Die Solvenzquote sei von 199 Prozent auf 245 bis 255 Prozent gestiegen, sagte Uwe Ludka, der dem Ausschuss Finanzregulierung beim Branchenverband GDV vorsitzt, am Freitag in Berlin. Einschliesslich der Übergangsregelungen, die sich die Lebensversicherer noch bis 2032 anrechnen lassen dürfen, liege sie sogar bei 450 bis 460 (2020: 376) Prozent. Die Lage habe sich damit deutlich entspannt. «Wir haben uns als Lebensversicherungsindustrie an das Umfeld angepasst», sagte Ludka. Die binnen zehn Jahren aufgebaute Zinszusatzreserve von 98 Milliarden Euro habe dazu ebenso beigetragen wie die Umstellung des Neugeschäfts auf Produkte mit weniger Garantien.
Die Solvenzquote ist ein wichtiger Massstab für die Belastbarkeit der Versicherer. Sie gibt an, inwieweit sie ihre versprochenen Leistungen auch in einem Negativszenario erfüllen könnten, wie es die Branche rechnerisch alle 200 Jahre trifft. Von den stärker am Risiko ausgerichteten Solvency-II-Regeln der EU, die seit 2016 gelten, sind die deutschen Lebensversicherer wegen ihrer langfristigen Garantiezusagen besonders belastet. Die deutschen Schaden- und Unfallversicherer stehen – ohne die Übergangsregeln – besser da: Ihre Solvenzquote lag – trotz der milliardenhohen Schadenbelastung durch die Sturzfluten im Westen Deutschlands und Hagelunwetter laut GDV nach Hochrechnungen Ende 2021 bei 265 bis 270 (2020: 285) Prozent.
Die EU-Kommission arbeitet bereits an einer Reform von Solvency II. Sie würde die deutschen Lebensversicherer wegen der Langfristigkeit ihres Altersvorsorge-Geschäfts laut GDV deutlich stärker treffen als Versicherer in anderen europäischen Ländern. Denn die EU will vor allem an der Festsetzung der langfristigen Zinsen schrauben, mit denen die Unternehmen ihre Leistungen kalkulieren müssen. Denn für Laufzeiten von 20 Jahren und mehr gibt es kaum Papiere am Markt, an denen sie sich orientieren können. Während die Versicherer EU-weit infolge der Reform mit acht Milliarden Euro entlastet würden, droht den deutschen Lebensversicherern laut Ludka ein zusätzlicher Kapitalbedarf in ähnlicher Höhe. Der GDV dringt deshalb auf Änderungen.
Noch in diesem Jahr soll sich das EU-Parlament mit der Reform befassen. Im besten Fall könnte die neuen Regularien bis Mitte 2023 auf EU-Ebene stehen. Dann haben die Mitgliedstaaten 18 Monate Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen. Anwenden müssten die Versicherer sie damit frühestens für das Jahr 2024. (reuters/hzi/sec)