- In der Gesundheitspolitik geht es um Macht.
- Die Forderung, Werbung in der Grundversicherung zu verbieten, ist absurd.
- Prämienaufschläge in die Zukunft zu verlagern bedeutet, dass die heute erbrachten Leistungen nicht mehr vollständig bezahlt werden können.
«Ist die Politik die Kunst des Möglichen?» Die Aussage stammt von Otto von Bismarck. Wenn das stimmt, stellt sich die Frage, worin die Kunst der Gesundheitspolitik besteht? Nimmt man den Ruf nach einer Einheitskasse – sei sie national oder kantonal organisiert – als Massstab, so ist es wohl das Prinzip der permanenten Wiederholung. Immer und immer wieder ertönt die Forderung. In letzter Zeit zumeist als Standesinitiative. Diese haben in der Regel einen schweren Stand in Bundesbern, da man sich von den Kantonen nicht gerne dreinreden lässt.
Doch in dieser Session ist es wieder so weit. Der Nationalrat hat das Thema behandelt und die Standesinitiative des Kantons Waadt abgelehnt. Die nächste steht aber schon vor der Tür: Der Grosse Rat des Kantons Thurgau hat bereits ein entsprechendes Begehren nach Bern geschickt.
Kunst ad absurdum
In der Gesundheitspolitik hat die Kunst auch immer etwas mit dem Absurden zu tun. Die Gesundheitskommission des Nationalrates hat einer parlamentarischen Initiative Folge gegeben, die den Krankenversicherern die Werbung in der Grundversicherung verbieten will. Abgesehen davon, dass die Werbung gerade einmal 0,3 Prozent des Gesamtvolumens von knapp 38 Milliarden Franken ausmacht; ist entscheidend, dass ein grundlegendes Element des Krankenversicherungsgesetzes der regulierte Wettbewerb ist. Man muss lange suchen, um einen Wettbewerbsmarkt zu finden – so reguliert er auch sein mag – der ohne Massnahmen auskommt, die auf Alternativen hinweisen. Die Forderung ist also absurd. Dies aber nur auf den ersten Blick, denn der Initiant führt als Begründung unter anderem an, dass die Krankenversicherer Werbung betreiben, um Versicherte zu gewinnen. Ja wie, wieso wird denn sonst Werbung gemacht? Oder: Die Werbung habe keinen Mehrwert, denn die Grundversicherung sei obligatorisch. Zum Glück ist die Grundversicherung obligatorisch, aber das schliesst doch per definitionem die Werbung nicht aus. Ein Schelm, wer hier als eigentliches Motiv an die Standesinitiative aus der Waadt und dem Thurgau denkt.
Die Versorgung leidet
Ein dritter Baustein der gesundheitspolitischen Kunst ist die Verderbnis. Eine am 23. Dezember 2023 eingereichte Motion verlangt ein Krankenkassenprämien-Moratorium ab 2024 bis, ja bis wann eigentlich? Das wird aus dem Text nicht klar. Einerseits wird als Zieldatum die Abstimmung über die Prämienentlastungsinitiative genannt. Die findet aber bereits am 9. Juni statt. Bis dahin findet auch keine Prämienänderungen statt. Anderseits wird auf eine staatliche Krankenkasse verwiesen. Die kommt, wenn überhaupt in zig Jahren. Der Bundesrat hat es in seiner Antwort diplomatisch formuliert: «Der Bundesrat erachtet die reine Verlagerung von Prämienaufschlägen in die Zukunft als keinen lösungsorientierten Ansatz, der weiterverfolgt werden sollte.». Man kann es aber auch so formulieren: Prämienaufschlägen in die Zukunft zu verlagern bedeutet, dass die heute erbrachten Leistungen nicht mehr vollständig bezahlt werden können. Als Konsequenz leidet die Versorgung von uns allen.
Otto von Bismarck war kein Künstler, er war Machtpolitiker. Und um Macht geht es ja auch in unserer Gesundheitspolitik. Störend ist nur, dass man das Absurde ständig wiederholen und damit ins Verderben führen kann, wenn man nicht aufpasst.