Für Schweizer Pensionskassen war 2021 ein erfolgreiches Jahr. Dies zeigt die 22. Ausgabe der Swisscanto Pensionskassenstudie. Die Vorsorgeeinrichtungen erwirtschafteten durchschnittlich eine Nettorendite von 8,4 Prozent. Dies ist das zweitbeste Ergebnis der letzten Dekade und liegt deutlich über dem Zehn-Jahre-Schnitt von 5,4 Prozent.
Die über die letzten Jahre erwirtschafteten hohen Renditen setzen die Kassen gezielt ein, um ihre finanzielle Fitness zu erhöhen. Diese komfortable Ausgangslage verschafft ihnen nun mehr Handlungsspielraum – insbesondere bei der Verzinsung der Altersguthaben. Aktiv Versicherte profitierten von einer höheren Verzinsung – über alle Kassen gesehen lag diese 2021 mit durchschnittlich 4,25 Prozent so hoch wie letztmals im Jahr 2001.
Umverteilung von aktiv Versicherten zu Rentnern gestoppt
Die Pensionskassen haben die ertragreichen Jahre genutzt, um ihre Hausaufgaben zu machen und sich bestmöglich für die Zukunft aufzustellen: Sie haben den technischen Zinssatz angepasst, die Wertschwankungsreserven geäufnet, auf Generationentafeln umgestellt, den Umwandlungssatz gesenkt und das Pensionierungsalter erhöht. All dies hat dazu geführt, dass die systemfremde Umverteilung von aktiv Versicherten zu Rentnern gestoppt werden konnte.
Doch bei den Vorsorgeeinrichtungen hat sich eine Zweiklassengesellschaft herausgebildet: Kassen, die ihre Wertschwankungsreserven bereits über 75 Prozent geäufnet haben, vermochten die Altersguthaben ihrer Versicherten doppelt so hoch zu verzinsen wie Kassen mit tieferen Reserven. Für die Musterschüler unter den Pensionskassen ist der Weg frei für eine Trendwende: Sie können künftig die Altersguthaben ihrer aktiv Versicherten höher verzinsen.
Das Nachsehen haben Versicherte von Kassen, die mit der Umsetzung ihrer Hausaufgaben im Verzug stehen. Sind die Reserven zu wenig geäufnet, wird ihr Pensionskassenguthaben lediglich unterdurchschnittlich verzinst. Für Versicherte spielt es eine entscheidende Rolle, bei welcher Kasse sie über ihren Arbeitgeber versichert sind.
Top-Kassen machen deutlich mehr Rendite
Auch künftig bleibt eine nachhaltig hohe Anlagerendite unabdingbar, um eine gute Verzinsung der Altersguthaben sicherzustellen. Bei der Performance ist die Spannbreite zwischen tiefsten und höchsten Renditen sehr gross – ein Trend, der sich in der Studie seit Jahren abzeichnet. 2021 lag der niedrigste Wert bei 1,34 Prozent; die beste Kasse erreichte mit 15,97 Prozent eine über zehn Mal so hohe Rendite. Dies zeigt sich auch in der mittleren Frist über fünf Jahre betrachtet: Das Zehntel der Kassen mit der tiefsten Performance konnte pro Jahr eine Rendite von 3,88 Prozent erwirtschaften; das erfolgreichste Zehntel kommt auf eine Rendite von jährlich 7,21 Prozent. Ursachen für diese Differenzen sind strukturelle Gründe, wie etwa Kassengrösse, Brancheneigenheiten und Vermögensallokation.
Obligationen bieten keine Sicherheit in Marktturbulenzen
Beim Anlagemix setzten die Pensionskassen 2021 auf eine rekordhohe Aktienquote von durchschnittlich 33,7 Prozent. Die Vermögensallokation ist entscheidend, deren Relevanz hat seit Jahresbeginn 2022 mit dem Krieg in der Ukraine, den weltweiten Lieferkettenproblemen und dem Zinsanstieg noch weiter an Bedeutung gewonnen: Obligationen haben als vermeintlich sichere Anlageform ihre defensiven Qualitäten zu Jahresbeginn nicht ausspielen können. Dies hat bei allen Schweizer Pensionskassen für Verluste gesorgt (durchschnittlich –7,9 Prozent bei Obligationen in CHF und –7,2 Prozent in Fremdwährungen). Als Folge davon haben defensiv aufgestellte Pensionskassen mit hohem Obligationenanteil von Januar bis April beinahe gleich hohe Verluste erlitten wie aktienlastige Kassen: So hat das Zehntel, das über die letzten fünf Jahre die tiefste Performance erzielte, Verluste von 5,2 Prozent erlitten, während das Zehntel mit der höchsten Performance mit 5,1 Prozent im letzten Jahr etwa gleich viel verlor. An Aktien führt im Anlagemix kein Weg vorbei.
Kassen erfüllen ihre Leistungsversprechen
Noch nie waren die Deckungsgrade so hoch wie Ende 2021: Diese betrugen bei privatrechtlichen Kassen im Schnitt über 122,1 Prozent – das sind 6 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Insbesondere die positive Entwicklung am Aktienmarkt war hierfür verantwortlich. Pendelten die Deckungsgrade lange um 110 Prozent, ist die Kurve seit 2018 steil gestiegen und hat um mehr als 13 Prozentpunkte zugelegt. Mit dem Wert von 122,1 Prozent haben die Kassen Ende 2021 erstmals die selbstgesetzten Zielgrössen bei den Wertschwankungsreserven von 18,5 Prozent übertroffen. Und dies, obwohl die Stiftungsräte die Vorgaben für den Durchschnittswert für die privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen seit 2012 von 15,9 Prozent auf 18,5 Prozent erhöht haben. Dadurch verfügen die Kassen über freie Mittel für Leistungsverbesserungen. Die aktuelle Marktlage hat allerdings dazu geführt, dass die Deckungsgrade bis Ende März 2022 mit 117,3 Prozent wieder leicht unter die Zielgrösse gesunken sind.
Zinswende stoppt Sinkflug beim technischen Zins
Die soliden Reserven ermöglichen eine Trendumkehr beim technischen Zinssatz. Dieser orientiert sich an der empfohlenen Obergrenze der Schweizerischen Kammer der Pensionskassen-Experten und zeigt, mit welchen langfristigen finanziellen Verpflichtungen die Einrichtungen kalkulieren. 2021 empfahlen die Expertinnen und Experten aufgrund ihrer Berechnungen, den Satz angesichts der steigenden Zinsen zu erhöhen; 2022 könnte eine weitere solche Empfehlung folgen. Damit liegen die aktuellen durchschnittlichen technischen Zinssätze neu unter der empfohlenen Obergrenze – die Kassen schätzen also ihre Rentenversprechen realistisch ein. Der Umwandlungssatz wird hingegen gemäss den Zahlen der Pensionskassenstudie weiter sinken: für Männer mit Rentenalter 65 von durchschnittlich 5,43 Prozent im Jahr 2022 auf 5,25 Prozent im Jahr 2026.
«Die Kassen sind fit und können ihre Leistungsversprechen erfüllen. Wir sehen eine Trendwende: Die Umverteilung von aktiven Versicherten zu Rentnern konnte endlich gestoppt werden. Höhere Renten geraten in Sichtweite», sagt Heini Dändliker, Leiter Key Account Management Firmenkunden Schweiz bei der Zürcher Kantonalbank.
Viele Kassen nehmen BVG-Reform vorweg
Der Nationalrat und die Ständeratskommission möchten in ihren Vorschlägen zu den aktuell diskutierten Reformvorhaben die Eintrittsschwelle senken, wohingegen der Bundesrat dieses Thema in der BVG-Reform nicht angetastet hat. Benachteiligt sind derzeit Teilzeitarbeitende und Multijobber, falls sie weniger als 21'510 Franken pro Jahr verdienen. Bei einem Viertel der befragten Kassen ist diese Schwelle bereits tiefer angesetzt oder variabel gestaltet. Ebenso wird diskutiert, den Koordinationsabzug zu reduzieren, der insbesondere Teilzeitarbeitende benachteiligt. Flexible Koordinationsabzugsmodelle bieten allerdings bereits heute 86 Prozent der Vorsorgeeinrichtungen. Der Abzug wird entweder an den Beschäftigungsgrad oder den versicherten Lohn gekoppelt. Bei manchen Kassen entfällt er komplett. Auf fixe Koordinationsabzüge ohne Gewichtung des Beschäftigungsgrads setzt nur noch eine Minderheit von 14 Prozent. Die Kassen sind der Politik in diesen Themen teilweise einen Schritt voraus.
Frauen in Stiftungsräten stark unterrepräsentiert
Erstmals wurden die Pensionskassen im Rahmen der Studie zur Zusammensetzung und Arbeit der Stiftungsräte befragt. Der Stiftungsrat besteht im Durchschnitt aus acht Personen, die in der Regel der Unternehmung angehören. Bezüglich der Anlageentscheidungen vertrauen rund 80 Prozent aller Vorsorgeeinrichtungen auf einen Anlageausschuss, wobei es bei grösseren Kassen nahezu alle sind. Obwohl Frauen 43 Prozent der Versicherten repräsentieren, sind sie nur zu 22 Prozent im obersten Führungsorgan der Kassen vertreten. (pm/hzi/mig)