Das Thema Transformation dürfte Versicherer aktuell noch mehr beschäftigen als bis anhin, denn die Herausforderungen sind aufgrund der wirtschaftlich rauen Zeiten grösser denn je.
Neue Erfolgsrezepte gesucht
Allerdings dürften die herkömmlichen Erfolgsrezepte nicht unbedingt zum Erfolg führen. Denn auch schon in stabilen Zeiten jagte ein Veränderungsprojekt das andere und viele Unternehmen schienen in einem Zustand ständiger Transformation gefangen zu sein. Von finanziellem Erfolg gekrönt waren die wenigsten.
Merkmale erfolgreicher Transformationsprojekte
Ob die Veränderungen erfolgreich verlaufen, hängt gemäss Thomas Kohler, Director bei Strategy&, in allen Fällen davon ab, wie diese organisiert, umgesetzt und gestaltet werden. Erfolgreiche Transformationsprogramme weisen folgende gemeinsame Merkmale auf, die Versicherer als Rahmen nutzen können:
Transformation organisieren: Erfolgreiche Unternehmen strukturieren Projektteams so, dass sie sich auf die Ergebnisse konzentrieren, setzen effektive Governance-Modelle ein und binden Technologie vollständig in den Prozess ein.
Transformation umsetzen: Erfolgreiche Unternehmen stellen Verantwortlichkeiten sicher, dezentralisieren die Entscheidungsfindung und verfolgen einen pragmatischen Ansatz bei den «Delivery Modellen», indem sie entscheiden, wann sie die Fähigkeiten und Methoden (z.B. Agilität) einsetzen.
Transformation gestalten: Erfolgreiche Unternehmen streben den Aufbau dauerhafter Transformationsfähigkeit im gesamten Unternehmen an, berücksichtigen die zusätzliche Komplexität, die durch hybride Arbeitsmodelle entsteht und überdenken die Art und Weise, wie Informationen an die Entscheidungsträger weitergeleitet werden.
So gaben die grossen europäischen Finanzdienstleister gemäss einer Studie von Strategy&, der Strategieberatung von PWC, 2020 im Durchschnitt fünf Prozent ihrer Einnahmen für Transformationsprogramme aus, wobei mehr als ein Drittel sogar sechs bis acht Prozent ausgegeben haben. Dennoch blieb die Gesamtrendite der Aktionäre unverändert bei zwei bis zwei Prozent pro Jahr, während sie in anderen Sektoren bei sieben Prozent lag.
Nach vielen Jahren der wirtschaftlichen Stabilität ist es Zeit, Transformationen anders anzugehen als bis anhin. «Wir haben sechs Hebel identifiziert, mit deren Hilfe Versicherer ihre Transformationsziele effizienter erreichen können», erklärt Thomas Kohler, Director bei Strategy&. «Die Kosten, den Vetrieb, das Kapital, ESG, die Technologie und die Menschen.»
In der aktuellen Studie No Time to loose haben der Strategie-Experte und sein Team folgende To-Do’s für Versicherer herausgearbeitet:
Kosten – weg mit der Verzettelung
- Fokussierung auf einige, wenige Projekte mit grossem Impact;
- Rationalisierung und Konsolidierung von Drittanbietern;
- Konzentration auf langfristige Festpreisverträge mit Drittanbietern, um sich gegen Schwankungen zu schützen.
Vertrieb – weg mit komplexen Strukturen und Prozessen
- Ausrichtung der Vertriebskanäle und -aktivitäten auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe;
- Sicherstellung eines omnikanalen Kundenerlebnisses entlang der gesamten Wertschöpfungskette (insbesondere im Schadenfall);
- Zusammenarbeit mit Ökosystem-Partnern, um komplementäre Fähigkeiten und Kundenzugänge zu nutzen – Ökosysteme (insbesondere Embedded Insurance) bieten die Chance für Versicherer, ihr Werteversprechen für alte und neue Kunden zu stärken;
- Verbesserung der Datenanalysefähigkeiten und Ableitung von Impulsen für den Vertrieb.
Kapital – weg mit historischen Betrachtungen
- Kurzfristig: Bewältigung der Turbulenzen auf den Finanzmärkten; (Neu-)Bewertung der Risikomanagementstrategie, bedingt durch gegenwärtige Situation; Ausgaben senken und Effizienz steigern; Zugang zu Echtzeit-Risikodaten schaffen.
- Mittelfristig: Erläuterung, Steuerung und Offenlegung von Schlüsselkennzahlen; Anpassung der Steuerungsmetriken an neue (regulatorische) Rahmenbedingungen; Verbesserung der Governance in Bezug auf Modelle und Daten (verbesserte Entscheidungsfindung); Evaluation der Auswirkungen von ESG auf Investitionen;
- Langfristig: Verbesserung der strategischen Wertschöpfung; Verständnis der Risiken und alternativen Investitionen und Erläuterung gegenüber Kunden; Bewertung von komplexen Produkten in Schlüsselprozesse eingebettet.
ESG – weg mit den Scheuklappen
- Holistische Betrachtung des Themas ist essentiell, um regulatorischen und Verbraucheranforderungen gerecht zu werden; dies kann neue Einnahmequellen, Skalierungseffekte, verbesserte Risikoselektion und eine stärkere Arbeitgeber-Marke ermöglichen.
Technologie – weg mit unvollständigen Daten
- Digitalisierung und Modernisierung der IT-Systeme, z.B. durch Einsatz der Cloud und APIs, um die IT-Architektur sicherer und skalierbar zu machen, sowie um Kundenanforderungen besser zu antizipieren, massgeschneiderte und relevante Dienstleistungen anzubieten;
- Skalierbare IT-Plattformen und -Architektur hilft auch dabei, mehr Geschäft zu niedrigeren Kosten zu generieren; ist zudem auch eine wesentliche Voraussetzung, um ESG-Anforderungen zu erfüllen.
People – weg mit unklarem Zweck und Ziel
- Sicherstellung des richtigen Mixes für hybride Arbeitsmodelle, um das Betriebsmodell aufrechtzuerhalten, die Zufriedenheit der Belegschaft zu erhöhen, die Produktivität zu steigern und den Austausch innerhalb von Teams aufrechtzuerhalten;
- Sensibilisierung der Mitarbeiter für den Zweck (Purpose) des Unternehmens;
- Bereitstellung eines breiten Schulungsangebots (Reskill und Upskill);
- Formulierung einer klaren Vision und Geschichte verbunden mit einem positiven Beitrag zur Gesellschaft.