Nach geltendem Obligationenrecht müssen kapitalmarktorientierte oder Finma-unterstellte Unternehmen ab einer definierten Grösse einen Bericht über nichtfinanzielle Belange erstellen, erstmals für das Geschäftsjahr 2023. Dieser Bericht umfasst verschiedene ESG-Aspekte: Umweltbelange, insbesondere CO2-Ziele, Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung der Korruption. Der Verwaltungsrat, der nicht oder falsch berichtet, kann sich strafbar machen.
Der Bundesrat «pusht» nun mit der «Verordnung über die Berichterstattung über Klimabelange» die Anwendung der Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD). Die TCFD ist ein internationales Gremium, das mit Unterstützung der G20-Mitglieder (Financial Stability Board) gegründet wurde. Sie erliess im Juni 2017 Empfehlungen zur finanziellen Klimaberichterstattung.
Bundesrätliche Verordnung – das bedeutet sie
Aus der Sicht der schweizerischen Unternehmen ist es zu begrüssen, dass der Bundesrat die Klimaberichterstattungspflicht konkretisiert. Das bringt Rechtssicherheit. Richtig ist auch, dass sich die Schweiz an internationalen Standards ausrichtet.Die bundesrätliche Lösung erlaubt Flexibilität. Der Bundesrat erklärt TCFD nicht zur Pflicht. Unternehmen, die nach den Empfehlungen der TCFD Bericht erstatten profitieren von der Vermutung, dass die Pflicht zur Berichterstattung über Umweltbelange im Bereich der Klimabelange (und nicht im weiteren Bereich der Umweltbelange) erfüllt ist. Die Unternehmen können alternativ nachweisen, dass sie die Pflicht zur Klimaberichterstattung auf andere Weise erfüllen (z.B. nach dem GRI Standard, «IFRS/ISSB S2 Climate-related Disclosures» oder «ESRS E1 Climate Change»), oder erläutern, inwiefern sie im Bereich der Klimabelange kein Konzept verfolgen («Comply or Explain»-Prinzip).
Risk Management: Nachhaltigkeit rückt ins Zentrum
Der Standpunkt von Rechtsanwalt Martin Eckert, Partner bei MME, bildet den Auftakt zu einer losen Reihe von Artikeln, die von unterschiedlichen Seiten beleuchten, welchen Einfluss das Thema Nachhaltigkeit auf Unternehmen hat und weshalb Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema für Risk Manager ist.
Für Unternehmen hat die TCFD Berichterstattung, die in den Bericht über nichtfinanzielle Belange zu integrieren ist, eine direkte Auswirkung auf das ESG-Rating.
TCFD-Berichterstattung macht Druck auf Unternehmen
Vorab gilt es nüchtern festzuhalten, dass die Berichterstattung über Klimabelange der Umwelt direkt nichts bringt.
Ziel der weltweiten Transparenzbestrebungen ist es, dass die Unternehmen bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima präziser Rechenschaft ablegen müssen und dadurch vergleichbar werden. Indirekt erzeugt dies Druck auf die Unternehmensführungen, ihr Umweltverhalten anzupassen und sich insbesondere CO2-Senkungsziele zu setzen. Die Erwartung ist, dass die Anleger und die Finanzmärkte positiv auf «grüne» Unternehmen reagieren. Ob diese gesetzgeberische Strategie umweltwirksam ist, kann erst in ein paar Jahren geprüft werden.
TCFD soll Transparenz verbessern
TCFD verfolgt nicht in erster Linie Umweltziele, sondern die Empfehlungen sollen die Transparenz auf den Finanzmärkten verbessern. Der Zweck der TCFD ist es, «dabei zu helfen, die Informationen zu identifizieren, die von Investoren, Kreditgebern und Versicherungsunternehmen benötigt werden, um klimabezogene Risiken und Chancen angemessen zu beurteilen und zu bewerten.» Die TCFD-Empfehlungen beruhen auf der sogenannten (einfachen) finanziellen Materialität bzw. Wesentlichkeit.
Der Bundesrat zieht jedoch den Kreis weiter. Klimabelange umfassen gemäss der Definition in der Verordnung nicht nur die (finanziellen) Auswirkungen des Klimas auf Unternehmen, sondern auch die Auswirkungen der Tätigkeit von Unternehmen auf das Klima (sog. doppelte Materialität bzw. Wesentlichkeit). Wenn der Bundesrat eine Berichterstattung auf der Basis TCFD genügen lässt, so steht das in einem Widerspruch zur Definition.
ESG-Rechtsentwicklung bleibt dynamisch
Die Rechtsentwicklung, insbesondere in der EU, ist im Bereich ESG höchst dynamisch. Die Schweiz wird unter Druck kommen, EU-Regelungen autonom nachzuvollziehen. Für die Unternehmen ist daher Weitblick gefragt, um künftig kostspielige Anpassung der Berichterstattungssysteme zu vermeiden. Es empfiehlt sich, die für die Berichterstattung aufzuarbeitenden Daten und KPI auf der Basis des GRI Standards, der die doppelte Materialität berücksichtig, vorzunehmen. Vom Gesetzgeber sind prinzipienbasierte Vorgaben erwünscht, damit die Unternehmen auf internationale Standards flexibel reagieren können.
Von der Berichterstattungspflicht befreit sind in der Schweiz Unternehmen, die von einem Unternehmen kontrolliert werden, das einen gleichwertigen Bericht nach ausländischem Recht erstellen muss. So werden Doppelspurigkeiten vermieden. Diese Regel kennen jedoch nur wenige ausländische Rechtsordnungen. Der Bundesrat sollte darauf hinwirken, dass die gegenseitige Anerkennung von Berichten zum internationalen Standard wird.
Die Schweiz ist auf Kurs. Der Bundesrat sollte an internationalen Standards festhalten, aber den Unternehmen bei der Wahl der Standards möglichst viel Flexibilität lassen.
1 Kommentar
Wie kommen wir dazu, ein solch unsinniges Bürokratiemonster zu schaffen? Die Aufgabe der VR ist das optimale Vorankommen der Firma und deren Aktionäre; nicht aber kostbare Resourcen für solche 'blabla'-Leerläufe zu verschwenden und so bloss Kosten zu generieren.
Und wieso z.B. ausgerechnet mit Bezug auf das natürlich in der Natur notwendige Gas CO2 (Fotosynthese) und nicht, wenn schon, bezüglich echter Schadstoffe? Das (Makro-) Klima ist und bleibt ohnehin ausschliesslich durch Gott gemacht und gesteuert; eine blosse Anmassung und Ueberheblichkeit der heutigen Menschheit zu behaupten, daran etwas ändern zu können. Und glaubt ein rational denkender Mensch abgesehen davon tatsächlich, so irgend etwas am Klima ändern zu können, etwa gar mit solch kostpieligen 'Berichten' und sonstigen kontraproduktiven 'links-grünen' Leerläufen?