Paul Murray, CEO von Life & Health Reinsurance bei Swiss Re sagt gemäss einem Communiqué: «Die Generation der Babyboomer geht zu einer Zeit in den Ruhestand, in der höhere Zinsen den Versicherungsmarkt für Sparprodukte wiederbeleben. Das ist eine günstige Konstellation. Denn Menschen in dieser Lebensphase suchen vor allem ein stabiles und sorgenfreies Einkommen, und die Versicherungswirtschaft kann diese Nachfrage bedienen. Aufgrund des anhaltend hohen Zinsniveaus in den USA dürften die weltweiten Lebensversicherungsprämien bis 2035 auf 4,8 Bio. USD steigen, verglichen mit 3,1 Bio. USD im Jahr 2024.»
Rekordabschlüsse in den USA, hohe Nachfrage in China
Weltweit nutzen die Verbraucher die immer noch hohen Zinsen aus. Am stärksten ist der Wachstumstrend in den USA, wo der Abschluss von Einzelrentenversicherungen 2024 einen neuen Rekord von über 400 Mrd. USD erreichen dürfte, weit über dem Schnitt der letzten zehn Jahre in Höhe von 234 Mrd. USD.
In Grossbritannien dürfte die Nachfrage nach Rentenversicherungen mit fester Verzinsung 2024 ebenfalls hoch bleiben und dann in den Jahren 2025 und 2026 nachlassen. In China hat die zu erwartende Senkung der Garantiezinsen für Sparprodukte die Abschlüsse angekurbelt. Da längerfristige Sparprodukte attraktiv sind, dürfte diese hohe Nachfrage mittelfristig anhalten.
In den Industrieländern werden die Verbraucher dem sigma-Bericht zufolge in den kommenden zwei Jahren durch rückläufige Leitzinsen zunehmend von festverzinslichen Rentenversicherungen auf indexgebundene Policen umsteigen. In Europa steigt der Abschluss fondsgebundener Versicherungen 2024 stark an, insbesondere in Italien und Frankreich. Nach Einschätzung des Swiss Re Institute wird sich dieser Trend ab 2025 auf die USA und andere Märkte ausweiten. Bei indexgebundenen Policen ist die Rendite an einen bestimmten Börsenindex gekoppelt. Fondsgebundene Produkte investieren hingegen in Aktien‑, Anleihen- oder Mischfonds und bieten gleichzeitig einen Lebensversicherungsschutz.
Risikolebensversicherung wächst stabil, aber unter Langfristtrend
Das Geschäft mit Risikolebensversicherungen ist in den letzten Jahren gleichmässiger gewachsen als das Spargeschäft. Das Swiss Re Institute prognostiziert hier für 2025 und 2026 ein jährliches Prämienwachstum von 2,7 Prozent, was unter dem langfristigen Trend von 3,7 Prozent pro Jahr im Zeitraum 2014 bis 2023 liegt. Die Nachfrage nach Produkten zur Risikoabsicherung reagiert im Allgemeinen weniger stark auf Zinsänderungen, und Tarifanpassungen setzen sich langsamer durch, aber es besteht weiter die Chance, das Geschäft auszubauen.
Auf den europäischen Märkten besteht dem sigma-Bericht zufolge eine robuste Nachfrage nach Invaliditäts- und Pflegeversicherungen. Voraussichtlich wird die Nachfrage nach Risikoabsicherung durch zyklische Faktoren wie Verbesserungen an den Hypothekenmärkten und durch strukturelle Trends wie steigende Gesundheits- und Pflegekosten, eine alternde Bevölkerung sowie attraktive Produktbündelungen bestimmt. In den USA dürfte der Abschluss von Einzellebensversicherungen stagnieren, während der Abschluss von Kollektivlebens- und Krankenversicherungen aufgrund hoher Beschäftigungsniveaus und Lohnzuwächse etwas robuster ist.
Mehr Gewinn, weniger Prämienwachstum
Nachdem Risiken aufgrund gestiegener Schäden neu bewertet wurden, rechnet das Swiss Re Institute für 2024 mit einem weltweiten Prämienwachstum im Nichtlebengeschäft von 4,3 Prozent, dem höchsten seit zehn Jahren. In den nächsten zwei Jahren dürfte das Prämienwachstum nachlassen, wobei für die weltweiten Nichtlebenprämien ein reales jährliches Wachstum von 2,3 Prozent prognostiziert wird, was unter dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre von 3,1 Prozent liegt.
Weitere Verbesserungen der Anlageergebnisse aufgrund der anhaltend höheren Zinsen dürften die Gesamtprofitabilität der Nichtlebenversicherer stützen. Für die sechs grössten Nichtleben-Versicherungsmärkte rechnet das Swiss Re Institute für 2025 und 2026 mit einer branchenweiten Eigenkapitalrendite (ROE) von 10 Prozent, was die Kapitalkosten übersteigen würde.
Solides Wachstum der Weltwirtschaft mit grossen regionalen Unterschieden
Die Weltwirtschaft dürfte weiterhin mit solidem Tempo wachsen. Das Swiss Re Institute prognostiziert für 2025 und 2026 ein weltweites reales BIP-Wachstum von 2,8 Prozent bzw. 2,7 Prozent, verglichen mit durchschnittlich 3,1 Prozent in den zehn Jahren vor der Pandemie. Es gibt jedoch erhebliche regionale Unterschiede, und angesichts der gestiegenen geopolitischen Spannungen und handelspolitischen Unsicherheiten ist das Risiko ungünstiger Szenarien hoch.
Jérôme Jean Haegeli, Group Chief Economist von Swiss Re: «Die Inflationsrisiken haben zugenommen, und die Zinssenkungen insbesondere in den USA könnten hinter den bisherigen Annahmen zurückbleiben angesichts des Wahlausgangs und der weiterhin starken Wirtschaft. Die nach wie vor hohen Zinsen sollten den Erstversicherungsmärkten, vor allem im Lebengeschäft, weiteren Auftrieb geben. Doch in einem fragilen gesamtwirtschaftlichen Umfeld und mit der volatilen geopolitischen Lage steigt das Risiko negativer makroökonomischer Szenarien. Für die Versicherungswirtschaft wird es wichtig sein, frühzeitig und aktiv zu beobachten, wie sich diese Szenarien entwickeln.»
Unterschiedliche Entwicklungen in den USA, Europa und China
Der Ausgang der US-Wahl 2024 könnte dazu führen, dass sich Wachstum, Inflation und Leitzinsen der einzelnen Länder in den nächsten zwei Jahren stärker auseinanderentwickeln. Die Sonderstellung der USA mit ihrem hohen Wirtschaftswachstum dürfte bestehen bleiben, auch wenn sich die sequenziellen Wachstumsraten abschwächen. Dem sigma-Bericht zufolge wird das reale BIP der USA im Jahr 2024 um 2,8 Prozent, 2025 um 2,2 Prozent und 2026 um 2,1 Prozent zunehmen. Gestützt wird dieses Wachstum durch die nach wie vor gute Ausgangslage für den US-Konsum: Das Nettovermögen erreicht fast Rekordhöhen und ist im Vergleich zum Vorpandemieniveau (2019) um etwa 50 Bio. USD gestiegen. Zudem weisen jüngste BIP-Korrekturen darauf hin, dass die Ersparnisse höher sind als bisher veranschlagt.
Den europäischen Volkswirtschaften könnten die zunehmenden globalen Handelsspannungen und die daraus resultierende Unsicherheit überproportional schaden. Voraussichtlich wird Europa im Vergleich zur Entwicklung in den USA und auch zum eigenen Wachstumstrend vor der Pandemie schwächer abschneiden. Das Swiss Re Institute rechnet im Euroraum für das Jahr 2024 mit einem Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent, für 2025 von 0,9 Prozent und für 2026 von 1,1 Prozent, wobei die Abwärtsrisiken überwiegen.
Da für die chinesische Wirtschaft in den kommenden Jahren eine strukturelle Abschwächung erwartet wird, dürfte Chinas reales BIP-Wachstum 2025 auf 4,6 Prozent und 2026 auf 4,1 Prozent zurückgehen. Die jüngste geldpolitische Lockerung und die im Herbst angekündigten Konjunkturpakete dürften dazu beitragen, die Stimmung in der Wirtschaft kurzfristig zu verbessern, aber wohl nicht die längerfristigen Strukturprobleme lösen. (pd/hzi/hoh)