wir entweder in fortgeschrittenen Gesprächen oder Pilotprojekten engagiert. Als Fokus unserer Entwicklungen sind eine Lösung für Affinity- bzw. Pensionskassenkunden sowie eine Lösung im Agentenkanal für die Direktberatung zu erwähnen. Während die erste Variante eine Selfservice-Analyse mit Produktintegration umfasst, ist die zweite Variante für den Einsatz beim Kunden gedacht, um zusammen mit einem Berater die Situation der Kunden zu erfassen, zu analysieren und innert Minuten eine umfassende Vorsorgeanalyse zu erstellen.
Welche Versicherungen hat vlot bereits als Partner gewonnen?
Öffentlich bekannt ist unsere Zusammenarbeit mit Generali Schweiz. Zusammen mit dem angegliederten House of Insurtech Switzerland (HITS) eröffnet uns dies auch Möglichkeiten zur Expansion ins Ausland.
Interviewpartner:
Daniel Schmidheiny ist Co-Founder und seit Gründung 2017 COO von vlot. Zuvor war er Inhaber/Geschäftsführer eines Versicherungsbrokers. Daniel Schmidheiny hat einen Abschluss als eidg. dipl. Verkaufsleiter und war 2015 24h-Mountainbike-Europameister.
Wie genau funktioniert eine Zusammenarbeit einer Versicherung mit Vlot?
Daniel Schmidheiny: In der Regel beginnt eine Zusammenarbeit mit einem PoC (Proof of Concept). In diesem Kontext werden KPI definiert, welche im Verlauf des Projekts getrackt werden. Sind diese erreicht, wird die Evaluation einer Einführung angestossen. Viele Versicherungen arbeiten an Digitalisierungsprojekten, kommen aber oft nur schleppend voran. Einer der wichtigsten Faktoren ist es, die eigenen Vertriebskanäle in die Lösungen einzubeziehen. Die Annahme, die persönliche Beratung im Bereich Lebensversicherung sei redundant, ist falsch.
«Es gibt viele Lebensereignisse, bei denen sich die Vorsorgesituation und die Risiken stark verändern.»
Dafür muss man das Produkt nur ausreichend komplex ausgestalten
Die Komplexität liegt eher in der Thematik der Vorsorge, nicht im Produkt als solchem. Es gibt viele Lebensereignisse, bei denen sich die Vorsorgesituation und die Risiken stark verändern. Hinzu kommt eine Vielzahl kleinerer Veränderungen wie etwa bei Lohnanpassungen, wenn Kinder das 18. Lebensjahr erreichen und so weiter. Als konkretes Beispiel, wie vlot die Vereinfachung vorantreibt: Wir haben einen QR-Code auf dem Pensionskassenausweis entwickelt, welchen der Destinatär direkt scannen und so anonym und sicher die wichtigsten Daten in unsere Analyse übermitteln kann. Damit wird die detaillierte Vorsorgeanalyse angestossen, wobei verschiedene Szenarien und spätere Leistungen einfach berechnet werden können. Falls erwünscht, kann im Anschluss ein Berater miteinbezogen und diese Informationen als Diskussionsgrundlage für weitere Schritte herangezogen werden.
Kommen die Kunden einfach so auf Sie zu?
Nein, Auslöser sind meist sogenannte Life Trigger Events. Ein Beispiel ist ein Immobilienkauf. Wenn der Käufer dabei einen Kapitalvorbezug macht, verändert das natürlich die gesamte Vorsorgesituation. Es entstehen neue Risiken bezüglich der Hypothekarschuld und der Reduktion der Altersleistungen. Das Gleiche gilt für weitere Ereignisse wie eine Scheidung oder wenn eine Beziehung länger als fünf Jahre dauert (viele Pensionskassen bezahlen nach fünf Jahren Konkubinatspartnerschaft Hinterlassenenrenten). Neben diesen internen Triggern kommen externe hinzu: Menschen altern und viele Ereignisse, beispielsweise die Pensionsplanung, sind ebenfalls an bestimmte Alterszeitpunkte gekoppelt. Und es kommen weitere externe Faktoren dazu wie die Absenkung von Umwandlungssätzen, das tiefe Zinsniveau usw. – solche Faktoren sind nicht unter Kontrolle der Versicherten.
«Das Sparen funktioniert digital gut.»
Sind Lebensversicherungen überhaupt noch zeitgemäss?
Die kombinierte Lösung von Risikoschutz und Sparen ist es sicherlich nicht, zumal die meisten Anbieter die Minimum-Auszahlungsgarantien in den Bereich von 70 bis 90 Prozent der einbezahlten Gelder zurückgestutzt haben. Diese Garantie hatte früher bei über 100 Prozent gelegen. Die Trennung von «Risiko» und «Sparen» ist meiner Meinung nach sehr wichtig.
Dann kommen aber andere Anbieter ins Spiel
Absolut. Mit Unternehmen wie Viac beispielsweise ist ein digitaler Vorsorge-Sparanbieter erfolgreich in den Markt eingestiegen, gefolgt von anderen wie Frankly oder Sparbatze. Das Sparen funktioniert digital gut, wie diese Angebote zeigen. Die Risikoabsicherung und Altersvorsorge werden hier aber nicht angeschaut.
Und das ist Ihr Feld
Ja, das ist ein grosser und komplizierter Bereich, auch und gerade mit der Vorsorge Säule 3a. Die Grundlagen des Sparens verändern sich, wenn man von der Anlage und dem Zins absieht, über ein Lebensalter nur geringfügig. Bei den Risiken ist das jedoch ganz anders.
Wenn man sich Ihre Website anschaut, fangen die Herausforderungen mit den erforderlichen Daten an
Der Datenschutz und die Datensicherheit machen es nicht möglich, alle erforderlichen Daten über offene Schnittstellen zu beziehen und zusammen zu nutzen. Wir haben in der Schweiz allein über 1200 Pensionskassen, aber keine standardisierten Schnittstellen.
Der komplexen Datenlage steht ein eigentlich einfaches Produkt gegenüber
Ja, die Todesfallrisikolebensversicherung ist sehr einfach: Das Ereignis tritt ein, das Geld wird ausbezahlt. Hier ist der Spielraum für weitere Vereinfachungen beschränkt auf das medizinische Underwriting und den Abschlussprozess. Jede Hausratversicherung ist in der Ausgestaltung der Deckung komplizierter. Entscheidend sind die Risikoanalyse sowie die sich verändernden Lebensumstände – sonst entstehen Unter- oder Überdeckungen.
«Wir arbeiten mit komplexen Datenanalysemodellen und entwickeln diese weiter, um komplizierte Situationen möglichst präzis berechnen zu können.»
Und dann genügen die Steuererklärungen sowie der Pensionskassenausweis
Nein, es ist in der Praxis komplizierter. Diese Dokumente bilden lediglich eine Momentaufnahme mit beschränkter Aussagekraft. Aus ihnen geht nicht hervor, ob beispielsweise eine Person in zwei Jahren eine grosse Erbschaft machen wird. Eine solche Erbschaft verändert nicht nur die Risikosituation, sondern auch die Grundfrage, ob man dann überhaupt noch eine Risikolebensversicherung benötigt.
Wie sehen die weiteren Entwicklungen aus?
Wir arbeiten mit komplexen Datenanalysemodellen und entwickeln diese weiter, um komplizierte Situationen möglichst präzis berechnen zu können. Wir planen zeitnah eine Zusammenarbeit mit einer Fachhochschule, um die Entwicklung eines einfachen, umfassenden Financial Wellbeing Score voranzutreiben. Dabei verfolgen wir drei Ziele: Der Endkunde soll sich mit Peer Groups hinsichtlich Vorsorgesituation messen können, er soll feststellen können, ob und wie sich dieser Score im zeitlichen Verlauf verändert, und dem Berater eine Möglichkeit geben, den Impact von Vorsorgemassnahmen zu visualisieren.
Die Generation der Babyboomer steht gleich vor mehreren Herausforderungen: Ihre Langlebigkeit ist ein Problem für das Vorsorgesystem, ihre nicht abbezahlten Immobilien sind mit Vorsorgegeldern finanziert. Deleveraging und De-risking kommen zusammen.
Da zeichnen sich sehr grosse Herausforderungen ab. Langlebigkeit, die niedrigen Zinsen – und viele Menschen machen sich zu wenig Gedanken, wie sie mit eingeschränkten liquiden Mitteln nach der Pensionierung ihre Immobilien halten können. Hinzu kommen die bereits erwähnten laufenden Veränderungen bei der Handhabung und Flexibilisierung des Pensionsalters.
Welche Veränderungen und neuen Entwicklungen wird man bei Vlot sehen?
Wir sind dabei, mehrere Kooperationen mit Unternehmen aus der Finanzbranche abzuschliessen und weitere innovative Lösungen auf den Markt zu bringen. Den Financial Wellbeing Score verfolgen wir weiter, nebst der bereits erwähnten Lösung für Pensionskassen. Unser Personalbestand liegt aktuell bei neun Personen, Tendenz steigend. Beim jährlichen Umsatz liegen wir Stand heute noch unter 1 Million Franken. Und unsere Softwareentwicklung haben wir in die Schweiz zurückverlagert. Wir hatten zuvor ein Nearshoring-Modell – die Vorteile einer vollständig integrierten Softwareentwicklung überwogen jedoch. Wir tragen mit Stolz das Label Swiss made Software.