Seit Jahren ist die berufliche Vorsorge ein Sorgenkind. Alle bisherigen Bemühungen, die in Schieflage geratene zweite Säule mit den notwendigen Reformen wieder ins Lot zu bringen, sind gescheitert. Dabei würde die fatale Kombination von hoher Lebenserwartung und niedrigen Erträgen zu drastischen Korrekturen zwingen.

Neue Vorschläge im Parlament

Die Sozialpartner, also der Gewerkschaftsbund und der Schweizerische Arbeitgeberverband, haben in der verfahrenen Situation mit einer gemeinsam erarbeiteten Lösung den Befreiungsschlag versucht. Im Parlament kamen neue Vorschläge dazu. Nach einer langen Debatte wurde im Frühling eine Reform der zweiten Säule verabschiedet. Doch wenig später reichten die Gewerkschaften und die SP Schweiz das Referendum ein. Jetzt kommt es im nächsten Frühling zur Volksabstimmung über das Reformvorhaben in der beruflichen Vorsorge.

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Wie die Bevölkerung beim dritten Anlauf für eine Neugestaltung entscheidet, bleibt offen. In der jüngsten Studie von Axa Investment Managers halten immerhin rund drei Viertel der Befragten die Rentenreform für notwendig – ein Jahr zuvor waren es erst zwei Drittel gewesen.

Die Macht der Demografie

Als grösste Herausforderung für die Altersvorsorge erweist sich die eigentlich erfreuliche Tatsache, dass wir alle immer älter werden. Bei der Einführung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) 1985 lag die Lebenserwartung für Männer im Alter von 65 bei rund 15 Jahren. Heute sind es bereits 20 Jahre. Im gleichen Zeitraum hat sich die Lebenserwartung für Frauen von 19 auf 23 Jahre erhöht. «Gegen die unerbittliche Macht der Demografie kommt auf Dauer niemand auf», sagt Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung bei Economiesuisse.

Zu Lasten der aktiven Bevölkerung

Wegen einer immer länger dauernden Rentenbezugsdauer wirkt sich der politisch verankerte Umwandlungssatz von 6,8 Prozent im BVG-Obligatorium gravierend aus. Mit der Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 6 Prozent soll die Umverteilung von mehreren Milliarden Franken jährlich vermindert werden, die heute zu Lasten der aktiven Bevölkerung und der jungen Generation geht. Wegen dem zementierten Umwandlungssatz im obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge helfen sich die Pensionskassen damit, dass sie im überobligatorischen Bereich einen tieferen Umwandlungssatz anwenden. Die umhüllenden Kassen – mit Obligatorium und Überobligatorium – haben den durchschnittlichen Umwandlungssatz gemäss der Swisscanto-Pensionskassenstudie bereits auf 5,25 Prozent gesenkt.

Umwandlungssatz vollständig entpolitisieren

Für Thomas Boyer, CEO der Groupe Mutuel, ist es ungerecht, dass die Erwerbstätigen für überhöhte Renten der Leute im Ruhestand aufkommen: «Die Reform der beruflichen Vorsorge ist notwendiger denn je.» Aus seiner Sicht sollte der Umwandlungssatz vollständig entpolitisiert werden. Mit der Reform wird die Generationengerechtigkeit gestärkt. National- und Ständerat haben sich auf Ausgleichsmassnahmen für die Übergangsgenerationen geeinigt. Damit wird die Absenkung des Mindestumwandlungssatzes abgefedert. Gleichzeitig erhalten mit der Reduktion des Koordinationsabzugs mehr Menschen mit tiefen Einkommen oder Teilzeitarbeitende die Möglichkeit für verbesserte Renten. Mit der vom Parlament beschlossenen Reform der zweiten Säule wird auch die Benachteiligung der älteren Arbeitnehmenden beseitigt, indem die Lohnabzüge für Erwerbstätige ab 45 Jahren vereinheitlicht werden. Das schafft für die ältere Generation mehr Chancen am Arbeitsmarkt.

Keine Umverteilung in der dritten Säule

Wenn die aktuelle Rentenreform an der Urne scheitert, bleibt letztlich nur eine verstärkte individuelle Altersvorsorge. Im überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge sind mit den sogenannten 1e-Plänen erweiterte Sparmöglichkeiten für Kader und Spezialisten geschaffen worden. Bei diesen Vorsorgemodellen wird das Anlagerisiko vollumfänglich vom Versicherten getragen, es findet aber auch keine Umverteilung innerhalb der Pensionskasse statt.

Groupe-Mutuel-CEO Boyer will solche neuen Ansätze für die Nachhaltigkeit des Dreisäulensystems unterstützen: «Wir haben eine Serie von Vorsorgeprodukten entwickelt, um die Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei diesem Sparprozess zu begleiten, etwa 1e-Pläne und Angebote in der dritten Säule.»

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In der steuerbegünstigten Säule 3a sollte es nach politischen Vorstössen schon bald möglich sein, verpasste Beiträge nachträglich einzuzahlen. Das käme besonders auch Frauen entgegen, die ihre Berufstätigkeit während der Mutterschaft unterbrechen. Diese Einkäufe sind ähnlich konzipiert wie in der beruflichen Vorsorge. Mit dem Unterschied allerdings, dass in der dritten Säule keine Umverteilung droht. 

Dieser Beitrag ist erstmals am 17. September 2023 im Themenspezial Altersvorsorge 2023 der Handelszeitung erschienen.