Herr Scherer, wie beurteilen Sie den Übernahme-Deal der UBS und der Credit Suisse aus Sicht eines Finanzmarktbeobachters?
Hansruedi Scherer: Dass dieser Rettungsdeal notwendig wurde, ist auch aus ordnungspolitischer Sicht sehr unerfreulich. Eigentlich wäre es das Ziel der Finanzmarktregulierung, 'too big to fail' zu verhindern. Die Integration der Credit Suisse in die UBS führt zu einer noch grösseren Konzentration und damit, bei unveränderten Rahmenbedingungen, zu noch höheren Systemrisiken. Aus CS-Kundensicht ist die Entwicklung kurzfristig sehr erfreulich, da damit eine Liquidation der CS verhindert wird. Mittel- und langfristig mache ich mir grosse Sorgen um den Wettbewerb zwischen den Banken.
Weshalb?
Es gibt beispielsweise im Asset Management Produkte, bei denen schon heute nur drei bis vier Vermögensverwalter wirklich konkurrenzfähig sind. Und nun fällt je nach Produkt die Nummer eins oder zwei weg. Ich fürchte höhere Preise und weniger Verhandlungsspielraum aus Sicht der Kunden.
Wurden die Aktionäre der Credit Suisse faktisch enteignet, wie nun oft kritisiert wird?
Um diese Frage beantworten zu können, verfüge ich über zu wenige Informationen. Wenn die Alternative die Abwicklung der CS gewesen wäre, dann hätten die Aktionäre vermutlich noch weniger erhalten. Wenn das Vertrauen in eine Bank nicht mehr wiederherstellbar ist und ein Bank Run erfolgt, dann ist sie sehr schnell illiquide und somit in der Folge dann auch meist wertlos. Es könnte daher auch sein, dass die Aktionäre der CS die eigentlichen Gewinner des Wochenendes sind.
Die Konti, welche die Pensionskassen bei der Credit Suisse haben, scheinen sicher?
Das sehen wir auch so. Die Interventionen der letzten Tage haben gezeigt, dass die 'too big to fail'-Banken eine implizite Staatsgarantie aufweisen, und die CS wird nun in eine solide Bank integriert.
Nahezu alle Schweizer Pensionskassen haben in Aktien und Obligationen der Credit Suisse meistens via Anlagefonds investiert. Kann man den Schaden hier schon abschätzen?
Hier ist das Bild sehr differenziert. Etwas zynisch gesprochen, ist der Abschreiber auf den Aktien aufgrund der Rettungsaktion das kleinste Problem. Die grossen Verluste haben die Aktionäre schon früher zu verbuchen gehabt. Bei den Obligationen im engeren Sinn erwarte ich, immer gegeben mein heutiger Wissensstand, eine Beruhigung der Lage und dass diese normal zurückbezahlt werden. Wieso Fremdkapitalgeber an den Verlusten beteiligt werden könnten, wie das gewisse Presseberichte implizieren, solange die Eigenkapitalgeber, also die Aktionäre, noch einen Restwert erhalten, ist mir schleierhaft. Ausser die Emissionsbedingungen enthalten spezielle Klauseln, dass heisst 'Write down Klauseln'. Bis zu einem Totalverlust erwarte ich hingegen bei Finanzinstrumenten, die bei Verletzung gewisser Mindestkapitalisierungsstandards zum Eigenkapital gezählt werden dürfen. Diese weisen Write down Klauseln auf. Auf diesen Obligationen haben die Gläubiger aber auch während der Laufzeit eine hohe Risikoprämie erhalten.
Ist es verbreitet, dass Pensionskassen auch direkt in Aktien und Obligationen der CS investiert haben?
Ja, dies ist absolut üblich. Aber bei den Aktien ist der Anteil der CS am SPI so klein geworden, dass dies bei den meisten Pensionskassen gut verkraftbar ist. Die CS hat auch mehrere Obligationen emittiert, die Teil des Swiss Bond Index sind, entsprechend sind auch Pensionskassen in diese investiert.
Welche direkte Schäden sehen Sie sonst für die Pensionskassen?
Direkte Schäden sehe ich nicht. Es gilt zu beachten, wie sich die Service-Qualität bei der CS verändert respektive ob Schlüsselpersonen gehen, was zu Performanceproblemen führen könnte. Da sich dieser Problematik aber sicher alle Beteiligten bewusst sind, hoffe ich, dass dies nicht zum Problem wird.
Inwiefern lastet das CS-Debakel auf den Deckungsgraden der Pensionskassen?
Der Untergang einer Firma ist ein normaler Vorgang auf dem Kapitalmarkt. Gegeben die insgesamt relativ kleine Gewichtung von CS-Titeln in den Portfolios der Pensionskassen gehen die direkten Verluste aus dem Debakel in der normalen Volatilität des Finanzmarkts unter. Wenn dank der Übernahme sich der Markt wieder beruhigt und die Risikoprämien wieder sinken, dann wird das sogar positive Auswirkungen auf die Deckungsgrade haben.
Welche langfristigen Veränderungen für die Pensionskassen sehen Sie wegen dieses Bankenerbebens?
Leider wird die Konkurrenz verkleinert. Auf gewissen Teilmärkten ist die Position der UBS nun definitiv dominierend. Ergreifen nicht neue Akteure die Chance, in den Markt einzutreten, dann befürchte ich einen gedämpften Preisdruck im Asset Management und somit höhere Preise oder weniger stark sinkende Preise.
Erwarten Sie nun Klagen von Seiten gegen die Eidgenossenschaft auch von Pensionskassen wegen der Anwendung des Notrechts?
Das würde mich sehr überraschen.
Werden sich die Märkte über die nächsten Tage beruhigen?
Ich hoffe es…
Dieser Artikel erschien zuerst bei «Cash» unter dem Titel: «Es ist absolut üblich, dass Pensionskassen auch direkt in Aktien und Obligationen der Credit Suisse investiert sind».