Herr M. war am 11.3.2020 auf seinem Flug in die Philippinen, als seine Reise abrupt in Bangkok endete. Die philippinische Regierung hatte gerade den Lockdown angeordnet und die Airlines annullierten sämtliche Weiterflüge. Herr M. war in Bangkok gestrandet. Sein offizieller Rückflug wäre erst am 30.3.2020 gewesen. Nachdem Herr M. schliesslich einen früheren Rückflug organisieren konnte, meldete er seiner Reiseversicherung die Kosten für die verfallenen Flugtickets als Schaden an. Die asiatischen Airlines hatten nicht auf seine diversen Anfragen reagiert. 

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Die Versicherung lehnte zunächst die Rückerstattung der Flugkosten ab mit der Begründung, dass weder Epidemien noch Pandemien versicherte Ereignisse seien. Damit war Herr M. nicht einverstanden und wandte sich an die Ombudsstelle.

Autorin:
Nathalie Garny
, Rechtsanwältin, Stiftung Ombudsman der Privatversicherung und der Suva, help@versicherungsombudsman.ch

Die Ombudsstelle stellte in diesem Fall fest, dass in den Versicherungsbedingungen der Reiseversicherung von Herrn M. zwar «Pandemie» als Ausschlussgrund für Versicherungsleistungen formuliert war, die Epidemie jedoch als Ereignis versichert. 

Aufgrund der zahlreichen Pandemiefälle und der damit verbundenen komplexen juristischen Fragestellungen hatte die Ombudsstelle im April 2020 ein Rechtsgutachten bei Professor W. Fellmann in Auftrag gegeben. Dieses half im vorliegenden Fall auch dem Beschwerdeführer. 

Die Ombudsstelle stellte sich gegenüber der Versicherung zunächst auf den Standpunkt, dass es für Herrn M. nicht absehbar gewesen sei, dass die WHO am Tag seines Abflugs die Pandemie ausrufen würde. Ebenso wenig habe er voraussehen können, welche Folgen für seine Reise damit verbunden sein würden. 

Das Besondere an seinen Versicherungsbedingungen sei, dass einerseits Pandemien zu einem Ausschluss von Versicherungsleistungen führten, Epidemien jedoch als Ereignis bei einem Reiseabbruch versichert waren. Nach dem Rechtsgutachten ist die Pandemie ein Anwendungsfall einer Epidemie. Würde ein Deckungsausschluss für Pandemien wie in einem solchen Fall greifen, würde dies gemäss Fellmann bedeuten, dass Versicherungen Leistungen erbringen müssten, bis die WHO die Pandemie ausrufen würde, um ab diesem Zeitpunkt die Leistungen wieder einstellen zu können. Nach Fellmann könnte man sich bei solchen Klauseln mit guten Gründen auf den Standpunkt stellen, dass sie gegen die guten Sitten verstossen. Ein nicht näher erläuterter verdeckter Mechanismus gestatte es so dem Versicherer, die Leistung zu verweigern, wenn die Finanzierung aufgrund des Umfangs des Gefahreneintritts nicht mehr funktioniere. Die Ombudsstelle stellte sich aufgrund von Fellmanns Ausführungen auf den Standpunkt, dass der Pandemieausschluss nicht gültig sei, weil die Epidemie als Ereignis versichert sei.

Der Versicherer hingegen befand, dass es sich bei der Pandemie um ein nicht versicherbares Systemrisiko handle, weshalb er weiter auf dem Ausschluss beharrte. Bezüglich der Weiterflüge in die Philippinen sei zudem die philippinische Airline rückerstattungspflichtig, da sie ihre Leistungen nicht erbrachte habe. Sie erklärte sich jedoch schliesslich aufgrund der Tatsache, dass Herr M. zur Risikogruppe gehörte, bereit, aufgrund der besonderen Umstände die Kosten für den Rückflug in die Schweiz zu übernehmen – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.