«Vergleichen Sie diese Teile», sagte Steve Greenfield, US-Autoexperte und Venture-Capital-Berater. «Bei diesem Teil der Antriebssteuerung sehen Sie zwei Dutzend Teile, die zusammengebaut worden waren - und bei diesem hier mit gleicher Funktionsweise wurde alles per Gussverfahren zu einem einzigen Bauteil gemacht.» Was auf den ersten Blick nur ein Detail für Autoingenieure ist, wird auf den zweiten Blick zum Problem für die Versicherungen. «Denn wenn das einzelne, hoch komplexe Bauteil kaputt geht, muss es vollständig ausgetauscht werden.»
Ein grosses statt vieler kleine Teile
Greenfield kennt Einzelfälle, bei denen sich vergleichsweise einfache Reparaturen über neun Monate hinzogen und dann 40‘000 US-Dollar gekostet hatten. «Hier führt das Autodesign in absehbarer Zeit dazu, dass Versicherungsgesellschaften ihre Preise für bestimmte Modelle und Hersteller entsprechend nach oben korrigieren werden - oder gleich von der Deckung einzelner Typen absehen werden», erklärte Greenfield im Januar an der Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas (USA).
Das Problem fängt bei der Karosserie an. Hersteller wie Tesla sind dazu übergegangen, sehr grosse Elemente im Megacasting-Hochdruckpressverfahren an einem einzigen Stück herzustellen. Was die Bauweise deutlich vereinfacht und die Produktions- und Fertigungskosten deutlich verringert, wird zum Problem, wenn nur schon eine Beule entsteht. «Dann wird die Reparatur extrem aufwändig - und dann wird es für die Fahrzeughalter zunehmend schwierig, eine Versicherung zu finden, die solche Schäden - abgesehen von Haftpflichtfällen - übernimmt», so Greenfield weiter. Im Land sind die Prämien für eine einfache Autohaftpflichtversicherung seit 2020 um durchschnittlich 50 Prozent gestiegen.
Natürlich spielt auch die Künstliche Intelligenz eine Rolle. Sie führt beim Design neuer Autos dazu, dass man an die Grenzen des Machbaren geht - und in Kombination mit neuen Produktionsverfahren wie 3D-Printing lassen sich viele kleinere Teile aus unterschiedlichen Materialien zu einem grossen zusammensetzen. Diese stecken dann nicht nur im Antrieb, sondern auch in weiteren Bereichen der Fahrzeuge, bei denen elektrische und mechanische Komponenten zusammenkommen, wie beispielsweise in Klimaanlagen.
Hohes Eigengewicht ist die beste Überlebensgarantie
Die Autos werden auch laufend grösser und schwerer. «Wenn es zu einem Unfall kommt, dann gilt: je schwerer das eigene Fahrzeug, desto kleiner ist die eigene Todeswahrscheinlichkeit.» Damit könnten sich zukünftig auch Lebensversicherungen dafür interessieren, welche Modelle ihre Kundinnen und Kunden fahren. Und auch das ganze Ökosystem der Garagen verändert sich: Wenn Versicherte nach einem Schaden ihre Fahrzeuge in die Werkstatt bringen und auf eine rasche Reparatur hoffen, könnten sie arg enttäuscht werden. Die grossen Hersteller regulieren zunehmend, welche Garagen ihre Originalbauteile bekommen und einbauen dürfen.
Gebrauchte Teile sind in den USA in den vergangenen Jahren auch deshalb beliebter geworden, weil die Reparaturkosten seit 2020 um rund die Hälfte teurer geworden sind. Oft geht auch ohne Computer hier nichts mehr. Daten müssen ausgelesen, neue Bauelemente per Computerhilfe eingepasst werden. Die Potenziale der Nutzung von bereits gebrauchten Teilen werden sich zukünftig massiv verringern. «Auch dadurch steigen dann die Reparaturkosten und damit die Gesamtkosten für das Autoversicherungssystem.»
Weniger Unfälle, weniger Versicherungsprämie?
Die Künstliche Intelligenz könnte auf einer weiteren Ebene eine Rolle spielen, so Greenfield: Wenn sie immer öfters die Fahrzeugsteuerung übernimmt, dürfte auch die Anzahl der Unfälle zurückgehen. Und die Künstliche Intelligenz wird auch bei den Autoversicherungen zukünftig noch wichtiger werden. Sie könnte aufgrund der Fahrzeug- und Fahrerdaten frühzeitig erkennen, welche Kombinationen in welchen Regionen besonders schadenträchtig sind - und dann die Prämienhöhe entsprechen anpassen.