Aktuelle Zahlen für Januar und Februar weisen bei den Krankenkassenkosten pro Versichertem eine Zunahme um 7,5 Prozent aus. Treiber sind insbesondere die Medikamentenabgabe und Pflegeleistungen in Heimen. Obwohl die ausgewertete Zeitspanne noch kurz ist, zeigte sich Santésuisse-Direktorin Verena Nold von den Werten beunruhigt.
Die Krankenkassen hätten schon letztes Jahr 1,5 Milliarden Franken Verlust gemacht. «Nun ist nicht mehr genügend vorhanden, um die Löcher zu stopfen», sagte Nold im Interview mit SonntagsBlick. Bald könnten sich Normalverdienende die Krankenkassenprämien nicht mehr leisten.
Der Bundesrat habe letztes Jahr eine politische Prämie festgelegt, die ungenügend sei. «Irgendwann holt einen das ein. Wir hätten bereits die Prämien für 2023 um zehn Prozent erhöhen müssen», so Nold.
Nold: Nicht jedem Kleinspital Leistungsaufträge erteilen
Vor allem die gestiegenen Arzneimittelkosten und die vielen verschriebenen Medikamente bereiteten Sorgen. Nold forderte, dass Behandlungen, die nachweislich keinen Nutzen brächten, aus dem Leistungskatalog gestrichen werden. «Wenn wir unser System nachhaltig finanzierbar gestalten wollen, müssen wir effizienter werden.» Dazu müssten die Kantone strenge Kriterien bei den Spitälern anwenden und nicht mehr «jedem Kleinstspital sämtliche Leistungsaufträge erteilen».
Die Krankenkassenprämien hatten sich von 2022 auf 2023 schlagartig um durchschnittlich 6,6 Prozent erhöht. Schuld waren die Covid-19-Pandemie und die aus ihr resultierenden Nachholeffekte. Die mittlere Prämie für Erwachsene stieg laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf 397,20 Franken im Monat. Die Prämie für junge Erwachsene verteuerte sich um 6,3 Prozent auf 279,90 Franken im Monat. Und die Prämien für Kinder stiegen um 5,5 Prozent auf durchschnittlich 105 Franken.
Nold sagt weiter: «Wenn wir nichts unternehmen, fahren wir das Gesundheitssystem an die Wand.» Wie sehr die steigenden Prämien Familien in der Schweiz belasten, zeigt das neue Familienbarometer von Pax und Pro Familia eindrücklich. Die Themen Krankenkassenprämien und Gesundheit beschäftigen die Befragten eindeutig am meisten. Wohnkosten, Inflation oder Klimawandel rangieren in der Auflistung erst weiter hinten.
Inflation sinkt im März
Konkret sank die Jahres-Inflation im März auf 2,9 Prozent von 3,4 Prozent im Februar, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) diese Woche mitteilte. Sie war in den ersten beiden Monaten 2023 u.a. wegen höheren Strom- und Flugpreisen deutlich angestiegen, nun notiert sie wieder gleich hoch wie im letzten Dezember. Den (bisherigen) Höhepunkt hatte die hiesige Inflation im letzten August bei 3,5 Prozent erreicht.
Ganz überraschend kommt der Rückgang zwar nicht, aber er war doch etwas stärker als erwartet. Von AWP befragte Ökonomen hatten die März-Inflation im Bereich von 3,0 bis 3,3 Prozent geschätzt.
Mit dem aktuellen Wert bleibt die Schweiz mit ihren Teuerungsraten zudem weiterhin deutlich unter denjenigen der Eurozone oder den USA, wo zuletzt Werte von 6,9 Prozent bzw. 6,0 Prozent (Februar) ausgewiesen wurden. Die Inflation war zuletzt aber auch in diesen Regionen zumeist deutlich rückläufig.
Rückgang stärker als erwartet
Ökonomen hatten den Anstieg Anfang Jahr tendenziell unterschätzt, nun aber auch den Rückgang unterschätzt. Entsprechend ist die Beunruhigung nach den Januar- und Februarzahlen nun wieder einer nüchterneren Einschätzung der Gesamtsituation gewichen. Die Daten signalisierten, dass die Zweitrundeneffekte nach dem starken Preisanstieg bislang moderat geblieben seien, meint etwa Karsten Junius von Safra Sarasin. Ähnlich sieht dies David Kohl von Julius Bär: Anzeichen einer Preisspirale seien nicht erkennbar.
Dass die Inflation zum Jahresbeginn stärker als erwartet angestiegen ist, begründet Alexander Koch von Raiffeisen vor allem damit, dass Unternehmen wohl vermehrt die Gelegenheit für Preisanpassungen genutzt hätten. Daher sei nun im März die Beruhigung stärker ausgefallen als erwartet. Die Bekleidungs- und Reisepreise seien zwar im Monatsvergleich saisonüblich angestiegen, dafür sei die Preisdynamik in vielen anderen Kategorien wieder schwächer ausgefallen.
SNB dürfte trotz höherer Krankenkassenkosten aufatmen
Auch die Schweizerische Nationalbank dürfte die Zahlen mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt haben und entsprechend nun ebenfalls ruhiger in die Zukunft schauen. Die Bekämpfung der Inflation betreibt sie bekanntlich vor allem mit Zinserhöhungen. So hat sie in den letzten neun Monaten ihren Leitzins vier Mal erhöht von -0,75 auf zuletzt 1,5 Prozent.
Die jetzigen Inflations-Daten sprächen dafür, dass sie es bei der nächsten Lagebeurteilung bei einer kleinen Zinserhöhung von lediglich 25 Basispunkten belassen könne, meinen etwa Koch von Raiffeisen und Junius von Safra Sarasin. Die UBS geht ebenfalls von einem Anstieg um 25 Basispunkten im Juni aus, danach dürfte die SNB für den Rest des Jahres auf weitere Zinserhöhungen verzichten. Zinssenkungen hingegen dürften wohl erst 2024 ein Thema werden, so die UBS.
Demnach könnte es sich bei den stark steigenden Krankenkassenkosten um ein isoliertes Problem handeln, da die Tarife im Gesundheitswesen meistens einmal pro Jahr angehoben werden. (awp/hzi/hoh)