Künstliche Intelligenz (KI) ist bei den Versicherungsgesellschaften auf dem Vormarsch. Gemäss einer Versicherungsspezialistin eines Beratungsunternehmens gibt es bereits viele Pilotversuche, diese werden aber noch nicht skaliert. 

Zu den Vorreitern in Sachen KI gehört Baloise. «Aufgrund der datenbasierten Geschäftsmodelle sind punktuelle KI-Lösungen bei uns bereits in vielen Bereichen im Einsatz», bestätigt Group CTO Alexander Bockelmann. «Der Trend wird sich in Zukunft weiter verstärken, unter anderem auch weil viele moderne Softwarelösungen KI bereits integrieren.» Diese würden immer reifer, aber Experten-Know-how sei nach wie vor notwendig und die Anwendung eng begrenzt, so Bockelmann. Limitierend sei häufig der Trainingsaufwand und der hierfür notwendige Datensatz zur Optimierung von KI-Algorithmen.

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Baloise: Branchenführerin in Sachen KI

Breit genutzt wird KI laut Baloise-Sprecherin Nicole Hess bereits zur Effizienzsteigerung interner Prozesse. So wird die Eingangspost (Briefe und an Zentraladressen adressierte Mails) seit 2007 mittels Dunkelverarbeitung digitalisiert und vorsortiert. Durch das jahrelange Weiterentwickeln und Trainieren der Software können die einzelnen Dokumente mittlerweile nicht nur nach Dokumenttyp (Adressänderung, Rechnung, Kündigung, Polizeirapport usw.) erkannt und an die entsprechende Stelle weitergeleitet werden, sondern ganze Prozesse teilweise end-to-end mittels Dunkelverarbeitung ohne Interaktion des Fachbereichs abgeschlossen werden. «Mit einer bis zu 70-prozentigen Automatisierung sind wir weltweit branchenführend, gewähren zahlreichen Firmen im Dienstleistungssektor regelmässig Einblick ins Thema und führen sie auch in dieses ein», erklärt Nicole Hess. 

Mit der Online-Schadenmeldung wird bei Baloise auch der Schadenmeldeprozess vorbearbeitet, sodass der Fachbereich nur bedingt bzw. später involviert wird. Unter künstliche Intelligenz fällt auch die automatische Spracherkennung der Telefon-Hotline. Dank dieser werden Kundinnen und Kunden bei Nennung ihres Anliegens direkt an die korrekte Anlaufstelle weitergeleitet.

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Zusammenarbeit mit Startup

Im Bereich Asset Management arbeitet Baloise mit dem Startup Brainalyzed zusammen und integriert die gewonnenen Erkenntnisse direkt ins Tagesgeschäft. So wird KI im Investment Research eingesetzt, hier insbesondere bei der Voranalyse von Unternehmensberichten und der Analyse von umfangreichen Mengen an Finanzdaten. Mittelfristig soll KI auch im Bereich ESG Researchs und im Wertpapierhandel zum Einsatz kommen. Im Hinblick auf eine längerfristige Nutzung testet das Asset Management den KI-Einsatz zudem für Marktresearch.

Des Weiteren kommen KI-Lösungen auch im Internet-Security-Bereich zum Einsatz. «Eine Software analysiert alle Netzwerkverbindungen innerhalb des Unternehmens in Echtzeit und trainiert ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Modell zum Aufspüren auffälliger oder ungewöhnlicher Netzwerk-Aktivitäten», beschreibt Nicole Hess das Vorgehen. Zusätzlich würden alle Netzwerk-Aktivitäten direkt auf bekannte Bedrohungsmuster geprüft. Diese stammen ebenfalls aus einem KI-Modell, das durch den Hersteller mithilfe von bei Cyberangriffen gesammelten Netzwerk-Daten trainiert wurde.

Axa: KI in allen Bereichen auf dem Vormarsch

Auch Axa räumt KI «einen sehr hohen Stellenwert ein», wie Sprecher Lorenz Heinzer sagt. Man wolle bei Axa mit KI den Kunden in der Prävention, in der nahtlosen und möglichst einfachen Abwicklung von Kundenanliegen sowie in der auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Produktgestaltung unterstützen  Intern unterstütze KI die Automation von Prozessen und die Betrugsbekämpfung.

KI im erweiterten Sinn setzt Axa laut Sprecher Heinzer querbeet über die ganze Wertschöpfungskette der Versicherung ein. Dabei kämen vielerorts altetablierte Algorithmen zum Einsatz, welche bewährt und erklärbar sind. «Tiefe neuronale Netzwerke» seien hingegen noch nicht so etabliert, was Erklärbarkeit und Fehleranfälligkeit anbelange.

Helvetia: KI entlang der gesamten Wertschöpfungskette

Für Helvetia sind Daten ein wichtiger Teil der Wettbewerbsfähigkeit, wie Helvetia-Sprecher Jonas Grossniklaus erläutert. Dabei müssten aber der Datenschutz, die sichere und nicht zweckentfremdete Verwendung von Kundeninformationen sowie auch Compliance-Themen beachtet werden. Laut eigenen Angaben setzt Helvetia KI in mehreren Bereichen ein: 

  • Bei der Schadenbearbeitung im Nicht-Leben: Prüfung der Kostenvoranschläge von Reparaturbetrieben durch ein ständig lernendes Modell. Das Ziel: schnellere Bearbeitung des Schadenfalls und faire Konditionen. 
  • Bei der Selektion von Kunden für Massnahmen der Marktbearbeitung. Das Ziel: Ermöglichung einer zielgenauen Ansprache.
  • Bei der automatischen Erkennung von relevanten Kennzahlen aus Firmenbilanzen im KMU-Geschäft Nicht-Leben.
  • Beim «intelligenten» Chatbot für Kundenanfragen auf der Website.

«Je nach Anwendungsgebiet ist die Reife von künstlicher Intelligenz sehr unterschiedlich ausgeprägt», so Grossniklaus. «Dort, wo viele qualitativ hochwertige Daten und die Infrastrukturvoraussetzungen existieren, kann KI für den Kunden einen Mehrwert schaffen.» Mittelfristig stehen die Bereiche Nicht-Leben, Leben, Asset Management, Kundenanalytics und IT im Fokus. «Wir denken zum Beispiel an vollautomatische Entscheidungen durch künstliche Intelligenz in gewissen Bereichen, eine End-to-end-Dunkelverarbeitung oder einen Einsatz in der Interaktion mit den Kunden.» Mittel- und längerfristig soll KI bei Helvetia entlang der gesamten Wertschöpfungskette verankert werden.

Mobiliar: Bilderkennung und Unterstützung der Mitarbeitenden

«Künstliche Intelligenz hilft uns dabei, datenbasiert zu handeln, Mitarbeitende in ihrer Arbeit zu unterstützen und Kundinnen und Kunden einen Mehrwert zu bringen», fasst Sprecherin Kim Allemann die Sichtweise der Mobiliar zusammen. Technologien wie Natural Language Processing (NLP) würden als reif eingeschätzt und entsprechend genutzt. Konkrete Anwendungen gibt es für die Analyse von Kundenrückmeldungen und die Betrugserkennung im Rahmen der einfachen Schadenabwicklung. 

Mittelfristig will die Mobiliar die einfache Schadenabwicklung und die Bilderkennung speziell von beschädigten Fahrzeugen oder die Analyse von Kundenfeedbacks auf KI umstellen. Das Mobiliar Lab für Analytik an der ETH Zürich forsche zum Thema «Verantwortungsvolle digitale Interaktionen». «Damit wollen wir einen positiven Beitrag zur digitalen Weiterentwicklung der Gesellschaft leisten.»

Zurich: Marktdifferenzierung durch KI 

Für Zurich ist der ethisch korrekte Einsatz von KI zentral. «Wir stellen dabei sicher, dass diese zum Vorteil von Kundinnen und Kunden genutzt wird», betont Sprecher Kay Schubert. «Alle Entscheidungen sind erklärbar und können im Zweifel durch menschliche Mitarbeitende übersteuert werden. Unsere Algorithmen sind nicht diskriminierend und wir halten unser Datenschutzversprechen jederzeit ein.» 

Neben Automatisierungs- und Effizienzthemen steht vor allem die Schaffung von marktdifferenzierenden Kundenservices und Arbeitserlebnissen für die Mitarbeitenden im Vordergrund. «Je nach Problemstellung eignen sich momentan Lösungen in den Bereichen Robotics, API mit Kunden, Weiterentwicklung oder Integration von bestehenden Systemen besser», sagt Schubert. KI sei aktuell bei einfacheren Prozessen mit sich mehrheitlich wiederholenden Schritten und Inhalten eine grosse Unterstützung. Gewisse Grenzen gebe es jedoch im Commercial-Bereich, beispielsweise bei einer zu grossen Komplexität oder der Kombination von unterschiedlichen Sprachen. 

Virtuelle Karriereberater

Im Schadenbereich unterstützen Chatbots die Zurich-Kunden bei Deckungsfragen. Firmenkunden werden zudem mit individuellen Risikoanalysen bei der Schadenvermeidung unterstützt. «Dank intelligenten Bilderkennungsverfahren können Motorfahrzeug-Offerten innerhalb von wenigen Sekunden auf Basis eines Fotos des Fahrzeugausweises erstellt werden», so Schubert. «Im HR unterstützen virtuelle Karriereberater die Mitarbeitenden in ihrer Weiterentwicklung.» 

Für die Zukunft prüft die Zurich die Anwendung in weiteren Commercial-Insurance-Bereichen. Konkret betrifft das beispielsweise die E-Mail-Triagierung im Bereich International Servicing sowie die Unterstützung im Underwriting-Prozess.

Dieser Artikel erschien zuerst am 30. Juni 2021. Die Informationen zu Axa wurden nachträglich ergänzt.