In der Herbstsession der eidgenössischen Räte wurden auch wichtige Themen der Versicherungswirtschaft behandelt. Zum einen ging es um die Wahlfreiheit bei Komplementärmedizin, zum anderen um den Teilbezug privater Vorsorgegelder.
Wahlfreiheit bei Komplementärmedizin
Künftig soll jede versicherte Person wählen können, ob sie von der Krankenkasse komplementärmedizinische Leistungen vergütet haben will oder nicht, lautet eine Forderung des Nationalrats. Mit 94 zu 86 Stimmen bei 10 Enthaltungen hat die grosse Kammer am Mittwoch «Ja» gesagt zu einer Motion von Nationalrat Philippe Nantermod (FDP/VS). Der Vorstoss geht nun an den Ständerat.
Befürwortet die kleine Kammer die Motion ebenfalls, muss der Bundesrat eine Gesetzesänderung vorlegen, wonach die Übernahme der Kosten von komplementärmedizinischen Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) optional ist. Seit zwölf Jahren werden Kosten von alternativmedizinischen Leistungen durch die Krankenkassen-Grundversicherung übernommen.
Mittlerweile habe sich herausgestellt, dass die Wirksamkeit zahlreicher Methoden der Akupunktur, der anthroposophische Medizin, der Arzneimitteltherapie der traditionellen chinesischen Medizin, der klassische Homöopathie und der Phytotherapie wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden könne, begründet Nantermod seinen Vorstoss. «Es wird das Vertrauensprinzip angewendet.» Es lasse sich schwer rechtfertigen, dass alle Versicherten gezwungen würden, Leistungen mitzufinanzieren, die im Wesentlichen auf der inneren Überzeugung einiger Ärztinnen und Ärzte und einiger Versicherten beruhten, nicht aber auf objektiven wissenschaftlichen Daten, macht Nantermod geltend. Deshalb solle eine Wahlfreiheit gelten.
Bundesrat dagegen
Der Bundesrat beantragt den Vorstoss zur Ablehnung. Aus seiner Sicht widerspricht eine Wahlmöglichkeit für bestimmte Leistungsbereiche dem Prinzip des Versicherungsobligatoriums.«Wahlleistungen wären nicht mehr obligatorisch und nicht mehr solidarisch durch alle getragen», schreibt die Landesregierung in ihrer Stellungnahme. Auch wäre die Schaffung einer Wahlmöglichkeit laut dem Bundesrat «technisch äusserst komplex». Auch wäre sie angesichts des Kostenrahmens von rund jährlich 18 Millionen Franken der von der OKP übernommenen komplementärmedizinischen Leistungen nicht verhältnismässig.
Teilbezug von privaten Vorsorgegeldern
Wer über private Vorsorgegelder in der dritten Säule oder Freizügigkeitsleistungen verfügt, soll diese künftig in Raten beziehen können, lautet eine weitre Forderung des Nationalrats. Mit 130 zu 59 Stimmen bei einer Enthaltung stimmte die grosse Kammer für einen Vorstoss von Nationalrat Andri Silberschmidt (FDP/ZH). Das Geschäft geht nun ebenfalls an den Ständerat.
Heute können privat angesparte Vorsorgegelder nur auf einmal bezogen werden. Es ist zwar möglich, mehrere Säule-3a-Konten zu eröffnen, aber die Freizügigkeitsleistungen können nur eingeschränkt von der Pensionskasse aufgeteilt werden. Für die Zukunft soll der Bundesrat gemäss Motionstext Massnahmen treffen, um wie bei der beruflichen Vorsorge einen Teilbezug zu ermöglichen. Dabei sollen eine maximale Anzahl Bezüge und ein minimaler Betrag pro Bezug vorgesehen werden.
Dies würde es erlauben, in einem einzigen Konto für die Vorsorge anzusparen und das Vermögen gestaffelt zu beziehen. «Dies würde die Gebühren, die Komplexität und die Bürokratie reduzieren, welche die Führung mehrerer Konti mit sich bringen», begründet Silberschmidt seinen Vorstoss. Der Teilbezug solle auch beim Gang in die Selbstständigkeit ermöglicht werden.
Bundesrat dafür
Der Bundesrat ist mit dem Anliegen einverstanden, wie Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider sagte. Um negative steuerliche Auswirkungen einzuschränken, müsse jedoch klar festgelegt werden, in welchem Rahmen und unter welchen Bedingungen ein solcher Teilbezug durch die versicherten Personen erfolgen könne.
Bekämpft wurde die Motion von der Ratslinken. Barbara Gysi (SP/SG) gab zu bedenken, dass die dritte Säule nicht noch weiter ausgebaut werden dürfe. Viele Menschen könnten sich eine private Vorsorge gar nicht leisten. Zudem gehe der Vorstoss auf die Kosten des Bundeshaushalts. «Die Staatskasse hat das Nachsehen.» (awp/hzi/bdw)