In der Schweiz bestimmen heute verschiedene Faktoren die Höhe der Autoversicherungsprämien. Dazu zählen zum Beispiel das Alter, das Geschlecht und die Nationalität. In der EU hingegen ist es laut Antidiskriminierungsrichtlinie verboten, Menschen wegen persönlicher Merkmale wie ihrer Herkunft oder ihrem Geschlecht unterschiedlich zu behandeln.
Eine repräsentative Umfrage des Online-Vergleichsdienstes comparis.ch zeigt nun: Auch eine Mehrheit der Bevölkerung empfindet die Berücksichtigung von Nationalität oder Geschlecht bei der Prämienberechnung als problematisch. 57,3 Prozent der Befragten sprechen sich für ein Verbot diskriminierender Kriterien bei der Berechnung der Autoversicherungsprämien aus.
Mehr Romands und Junge fordern ein Verbot
Die Zustimmung zum Verbot diskriminierender Kriterien variiert signifikant je nach Sprachregion: In der französischsprachigen Schweiz sprechen sich 64,7 Prozent der Befragten für ein Verbot aus, in der Deutschschweiz sind es nur 54,6 Prozent. In der italienischsprachigen Schweiz beträgt die Zustimmung 59,8 Prozent. Auch das Alter beeinflusst die Haltung deutlich: Bei den 18- bis 35-Jährigen liegt die Zustimmung bei 71,9 Prozent, bei den 36- bis 55-Jährigen bei 55,9 Prozent und bei den über 56-Jährigen nur noch bei 43,0 Prozent.
80 Prozent der Ausländer finden Kriterium Staatsangehörigkeit ungerecht
Die Einschätzung der Bevölkerung zu den höheren Versicherungsprämien für Ausländerinnen und Ausländer fällt kritisch aus: Laut Umfrage halten 45,4 Prozent der Befragten diese Praxis für ungerecht. 24,6 Prozent zeigen sich neutral, während 30,1 Prozent die Zuschläge als gerecht empfinden.
Es gibt aber regionale Unterschiede: In der Deutschschweiz teilen 42,9 Prozent die Einschätzung, dass die Prämien ungerecht seien. In der Romandie liegt dieser Anteil mit 51,3 Prozent deutlich höher. Auch die Wohnlage beeinflusst die Wahrnehmung. In städtischen Gebieten beurteilen 47,5 Prozent die höheren Prämien für ausländische Personen als unfair, in ländlichen Regionen sind es 38,7 Prozent.
Besonders deutlich ist das Urteil naturgemäss bei Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit: Ganze 79,4 Prozent stufen die Zuschläge als ungerecht ein.
Unfallhistorie als entscheidender Faktor
Der wichtigste Faktor, der die Prämienhöhe beeinflussen sollte, ist nach Ansicht der Umfrageteilnehmenden die Unfallhistorie bzw. die Anzahl der schadensfreien Jahre. 72,4 Prozent der Befragten halten diesen Aspekt für einen bedeutenden Faktor. An zweiter Stelle mit 64,9 Prozent liegt der Fahrzeugtyp, an dritter Stelle die Fahrpraxis mit 62,3 Prozent.
Interessant: 55,1 Prozent der Befragten erachten das Alter der Hauptlenkerin oder des Hauptlenkers als wichtigen Einflussfaktor. «Obwohl eine Mehrheit diskriminierende Kriterien grundsätzlich ablehnt, wird das Alter als Einflussfaktor oft akzeptiert. Offenbar wirkt es nachvollziehbarer als etwa die Nationalität oder das Geschlecht», sagt Comparis-Mobilitätsexperte Adi Kolecic.
Mehrheit befürwortet die individuelle Fahrsicherheit als Kriterium
54,1 Prozent der Befragten finden, dass die individuelle Fahrsicherheit stärker berücksichtigt werden sollte als demografische Faktoren. «Moderne Telematik-Systeme ermöglichen es längst, das tatsächliche Fahrverhalten zu bewerten», erklärt Kolecic. Er fordert mehr Mut von den Versicherern, die Tarifierung neu zu denken.
Durchschnittsprämie würde bei Tarifanpassung steigen
Allerdings betont Kolecic auch: Eine Entdiskriminierung der Autoversicherungsprämien würde auch eine Solidaritätsleistung bedeuten. Denn Personen mit günstigeren Risikoprofilen müssten künftig mehr zahlen, um das höhere Risiko anderer Gruppen auszugleichen. Simulationen zeigen: Bei einer Angleichung der Kriterien an den EU-Raum würde die durchschnittliche Autoversicherungsprämie für Ausländerinnen und Ausländer etwa um 12,5 Prozent sinken. Versicherte mit Schweizer Nationalität müssten hingegen etwa 5 Prozent mehr für die Autoversicherung zahlen.
Nationale Herkunft und Geschlecht als Prämienfaktor
Die Umfrage bestätigt die Ergebnisse einer früheren Comparis-Analyse vom August 2024: Junge Autofahrer mit ausländischer Staatsangehörigkeit – besonders aus dem Kosovo, Nordmazedonien und der Türkei – zahlen teils bis zu 74 Prozent mehr für ihre Vollkaskoversicherung als gleichaltrige Schweizer, selbst wenn sie unfallfrei fahren.
Die Ungleichbehandlung aufgrund der Nationalität ist in der Schweiz erlaubt. Das Argument des Bundesrats: Die Kalkulation der Versicherungstarife anhand unterschiedlichster Kriterien basiere nicht auf Wertungen oder Vorurteilen. Sie sei das Resultat der Beobachtung statistischer Berechnungen. Somit stelle die risikobezogene Tarifierung nach Nationalitäten keine Diskriminierung dar. (pd/hzi/pg)