Herr Natoli, was kennzeichnet einen wirklich innovativen Broker Ihrer Meinung nach?
Ein innovativer Broker zeichnet sich dadurch aus, dass er bestehende und bewährte Geschäftsprozesse hinterfragt und unkonventionelle Lösungsansätze konzipiert. Durch die Digitalisierung und digitale Transformation müssen Broker verstärkt innovative Geschäftsmodelle entwickeln und interne Prozesse automatisieren. Wir spüren bei unseren Mitgliedern den Willen, auf genau solche Lösungsansetze hinzuarbeiten, die für den Kunden schlussendlich einen Mehrwehrt generieren.
Die praktische Umsetzung von Innovationen ist nicht leicht. Mit welchen Hürden und Problemen muss man rechnen?
Je nach Unternehmensgrösse fallen eine Reihe von Hürden an. Broker sind in mancher Hinsicht gleich dreifach gefordert: Steigender Druck auf den Margen, wirtschaftsfeindliche Regulierungen und zunehmende Digitalisierung. Weitere Probleme können der grosse Kostendruck sein, ein oftmals in die Jahre gekommenes IT-System oder einfach der fehlende Wille, digitale und innovative Lösungen zu konzipieren. Versicherungsbroker dürfen sich nicht in falscher Sicherheit wiegen – der Transformationsprozess wird auch vor ihrer Geschäftstätigkeit nicht haltmachen. Bei unseren Mitgliedern mache ich mir aber keine Sorgen, viele von ihnen haben seit Jahren die Notwendigkeit von Innovationen erkannt und gehandelt.
Innovationspreis der Schweizer Assekuranz:
Die Branchenplattform HZ Insurance, das Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen, der Schweizerische Brokerverband SIBA, die Swiss Association of Insurance and Risk Managers SIRM, das Prüfungs- und Beratungsunternehmen EY Schweiz sowie Microsoft Schweiz, haben am 11. November 2021 bereits zum 23. Mal den Innovationspreis der Schweizer Assekuranz verliehen.
Welche konkreten Handlungsempfehlungen zur Lösung dieser Hürden können Sie der Branche aufzeigen?
Es wäre schön, wenn wir dafür ein vorgefertigtes Drehbuch hätten – dieses gibt es jedoch nicht. Als Verband beobachten wir seit langem die Veränderungen auf dem Markt und gehen strategische Partnerschaften und Kooperationen ein, z. B. mit der IG B2B. Hervorzuheben ist das EcoHub-Projekt, mit welchem die IG B2B den Markteilnehmern eine interaktive Onlineplattform zur Verfügung stellt. Solche partnerschaftlichen Projekte erhöhen die Investitionssicherheit und die Umsetzungsgeschwindigkeit. Innovationen finden selten allein statt, sondern sind auf vernetztes Denken angewiesen.
Wo sehen Sie im Zusammenhang mit Innovation weitere Herausforderungen auf die Assekuranz/Broker zukommen?
Der Versicherungsbranche wird unberechtigterweise das Attribut zugewiesen, sie sei verstaubt und innovationsavers. Gerade die Assekuranz als Ganzes beschäftigt sich seit Jahren mit der digitalen Transformation und investiert erhebliche Summen im Bereich Insur- und Fintech.
Das Konkurrenzumfeld wird sich markant verändern. Tech-Giganten wie Amazon oder Google haben schon länger ein Auge auf die Versicherungsbranche geworfen und werden ihr Engagement sicherlich weiter intensivieren. Herausforderungen sehen wir zunehmend im Verlust der Mensch-zu-Mensch-Interaktionen, welche durch smarte Apps, Tools und digitale Plattformen ersetzt werden. Auf lange Sicht werden klassische Aussendiensttätigkeiten vermehrt über Vergleichs- und Platzierungsplattformen laufen, allerdings nur im Retailbereich. Den Brokern kommt in Zukunft noch mehr Bedeutung zu – denn im KMU- und Industriebereich haben sich die Broker längst etabliert und bestimmen den grössten Teil des Marktes. Durch die komplexere Angebotspalette, mit welcher die Unternehmenskunden konfrontiert werden, wird die zukünftige Rolle des Brokers umso bedeutender. Er übernimmt im Unternehmensbereich die Rolle eines Konsumentenschützers.
Bereits während des Studiums sammelte Marco Natoli erste Erfahrungen bei einer grossen Schweizer Versicherungsgesellschaft. Seit Juli 2020 ist der studierte Ökonom (Universität Basel und Zürich) Geschäftsführer des Verbandes Schweizerischer Versicherungsbroker (SIBA).
Kontakt: marco.natoli@siba.ch, LinkedIn.