Die Versicherungsvermittlung in der Schweiz wird ab dem 1. Januar 2024 neu reguliert. Dann treten das revidierte Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und die revidierte Aufsichtsverordnung (AVO) in Kraft. Mit der neuen Gesetzgebung erhöhen sich die Anforderungen an die Versicherungsvermittlung, und es gelten neue Kriterien für die Unterstellung unter die Aufsicht der Finma. Es gibt in der Schweiz zwei Arten von Versicherungsvermittlern: gebundene, die im Auftrag der Versicherer tätig sind und ungebundene, die in einem Treueverhältnis zu ihren Kunden stehen. Neu dürfen nur noch ungebundene Versicherungsvermittler in das Vermittlerregister der Finma eingetragen werden. Bislang hatten auch gebundene Versicherungsvermittler das Recht, sich in dieses Register eintragen zu lassen. Für ungebundene Versicherungsvermittler besteht eine Aus- und Weiterbildungspflicht, zudem haben sie erweiterte Informationspflichten gegenüber den Kundinnen und Kunden sowie die Offenlegung der Entschädigungen. Das Gros der Versicherungsvermittler wird aufgrund der revidierten Gesetzgebung neu ungebunden sein, so dass die Anforderungen an die Versicherungsvermittler unter dem Strich erhöht wurden.
Stephan Wirz ist Mitglied der Geschäftsleitung der Maklerzentrum Schweiz AG.
Wann ist ein Versicherungsvermittler ungebunden?
In der Theorie erscheint die Unterscheidung zwischen gebundenen und ungebundenen Versicherungsvermittlern klar. In der Praxis wissen viele der Versicherungsvermittler noch nicht, ob sie ab dem 1. Januar 2024 gebunden oder ungebunden sein werden. Abgestellt wird auf ein sogenanntes Treueverhältnis zum Kunden, da der ungebundene Versicherungsvermittler im Auftrag des Kunden handelt. Kein Treueverhältnis liegt vor bei einem Arbeits- oder Auftragsverhältnis mit Versicherungsunternehmen (Aussendienst, Generalagentur), wenn nur Produkte eines einzigen Versicherers pro Versicherungszweig angeboten werden (fehlende Wahlmöglichkeit in der Beratung) oder bei Bestehen von Interessenkonflikten im Sinne von Art. 182c rev. AVO. Ein Interessenkonflikt liegt vor bei einer ökonomischen Abhängigkeit von einem einzelnen Versicherer, bei einer Einbindung in die Organisation eines Versicherers (Aufgabe organisatorischer und/oder unternehmerischer Freiheit), z.B. als Outsourcing-Partner (Bsp. Bestandesverwaltung), bei einer qualifizierten Beteiligung (ab 10 Prozent) eines Versicherers am Versicherungsvermittlers oder umgekehrt oder bei personellen Verflechtungen. Hier besteht noch viel Klärungsbedarf, zumal in der Praxis (vor allem im Privatkundenbereich) Kooperationen zwischen nach neuem und/oder alten Recht gebundenen und ungebundenen Versicherungsvermittlern nicht nur keine Seltenheit darstellen, sondern vielmehr die Regel sind.
Zusätzliche Unterscheidung zwischen internen und externen Versicherungsvermittlern
In der Krankenversicherungsbranche gab es aufgrund der per Anfang 2021 in Kraft getretenen Branchenvereinbarung Vermittler (BVV) bei den Versicherungsvermittlern eine Unterscheidung zwischen externen und internen Versicherungsvermittlern, was zu einer Ungleichbehandlung der Vertriebskanäle geführt hatte. So unterlag der Eigenvertrieb zum Beispiel weder Provisionsbeschränkungen noch Qualitäts- und Ausbildungsanforderungen – der externe Vertrieb hingegen schon. In der Folge konnten externe Versicherungsvermittler kaum noch rentabel arbeiten und wurden vielfach aus dem Markt verdrängt. Das Parlament hat im Dezember 2022 im Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlungstätigkeit denn auch klargestellt, dass die Ungleichbehandlung der externen und internen Versicherungsvermittler nicht gewünscht ist. Dies führte dazu, dass die Krankenversicherer beschlossen hatten, per 1. September 2023 die Branchenvereinbarung anzupassen und die Ungleichbehandlung (unverständlicherweise mit Ausnahme der Ausbildungsvorgaben) zu beheben.
Viele regulatorische Anforderungen in hart umkämpftem Markt
Die Problematik ist in allen Geschäftssegmenten gleich: Mit der Zunahme der administrativen Vorgaben (wie VAG, VVG, BVV, etc.) steigen die Anforderungen an die Versicherungsvermittler. Gleichzeitig geraten die Entschädigungen unter Druck und müssen neu offengelegt werden – analog den Retrozessionen, da die ungebundenen Versicherungsvermittler im Auftrag der Kunden handeln. Grundsätzlich ist diese Entwicklung begrüssenswert, da sie Transparenz und Integrität fördert. Sie stellt die ungebundenen und selbständig agierenden Makler jedoch vor die Schwierigkeit, all diesen Anforderungen gerecht zu werden, und dies vor dem Hintergrund immer höherer Erwartungen seitens der Kundinnen und Kunden. Trotz dieser Tatsache ist zu beobachten, dass viele Versicherungsberaterinnen und -berater im Aussendienst einer Gesellschaft den Wunsch haben, Makler zu werden, um ihren Kundinnen und Kunden die besten Angebote des Marktes unterbreiten zu können. Dies kann für langjährige Berater sinnvoll sein, die über einen grossen und treuen Kundenstamm verfügen, den sie mitnehmen können und von dessen Courtagen sie (teilweise) leben können. Oft ist dies jedoch eine idealistische Vorstellung und die harte Realität sieht anders aus. Viele Strukturvertriebe rekrutieren am laufenden Band neue Mitarbeitende, die in die Branche einsteigen und nach ihrem (manchmal schnellen) Ausscheiden aus der Vertriebsstruktur versuchen, selbst etwas aufzubauen. Dadurch wird der Markt noch härter umkämpft.
Und was bedeutet das für die Versicherten?
Ein gesunder, ungebundener Vermittlermarkt bietet den Kunden grosse Vorteile. Denn einer der wichtigsten Aspekte beim Abschluss einer Versicherung ist und bleibt die unabhängige Beratung, damit die Kunden professionell und umfassend informiert sind und Zugang zu allen Versicherungslösungen haben. Der Versicherungsmakler dient dabei nicht nur als Navigator durch das Dickicht der Angebote, sondern auch als zuverlässiger und unabhängiger Begleiter im Schadensfall. Es bleibt abzuwarten, ob die neue Gesetzgebung im Versicherungsmarkt tatsächlich zu der angestrebten Stärkung der Kunden und nicht zu einer weiteren Verdrängung der externen Versicherungsvermittler führt.