Joe Ackermann, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, gab beim Financial Lines Forum 2024 in Zürich vor vollem Konferenzsaal im Hotel Marriott Einblicke in seine jüngst publizierten Memoiren und äusserte sich zu Themen wie Kritikbewältigung, Risikobewertung und politische Massnahmen. 

Financial Lines Forum

Das Financial Lines Forum ist die führende Fachkonferenz der Schweiz im Bereich Cyber- und D&O-Versicherungen. Es bietet eine Plattform für Experten aus der Finanz- und Versicherungsbranche, um aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen zu diskutieren und Best Practices auszutauschen.

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Im Keynote-Interview mit Markus Haefeli von Haefeli & Schroeder Financial Lines AG betonte Ackermann wie er gelernt habe, mit Kritik umzugehen – nur mit sachlicher Kritik müsse er sich auseinandersetzen - billige Polemik oder gar Hass greife ihn nicht (mehr) an. Ackermann schöpfte dabei aus reicher Erfahrung von Begegnungen mit Spitzenpolitikern. Um erfolgreich zu sein, sagte er, sei es wichtig, neugierig und vorbereitet zu sein, nicht nur auf seinen Verstand, sondern auch den «Bauch», zu hören und zu wissen, woher man kommt; bei ihm sei es Mels im Kanton St. Gallen, wo er «immer zurückkehren kann».

Unkalkulierbarkeit von Rechtskosten 

Auf die Frage nach den grössten Risiken in der Finanzbranche antwortete Ackermann mit einem Fokus auf die USA und wies auf die unkalkulierbar hohen Rechtskosten in den USA hin – wie er es seinerzeit gegenüber George W. Bush getan habe. Risiken gehörten generell dazu, denn: «wenn Sie alle Risiken vermeiden wollen, haben Sie bald keine Risiken mehr zu vermeiden, weil Sie nicht mehr im Geschäft sind.» 

Ackermann sprach auch auf den Untergang der Credit Suisse an; insbesondere auch auf die Grösse des dabei entstandenen neuen Instituts, die UBS, das doppelt so gross sei wie das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz. Verglichen mit ähnlichen Bankenrettungen in den USA oder in Deutschland sei es für die im Risiko stehende Schweiz eine ganz andere Lage. Er betonte die Rolle der Politik bei der Regulierung des Finanzsektors und verwies dabei auf die von Bundesrätin Karin Keller Sutter vorgestellten zusätzlichen Massnahmen im «Too big to fail»-Dispositiv zur Verhinderung von weiteren staatlichen Rettungen. Zur Rolle der Bankenaufsicht erinnerte sich Ackermann an den Übergang bei der Zuständigkeit für die Aufsicht über die Deutsche Bank von der Bafin zur EZB in 2014 und die dabei massiv erhöhten Anforderungen der EZB.

Ackermann sprach auch dazu, dass sich die Aufsicht von Banken und Versicherungen grundsätzlich unterscheiden. Dass Anleger «über Nacht und per Knopfdruck» Milliarden an Vermögen abziehen, gebe es bei den Versicherungen nicht. 

Notwendigkeit von Schulungen für Verwaltungsratsmitglieder

Als ehemaliger Verwaltungsratspräsident der Zurich Versicherung hob Ackermann die Unterschiede innerhalb der Finanzbranche hervor – die Geschäftsmodelle von Banken und Versicherungen seien grundverschieden. Er hält es denn generell auch für wichtig, dass VR-Mitglieder spezifisches Wissen und einschlägige Erfahrungen einbringen – bei Bedarf ergänzt durch Schulungen und Weiterbildungen. 

Bedenken über den gesellschaftlichen Zusammenhalt

Abschliessend äusserte sich der frühere Deutsche-Bank-Chef zur politischen Situation in Deutschland und verwies auf den geringen Handlungsspielraum einer Regierung mit so unterschiedlichen Parteien. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte er einen «feinen Menschen», den er persönlich kenne und schätze. Gleichwohl betonte Ackermann dass es in Deutschland an Wachstum fehle und es dringend Investitionen in die Infrastruktur benötige. Auch die enormen Herausforderungen, die auf der Ampelkoalition lasten und die sozialen Spannungen gaben zu denken. «Ich muss schon sagen: Da fühlt man sich ein wenig unsicher.»