Erste Ökonomen, wie etwa der Chefökonom der Raiffeisen, Fredy Hasenmaile, reden bereits von einem Anlagenotstand bei den Pensionskassen: «Wir bei der Raiffeisen beobachten, dass sich für viele institutionelle Anleger wie etwa Pensionskassen allmählich wieder eine Situation des Anlagenotstands einstellt.» Wie immer dreht sich alles um die Rendite, die mit herkömmlichen Mitteln schwerer zu erwirtschaften sei.
Kommt da die Idee von Pascal Schneidinger gerade recht? Mit dem Start-up Partasio investiert er in Kunst und will auch Pensionskassen und Assetmanager bei Versicherungen und Banken sowie Family-Offices davon überzeugen: «Kunst ist ein lohnendes Investment.»
Pascal Schneidinger, wie überzeugen Sie Assetmanager von Pensionskassen und Versicherungen, Kunst als eigene Assetklasse anzuerkennen?
Unser Hauptfokus bei Partasio liegt auf Vermögensverwaltern, Pensionskassen, Family-Offices und auch Banken. Sobald man mit Pensionskassen und Versicherungen spricht, ist der emotionale Aspekt von Kunst natürlich nicht mehr zentral. Dann geht es wirklich nur um Renditen.
Kunst wirft keine jährliche Rendite ab …
Ja. Kunst ist eine Anlageklasse, die keinen Cashflow generiert. Der Wert hängt komplett von Angebot und Nachfrage ab. Schon eine kleine Änderung bei der Nachfrage hat einen grossen Einfluss auf den Preis – im Positiven wie im Negativen.
Die grundsätzliche Problematik dabei ist: Je mehr Kompromisse man punkto Nachfrage eingeht, desto grösser wird die Volatilität.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Es gibt rund 25 relevante chinesische Kunstschaffende, die jedoch nur in China von hoher Bedeutung sind. Das ist extrem riskant.
Weil China momentan wirtschaftliche Probleme hat, bricht die dortige Nachfrage ein. Und ausserhalb Chinas sind diese 25 Kunstschaffenden wenig gefragt.
Darum ist für uns bei Partasio eine globale Relevanz der Kunstschaffenden und ihrer Werke extrem wichtig.
Überzeugt Kunst als Assetklasse bereits viele Assetmanager?
Für viele Pensionskassen ist Kunst noch keine Anlageklasse. Dazu braucht es sicher noch etwas mehr Wissenstransfer.
Was ist der Grund?
Die anfängliche Scheu liegt wohl an der fehlenden Transparenz im Kunstmarkt, die zugegebenermassen etwas abschreckend wirkt. Doch das ist meiner Meinung nach nicht der richtige Approach.
Was ist Ihr Gegenargument?
Kunst bildet bei sogenannten Ultra-High-Net-Worth Individuals seit Generationen einen sehr wichtigen Bestandteil bei der Vermögenssicherung, so wie Gold.
«Bei Partasio konzentrieren wir uns auf Malerei, weil das mit Abstand das wichtigste Segment im Kunstmarkt ist»
Neben Capital-Preservation bedeutet Kunst eine echte Diversifikation. Kunst kann als Nischenprodukt ein Teil einer guten Asset-Allocation sein. Ob man jetzt eine Pensionskasse ist, eine Insurance-Company oder ein Individuum, schlussendlich spielt das keine grosse Rolle.
Wie versuchen Sie, Assetmanager bei Versicherern und Pensionskassen von Ihrem Geschäftsmodell zu überzeugen?
Wir machen sehr viel im Education-Bereich, um den Leuten die Angst zu nehmen. Es ist wirklich keine Rocket-Science.
Bekunden Pensionskassen und Versicherungen bereits ihr Interesse?
Absolut. Wir sind mit mehreren Pensionskassen und auch Versicherungen im Gespräch.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Kunst als Assetklasse zu vermarkten?
Ursprünglich in der Schweiz aufgewachsen, studierte ich in Amerika und war anschliessend lange in New York und London im Investmentbanking und Private Equity tätig.
2011 wurde es mir zu langweilig. Ich kündigte und zog nach Shanghai. Dort habe ich eine Möbeleinzelhandelskette mit einem neuen, innovativen Konzept für den chinesischen Markt gegründet und rund zehn Jahre lang geführt. Doch mein ganzes Leben lang dort leben wollte ich auch nicht.
«Wer mit einem Finanzgedanken in Kunst investiert, muss sich auf das absolute Top-Segment fokussieren»
Nachdem ich rund zwei Jahre lang verschiedene Businessideen geprüft hatte, bin ich aus strategischen Gründen in die Schweiz zurückgekehrt, um Partasio zu gründen. Meine Grundidee war es, Ineffizienzen eines Marktes als Geschäftsidee zu nutzen.
Und so entdeckten Sie das Assetpotenzial von Kunst?
(Lächelt) Ja, obwohl ich zuvor nie in der Kunstwelt gearbeitet hatte und auch kein Kunstkenner im eigentlichen Sinn bin.
Ich bin zum Schluss gekommen, dass Kunst mittlerweile wirklich eine formidable, grosse Anlageklasse ist, wirklich noch diversifizierend – im Gegensatz zu vielen anderen Assets.
So gründete ich Partasio, das nun seit drei Jahren besteht. Und heute ermöglichen wir es den Leuten wirklich zum ersten Mal, auf eine einfache, aber sehr professionelle Art und Weise in hochwertige Kunst zu investieren.
Wie wählen Sie die Kunstwerke aus? Es gibt ja auch viele andere Interessenten.
Richtig, darüber könnte ich eine Stunde lang sprechen. Man muss klar auf die finanziellen Aspekte fokussieren, keinesfalls emotional an die Sache herangehen.
Wer mit einem Finanzgedanken in Kunst investiert, muss sich auf das absolute Top-Segment fokussieren.
Bei Partasio konzentrieren wir uns auf Malerei, weil das mit Abstand das wichtigste Segment im Kunstmarkt ist. Und investieren nur in Gemälde nach dem Zweiten Weltkrieg.
Warum?
Weil die Dokumentation bei älteren Werken zu Problemen führen kann: Fälschung etwa, oder die Raubkunstthematik, die wir in der Schweiz leider nur zu gut kennen – dem gehen wir so aus dem Weg.
Welche Werke und Kunstschaffende stehen im Fokus?
Wir kaufen nur Gemälde von Künstlerinnen und Künstlern, wenn er oder sie langfristig und global relevant sind, sowohl aus finanzieller als auch aus kunsthistorischer Sicht.
Ein langer «Track-Record» – um die Finanzsprache zu benutzen – bedeutet tiefe Volatilität und ein tiefes Verlustrisiko. In der Finanzwelt, aus der ich ursprünglich komme, würde man sagen: Partasio befolgt einen konservativen Value-Investing-Ansatz.
Wie setzen Sie diese Strategie um?
Um klar zu definieren und zu identifizieren, wer wirklich langfristig relevant ist, haben wir quantitative und qualitative Kriterien aufgesetzt.
Etwa, ob der Künstler respektive die Künstlerin von einer grossen, internationalen Galerie repräsentiert wird, die Werke in grossen Museen in aller Welt hängen. Für uns ist wichtig: Die Kunstschaffenden müssen global relevant sein, damit wir investieren.
Können Sie mir ein paar Namen nennen? Yoko Ono, Gerhard Richter etc.?
Ja, ein Gerhard Richter ist ein gutes Beispiel, aber auch George Condo, Andy Warhol oder etwa Yayoi Kusama – das sind einige der grössten, etabliertesten Nachkriegskünstler.
Es gibt nur ungefähr vierzig Künstler auf dieser Welt, die unsere Parameter erfüllen.
Das ist ein sehr enges Spektrum.
Ja, sehr eng und sehr fokussiert. Ich sage immer, der Kunstmarkt ist der grösste legale Insidermarkt, den es noch gibt.
Wir nutzen die Ineffizienz und Intransparenz des Marktes aus. So können wir zum Teil mit einem massiven Discount zum eigentlichen Marktwert einkaufen. Das ist interessant, denn das verringert unser Risiko und erhöht die potenzielle Rendite.
Was, wenn ein Bild 40 Millionen Franken auf einer Auktion einbringt? Kaufen Sie?
Nein. Es erzielen nur ganz wenige Bilder solch hohe Summen. Und auch ganz, ganz wenige Sammler spielen in diesem Segment mit. Das sind etwa zwanzig bis dreissig Leute auf der Welt. Es ist ein ganz kleiner Markt, der nicht relevant oder gar repräsentativ für den gesamten Kunstmarkt ist.
Sie investieren nicht in sehr teure Gemälde?
Nein. Wir fassen jeweils Werke zwischen 500’000 und 3 Millionen Franken ins Auge. Aus einem guten Grund: Wenn sie 40-Millionen-Werke kaufen, klingt das zwar super, doch wenn Sie es wieder verkaufen wollen, ist das nicht so einfach: Das Potenzial ist klein.
Anders im Segment mit Bildern zwischen 500’000 bis 3 Millionen Wert. Denn dies ist mit Abstand das liquideste Segment bei hochwertiger Kunst.
Wie kommen Sie an die Gemälde?
Das ist das Zentrale, der Off-Market-Access, den ich vorher erwähnt habe. Wir gehen nicht über Auktionen, wir gehen nicht über Messen. Und was sehr extrem ist: Wir kaufen nicht einmal Bilder, die je an einer Auktion waren.
Warum?
Weil Exklusivität zählt. Schon lange nicht mehr auf dem Markt gesehene Bilder sind sehr attraktiv. Wenn ein Bild schon drei- oder viermal bei Sotheby’s war, interessiert es weit weniger. Wir kaufen deshalb nur Werke, die noch nie auf Auktionen waren.
«Kunst bildet bei sogenannten Ultra-High-Net-Worth Individuals seit Generationen einen sehr wichtigen Bestandteil bei der Vermögenssicherung, so wie Gold», meint Pascal Schneidinger.
Interviewpartner Pascal Schneidinger ist Gründer und CEO des Start-ups Partasio aus Hünenberg ZG. Privatleute wie auch institutionelle Anleger können bei Partasio ab einem Betrag von 30’000 Franken in Kunstwerke investieren. Momentan engagiert sich Partasio nur bei Gemälden ab dem Jahr 1945.
Wenn Sie ein Bild von einer privaten Sammlerin kaufen können: Wie legen Sie den Wert fest?
Wir sind bereit, einen Preis zu zahlen, wenn wir – basierend auf öffentlich verfügbaren Informationen sowie auf asymmetrischen, uns exklusiv zugänglichen privaten Informationen – überzeugt sind, dass das Verlustrisiko extrem gering ist und der Marktpreis deutlich höher liegt.
Daher konzentrieren wir uns beim Ankauf in der Regel auf sogenannte Special Situations, bei denen der Verkäufer unsere Diskretion schätzt und das Timing eine entscheidende Rolle spielt, da wir in der Lage sind, extrem schnell zu zahlen.
Das Bild ist 100 wert. Sie kaufen mit einem Discount von rund 20 Prozent, also für 80. Wie geht es dann weiter?
Wir sagen den Leuten konservativ, sie sollen eine maximale Halteperiode von fünf Jahren erwarten. Wir haben intern eine kürzere Halteperiode. Jedes Bild hat auch eine andere Strategie.
Spüren wir eine positive Dynamik im Wert des Künstlers, halten wir ein Bild länger. Wir warten in diesem Fall drei, vielleicht fünf Jahre.
Ist der Markt für den Künstler sehr stabil und flach, halten wir ein Werk ein, zwei Jahre.
Wenn ich als Anlegender und zu Ihnen komme: Wie läuft das ab?
Wir machen Portfolios. Jedes Portfolio umfasst vier bis sechs Bilder. Ab 30’000 Franken ist man bei uns dabei.
Wir verwenden das investierte Geld, um Bilder zu kaufen. Und sobald ein Bild wieder verkauft wird, werden die Verkaufserlöse automatisch ausgeschüttet.
Was passiert, wenn der globale Kunstmarkt zusammenbricht? Dieses Risiko besteht ja auch.
Klar. Darum ist es wichtig, in welches Segment man investiert. Wir gehen deshalb ins Top-Segment. (Seufzt) Dies ist zugleich das langweiligste Segment, aber auch jenes mit der allertiefsten Volatilität. (Schmunzelt)
Selbst die Krise des Jahres 2022 hatte keinen grossen Einfluss auf den Markt. Doch eine Finanzkrise wie 2007 oder 2008, wo man in einer Liquiditätskrise steckte, hat sicher einen Einfluss.
Interessant ist jedoch: Das hochwertige Segment im Kunstmarkt hat später gelitten als andere Assets während der Finanzkrise. Und was bei jeder Krise beobachtet wird: Der Kunstmarkt erholt sich interessanterweise meistens extrem schnell.
Wie werden die Bilder gelagert?
In einem Zollfreilager in der Schweiz, natürlich klimaneutral und richtig versichert.
Gibt es auch Bilder, die sie ausstellen lassen, um deren Preis zu erhöhen?
Klar, das ist eine gute Sache, ist aber nicht so simpel, wie es klingt. Ein Werk muss den Kuratorinnen und Kuratoren der Museen auch ins Konzept einer Ausstellung passen.