Die Möglichkeit der freien Pensionskassenwahl wird immer wieder diskutiert – von offizieller Seite zuletzt im Jahr 2005. Schon damals kamen die Autoren der «Machbarkeitsstudie zur freien PK-Wahl» zu dem Ergebnis, dass «eine freie Pensionskassenwahl in Form einer freien Wahl eines Alterssparplanes bei weiterhin kollektiver Risikoversicherung in der Schweiz grundsätzlich möglich ist. Um die mit einer freien Wahl verbundenen positiven Effekte zu realisieren, sind jedoch verschiedene regulatorische Voraussetzungen zu erfüllen.» Eine komplett freie PK-Wahl sahen sie damals als nicht möglich an.
Es steht ausser Frage, dass eine wirklich freie PK-Wahl die Vorsorgeeinrichtungen, die Arbeitgebenden, die Versicherten und nicht zuletzt den Regulator vor neue Herausforderungen stellen würde. Viele neue Rahmenbedingungen müssten geklärt werden, zum Beispiel die Konditionen bei der Aufnahme der Versicherten, bei deren Weggang, die Abrechnung zwischen Arbeitgebenden und Pensionskassen, die zukünftige Absicherung der Risiken Invalidität und Tod und so weiter.
Die Autorin
Kerstin Windhövel, Kompetenzfeldleiterin Vorsorge, Leiterin Angewandte Forschung, Schweizerisches Institut für Finanzausbildung SIF, Zürich.
Und trotzdem. Nur weil etwas schwierig ist, darf es nicht nicht angegangen werden, wenn zugleich viele Versicherte mit «ihrer» PK unzufrieden sind, wie man in der Boulevardpresse in teilweise grotesker Argumentationsführung immer wieder lesen muss. Es ist klar, dass eine freie PK-Wahl Vor- und Nachteile mit sich bringt. Ein klarer Nachteil ist, dass die Versicherten wählen müssen. Auch diejenigen, die gar nicht wählen wollen. Auch diejenigen, die sich mit dem Thema «Pensionskasse» gar nicht befassen wollen. Ein «Es chunt scho guet» ginge dann nicht mehr. Der Nachteil für die Pensionskassen wären ebenfalls klar: Keine mitunter gesetzlich vorgegebene Beständigkeit mehr, was zu Unsicherheit führen kann und eine allfällige Sanierungsfähigkeit verschlechtert, wechselnde Kunden, unter Umständen mehr Wechsel als heute (zumindest wird das immer behauptet) und klare Konkurrenz, nicht nur bei Sammelstiftungen und Gemeinschaftseinrichtungen, sondern bei allen Pensionskassen. Die Nachteile für den Gesetzgeber sind ebenfalls definiert: Klare Leitplanken setzen, was ja nicht immer Spass machen muss.
Versicherte müssen sich befassen
Zugleich jedoch gibt es unübersehbare Vorteile, insbesondere für die Versicherten. Diese müssen sich nun mit «ihrer Wunsch-PK-Lösung» befassen. Da das Interesse gemeinhin mit der Beschäftigung steigt, liegt hier noch viel unabsehbares Potenzial. Habe ich meine PK selbst gewählt, so steigt auch die Akzeptanz. «Konkurrenz belebt das Geschäft» könnte auch bei den Pensionskassen gelten, sofern es für die Versicherten eine klar verständliche und abgrenzbare Wahlmöglichkeit gibt.
«Konkurrenz belebt das Geschäft» könnte auch bei Pensionskassen gelten.
Im PK-Bereich könnte dies – analog zur Grundversicherung bei den Krankenkassen – die klar abgegrenzte Versicherung des Obligatoriums sein, die alle Pensionskassen im gleichen Versicherungsumfang inklusive Risikoabsicherung für Invalidität und Hinterlassenenleistungen anbieten. Im Überobligatorium kann die Wahl dann mehr Freiheiten zulassen, sodass jede und jeder Versicherte individuelle Wunschleistungen zusammenstellen kann. Eine Versicherte mit mehreren Kindern wählt beispielsweise eine höhere Hinterlassenenleistung, um diese im Falle des eigenen Todes besser abzusichern, wofür auch höhere Kosten anfallen.
Nicht alle Kassen würden überleben
Dass dies nicht für alle PK angenehm wäre, steht ebenfalls ausser Frage. Noch heute sieht man einige PK mit zum Teil erschreckenden Deckungsgraden. Die Pensionskasse des Kantons Genf mit einem Deckungsgrad per 31.12.2022 von 73,10 Prozent sei nur als ein Beispiel genannt.
An diesem einen Beispiel zeigt sich, dass hier noch böse Sanierungen für die Versicherten anstehen werden und dann – im Falle einer freien PK-Wahl – vermutlich kaum jemand bei dieser oder einer ähnlich schlecht aufgestellten Kasse freiwillig versichert sein will. Käme es zu einer freien PK-Wahl, müssten diese Probleme jedoch endlich nachhaltig angegangen werden und könnten nicht mehr auf zukünftige Versichertengenerationen verschoben werden. Dass die Wechsel-Häufigkeit tatsächlich so stark steigt, wie gemeinhin befürchtet, ist unwahrscheinlich. Im Jahr 2021 haben 12,8 Prozent aller in der Schweiz beschäftigten Personen ihren Job gewechselt. Sind der neue und der alte Arbeitgeber nicht zufällig bei der gleichen Sammelstiftung angeschlossen, wurde für all diese Personen heute schon das Altersguthaben von der alten PK zur neuen PK gezügelt – auch bei denjenigen, die eigentlich mit ihrer alten PK zufrieden waren und gar nicht zügeln wollten. Dies ist auch der springende Punkt: Heute müssen Versicherte ihre PK wechseln, «nur» weil sie ihren Arbeitgeber wechseln, auch wenn sie mit dieser Kasse sehr zufrieden waren und eigentlich nicht wechseln möchten. Man muss sich schon die Frage stellen dürfen, ob dies so sinnvoll und zukunftsträchtig ist.