Herr Bundi, was ist das Metaverse für Sie?

Das Metaverse stellt für mich eine Erweiterung unserer physischen Welt um zahlreiche weitere virtuelle Welten dar. In diesen können Teilnehmende privat oder beruflich miteinander interagieren, ihrer Arbeit nachgehen oder ihre Freizeit verbringen, lernen, einkaufen und vieles andere machen.

Charakteristika dieser virtuellen Welten sind unter anderem, dass den Metaverse-Teilnehmenden ein immersives und individuelles Gefühl von Präsenz in einer dreidimensionalen Umgebung vermittelt wird. Ferner ist ein Metaverse fortlaufend live und synchronisiert sowie offen für unendlich viele Teilnehmende. Es gibt zudem nicht ein einziges Metaverse, sondern viele verschiedene virtuelle Welten. Zu unterscheiden ist in dieser Hinsicht, und so auch für Versicherer, ob es sich um ein zentrales, das heisst in der Hand einer Firma, oder um ein dezentrales, Blockchain-basiertes Metaverse handelt.

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Der Gesprächspartner

David Bundi ist Partner bei EY in der Schweiz in den Bereichen Legal, Regulatory & Compliance. Er ist zudem Metaverse Strategy & Regulatory Leader bei EY Schweiz und Experte für Financial Crime Compliance, Digital Assets, Digitalisierung und für das Zusammenbringen von Recht und Technologie. Er berät seit vielen Jahren Kunden, insbesondere in der Schweiz, der EU und im Nahen Osten. Darüber hinaus ist er Vorsitzender und Mitbegründer der Schweizer Non-Profit-Organisation Metaversetalks, im Rahmen welcher sich Metaverse- und NFT-Vordenker und Interessierte vernetzen und Ideen weltweit fördern.

Ist das Metaverse als virtuelle Welt aus rechtlicher Sicht überhaupt relevant?

Zunächst ist es essenziell zu verstehen, dass sowohl physische wie auch virtuelle Welten real sind. Wenn ein Gegenstand in der virtuellen Welt einer anderen Person verkauft wird oder wenn jemand in der virtuellen Welt jemanden anderen belästigt, sind dies keine Aktionen in einem rechtsfreien Raum und entsprechend können sie Rechtsfolgen nach sich ziehen.

Also ist in der virtuellen Welt vieles genau gleich wie in der realen?

Grundsätzlich ja. Wenn wir als Gesellschaft funktionieren wollen, sind wir in der physischen wie auch der virtuellen Welt dazu verpflichtet, unseren Mitmenschen und uns selbst Sorge zu tragen. Ein Schritt dazu liegt im Einhalten von Gesetzen. Wie in der physischen Welt stellt sich auch im Metaverse zum Beispiel die Frage nach dem anwendbaren Recht und dem anwendbaren Gerichtsstand, was nicht immer einfach zu beantworten ist. Herausforderungen können sich zudem auch bei der Durchsetzung eines rechtlichen Anspruches zu virtuellen Gegenständen im Metaverse stellen.

«Vielleicht brauchen wir zukünftig für bestimmte Metaverse-bezogene Themen neue Gesetze»

Was kommt im Metaverse auf Risk und Compliance Manager zu?

Die Aufgaben von Risk und Compliance Manager liegen im Antizipieren, Identifizieren, Überwachen und Mitigieren von Risiken. Entsprechend ist es wichtig, dass Risk und Compliance Officer über ein Grundverständnis der Metaverse-Thematik verfügen, und vor allem auch, dass sie bei möglichen Metaverse-Projekten ihrer Unternehmen aufgrund ihrer Funktion frühzeitig eingebunden werden. Virtuelle Welten bringen neben neuen Opportunitäten eben auch neue Risiken, denen es adäquat zu begegnen gilt.

Was meinen Sie damit?

Es macht Sinn, neuen Dingen offen und interessiert und gleichzeitig auch kritisch zu begegnen. Handlungen sollten wohlüberlegt sein. Dies gilt auf der Stufe von Unternehmen im Bereich des Weisungswesens wie auch in gesetzgeberischer Hinsicht. 

Vielleicht brauchen wir zukünftig für bestimmte Metaverse-bezogene Themen neue Gesetze, jedoch macht es meines Erachtens Sinn, zunächst zu prüfen, welche gegenwärtigen Regulierungen analog auf entsprechende neue Sachverhalte angewendet werden können. Mehr Gesetze müssen nicht unbedingt zu mehr Sicherheit führen. Der erste wichtige Schritt ist meiner Meinung nach das Verständnis beziehungsweise die Bildung zu Metaverse-Themen, deren Bedeutung zukünftig für Individuen und Unternehmen signifikant zunehmen wird.

Welche Risiken bestehen denn im Zusammenhang mit dem Metaverse?

Risiken können im Metaverse beispielsweise aus Sicht des Daten- oder des Persönlichkeitsschutzes auftreten, da virtuelle Welten auf einer Vielzahl verschiedener Daten basieren. 

Im Metaverse können virtuelle Identitäten von Personen gestohlen oder missbraucht werden, mit Erpressungssoftware können virtuelle Welten oder Gegenstände zum Zweck einer Lösegeldforderung von Kriminellen blockiert werden oder es kann versucht werden, kriminelle Gelder zu waschen oder Sanktionen zu umgehen. Auch wettbewerbsrechtliche Fragen hinsichtlich des Zugangs zu virtuellen Welten wie auch Fragen rund um geistiges Eigentum stellen sich beim Thema Metaverse.

Die Virtualisierung von Big Data kann als Entscheidungshilfe oder Effizienzsteigerung bei Prozessen für Versicherer beziehungsweise Risk und Compliance Manager in einer Metaverse-Umgebung beitragen.

David Bundi, EY Schweiz

Welche Opportunitäten eröffnet das Metaverse für Unternehmen?

Eine Analyse von EY mit führenden Geschäftsleitungsmitgliedern von Grossunternehmen hat ergeben, dass Unternehmen vom Metaverse Folgendes erwarten: erweiterte Marketingmöglichkeiten, zusätzliche Einkommensflüsse, neue Kunden sowie Effizienzsteigerung dank der Virtualisierung von Prozessen. Unternehmen wie auch deren Produkte sind verschieden und entsprechend gilt es, individuell auf das Unternehmen zugeschnittene Strategien zu verfolgen, damit oben genannte Erwartungen erfüllt werden. 

In welchen Bereichen profitieren Versicherungen schon heute von Metaverse-Lösungen?

Gegenwärtig wird das Metaverse vor allem für immersive, virtuelle Trainings von Mitarbeitenden und zum Teil für erste Kundenmeetings verwendet. Grosses Potenzial liegt im Bereich des Marketings, doch gilt es auch hier die entsprechenden rechtlichen Vorgaben beispielsweise bei grenzüberschreitenden Sachverhalten einzuhalten. Ferner kann die Virtualisierung von Big Data als Entscheidungshilfe oder Effizienzsteigerung bei Prozessen für Versicherer beziehungsweise Risk und Compliance Manager in einer Metaverse-Umgebung beitragen.

Welches Vorgehen empfehlen Sie Versicherern zum Thema Metaverse?

Meines Erachtens wird das Metaverse zukünftig von signifikanter Bedeutung sein, weshalb es jetzt sinnvoll ist, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen; dies sowohl auf Geschäftsleitungsebene wie auch in den übrigen Unternehmensfunktionen. 

Momentan ist die Zeit des Erkundens und Lernens. Gleichzeitig soll auch in kleinen Schritten an möglichen Produkten und Modellen experimentiert werden. Reichweite und Skalierung sind bekannte Begriffe aus Social Media und zum Metaverse kommen nun noch verstärkt Begriffe wie Gemeinschaften und Erfahrungen hinzu. All dies führt zum Anstieg an Kundeninteraktionen, zu einer verstärkten Kundenbindung und zu einem grösseren Kundenkreis, falls es korrekt ausgeführt wird.

Das heisst, man kann sich nicht nicht mit dem Metaverse befassen?

Ja, absolut. Als Unternehmen muss man sich mit dem Metaverse befassen. Wer sich heute in Sachen Metaverse fit macht, wird in Zukunft bereit und vor allem erfahrener sein als die Konkurrenz. Ich stelle mir die aktuelle Situation ähnlich vor wie die Zeit, als die ersten schweren Mobiltelefone auf den Markt gekommen sind. Der Entwicklungssprung wird im Metaverse genauso kommen, wie nach den «grossen Knochen» nach nicht allzu langer Zeit Smartphones in aller Leute Hände waren.

 

Swiss GRC Day 2023

Am 3. Mai 2023 finden im Radisson Blue, Zürich Airport, der Swiss GRC Day 2023 statt. Neben dem Metaverse-Experten David Bundi werden weitere hochkarätige Speaker über aktuelle GRC-Trends wie BCM & Resilienz, Third Party Risk Management, integriertes GRC berichten. Das vollständige Programm sowie Anmeldemöglichkeiten finden Sie hier.