- Neue Plattformen werden von Wearable-Daten angetrieben.
- Entschädigungszahlungen oder Pannenhilfe erfolgen automatisiert.
- Kundenbeziehung werden vom Vertragsabschluss bis zum Schadensfall gepflegt
Die Beteiligung von Versicherungsunternehmen an strategischen Partnerschaften innerhalb von Ökosystemen resultiert aus der zunehmenden Erkenntnis über Marktchancen für innovative Positionierungen und zusätzliche Kundenberührungspunkte. Gleichzeitig erleichtert die Integration neuer technischer Möglichkeiten diese Kooperation mit neuen Partnern, während Versicherer aktiv in neue Dienstleistungsangebote in Bereichen wie Gesundheit, Mobilität und Haushalt vorstossen können.
Neue Plattformen angetrieben von Wearable-Daten
Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren wie Ärzten und Dienstleistungsanbietern werden digitale Plattformlösungen eingeführt, die nicht zuletzt massgeblich von Daten aus Wearable-Technologien angetrieben werden. Dadurch ergeben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten und Dienstleistungen für die Versicherten, darunter der Zugang zu personalisierten Empfehlungen für die mentale und körperliche Gesundheit, einschliesslich Ernährungsempfehlungen. Diese nicht nur schadensfallbasierte, sondern auch präventive Interaktion ermöglicht eine stärkere Kundenbindung, indem der Kundenkontakt über den üblichen Schadensfall hinaus ausgeweitet werden kann.
Claudio Stadelmann ist Partner bei BearingPoint.
Ein typisches Beispiel für solche Anwendungen sind Empfehlungen zu einem gesünderen Lebensstil. Andere Angebote ermöglichen den Zugang zu einem Netzwerk von Ärzten, die Vereinbarung von Arztterminen, die Nutzung eines rund um die Uhr verfügbaren Telemedizin-Services, die Übermittlung von Schadenfällen und Rechnungen an den Versicherer, das Einsehen von Policen und das Erfassen von Medikamentenlisten. Zudem eröffnet die strukturierte Auswertung gesammelter Daten die Möglichkeit, genauere Risikomodelle für Mortalitäts- und Morbiditätsrisiken zu entwickeln, die nicht nur die Versorgung und Gesundheit der Versicherten verbessern, sondern auch zur Profitabilität der Versicherungen beitragen können.
Automatisierte Entschädigungszahlungen oder Pannenhilfe
Im Bereich der Mobilitätsökosysteme zeigt sich eine vielfältige Palette innovativer Versicherungslösungen, die von Telematik-Anwendungen im KFZ-Bereich bis hin zu parametrischen Reiseversicherungen reichen, die beim Eintreten gewisser Szenarien, wie zum Beispiel bei Flugverspätungen oder bei Gepäckverlusten, automatisiert eine Auszahlung initiieren. Diese Lösungen sind nahtlos in bestehende Services und Produkte integriert, wodurch sich für Unternehmen im Versicherungsbereich neue Möglichkeiten eröffnen.
Zum Beispiel hat die Baloise vor Kurzem eine parametrische Ferienversicherung eingeführt. Durch Festlegung eines Schwellenwerts für negative Ereignisse, beispielsweise Niederschlag in Millimetern, wird der Kunde benachrichtigt und eine Entschädigungszahlung wird automatisch ausgelöst. Dies markiert einen Paradigmenwechsel in der Schadenbearbeitung für Privatkunden.
Telematik-Lösungen im KFZ-Bereich bieten nicht nur die Möglichkeit, durch Fahrstilanalysen zu einer sichereren Fahrweise beizutragen, was sich in Form von Prämienrabatten niederschlagen kann, sondern ermöglichen es den Versicherern auch, präventive Massnahmen zu implementieren und präzisere Risikomodelle zu erstellen. Im Falle eines Unfalls kann die Telematik automatisch den Pannendienst aktivieren oder die Unschuld des Fahrers nachweisen.
Von Immobilienkäufen bis zum Pflanzenmanagement
Versicherungsgesellschaften versuchen durch gezielte strategische Partnerschaften ihre Marktposition im Bereich Haushalt zu stärken. Erfolgreiche Beispiele für diese Kooperationsstrategie sind Partnerschaften mit Banken und Handwerksbetrieben, die zu innovativen Plattformen mit unterschiedlichen Dienstleistungsangeboten geführt haben. Innerhalb dieser Anwendung können Kunden nicht nur Immobilienkäufe und Wohnfinanzierungen abwickeln, sondern auch Angelegenheiten der Wohnvermietung, das Pflanzenmanagement sowie Handwerkerleistungen und weitere Dienstleistungen koordinieren. Diese ganzheitliche Herangehensweise stärkt nicht nur die Kundenbindung, sondern schafft auch eine Plattform für umfassende Dienstleistungen rund um das häusliche Leben, die laufend ausgeweitet werden können.
In der Schweiz hat sich beispielsweise Die Mobiliar als Versicherer etabliert, der nicht nur mit Startups zusammenarbeitet, sondern diese auch erwirbt und durch Partnerschaften nahtlos in sein bestehendes Portfolio integriert. Die Übernahme von Flatfox repräsentiert einen weiteren Schritt der Mobiliar, ihr Dienstleistungsangebot im Bereich Wohnen zu erweitern. Bereits Teil ihres Ökosystems sind die Marktplätze von Scout24, die Handwerkerplattform buildigo sowie die digitale Mieterplattform aroov, deren Services komplementär genutzt werden können.
Kundenbeziehung zwischen Vertragsabschluss und Schadensfall pflegen
Die oben erörterten Ökosysteme zeichnen sich durch eine ausgeprägte Dynamik aus, welche durch die rasche Entwicklung neuer Technologien, die zunehmende Vernetzung von Dienstleistungen sowie durch den offenen Datenfluss getrieben wird. Traditionell stellt die Pflege und der Aufbau von Kundenbeziehungen nach Vertragsabschluss bis zum Schadenfall für Versicherer eine Herausforderung dar. Durch die aktive Teilnahme an diesen Ökosystemen ergeben sich neue Zugangsmöglichkeiten in unterschiedliche Lebensbereiche der Versicherungsnehmer, die zuvor unerschlossen blieben.
Bei der strategischen Entscheidung eines Versicherungsunternehmens, eine aktive Rolle im Bereich Ökosysteme einzunehmen, sind folgende Schlüsselfaktoren zu berücksichtigen: Strategische Ausrichtung und Unternehmenswerte: Die Entscheidung, sich in einem Ökosystem zu beteiligen, sollte nicht nur die kurzfristigen Ziele, sondern auch die langfristige Vision des Versicherungsunternehmens unterstützen. Dabei ist es entscheidend, im Vorfeld die Übereinstimmung der Unternehmenswerte mit jenen der Partner und des Ökosystems zu evaluieren.
- Technologische Fähigkeiten: Die Integration in ein Ökosystem erfordert fortschrittliche Technologien und die Fähigkeit, sich an neue Entwicklungen anzupassen. Daher ist es entscheidend, sorgfältig zu prüfen, ob das Versicherungsunternehmen über die erforderliche Expertise verfügt oder Investitionen in diesen Bereichen notwendig sind. In der Regel ist es ratsam, sich einem vorhandenen Ökosystem anzuschliessen, da der Aufbau eines eigenen Systems sowohl komplex als auch kostspielig ist. Zudem wird das eigene Leistungsvermögen bei der Entwicklung eines eigenen Ökosystems häufig überschätzt, was zu einer erhöhten Komplexität und unvorhersehbaren, hohen Kosten führen kann.
- Risikobewertung und Compliance: Eine systematische Risikobewertung ist unerlässlich, um eine solide Grundlage für die Entscheidung zur Teilnahme an einem Ökosystem zu schaffen. Diese umfasst rechtliche, regulatorische und operative Risiken, beispielsweise die Bewertung von Datenschutzrisiken.
- Kundenwert und Vertrauen: Die Beteiligung an einem Ökosystem sollte den Versicherten einen klaren Mehrwert bieten, zum Beispiel in Form von verbesserten Produkten, Dienstleistungen oder einer nahtloseren Kundenerfahrung. Gleichzeitig müssen Datenschutz- und Sicherheitsbedenken ernst genommen werden, um das Vertrauen der Kundinnen und Kunden zu wahren. Die Schaffung von Kundennutzen und die Gewährleistung von Datensicherheit sind Schlüsselfaktoren, die die langfristige Akzeptanz und Zufriedenheit der Kundschaft beeinflussen.