Die Mitteilung kam Ende September eher unscheinbar daher. Aber der Inhalt sorgt für Entrüstung bei wichtigen Playern im Schweizer Pensionskassenmarkt. Die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK) teilte darin lapidar ihre neue Definition von «Leistungsverbesserungen gemäss Art. 46 BVV 2» mit. Dieser Artikel schliesst zwecks Einschränkung von Wettbewerbsvorteilen unter Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen (SGE) Leistungsverbesserungen aus, wenn Wertschwankungsreserven nicht zu 75 Prozent geäufnet sind. Mit der Neudefinition des Begriffs «Leistungsverbesserungen» hat die OAK die Verzinsungsmöglichkeiten für Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen nun drastisch eingeschränkt. Die maximal erlaubte Verzinsung soll neu auf dem Durchschnittswert der technischen Zinssätze der Pensionskassen im Vorjahr basieren. Für das laufende Jahr wäre etwa eine Verzinsung von mehr als 1,75 Prozent bei nicht mehr als 75 Prozent geäufneten Wertschwankungsreserven nicht mehr möglich, schreibt pk-netz - das als Interessenvertretung der Versicherten von 17 Mitgliedsverbänden getragen wird - in einem Communiqué und führt weiter aus: «Mit der bisherigen Definition galten für das Jahr 2023 erst Verzinsungen von mehr als 3 Prozent als Leistungsverbesserung.» Pensionskassen, die heute einen technischen Zinssatz von 2 Prozent oder höher haben, müssten die Aktiven jetzt schlechter behandeln als Rentnerinnen und Rentner. Für Präsident Jorge Serra ein Unding:«Die OAK-Mitteilung ist weder fachlich noch sozialpolitisch haltbar und sollte zurückgezogen werden.»
Mitteilung kam «aus dem Nichts»
In das gleiche Horn bläst Nico Fiore, Geschäftsführer von inter-pension, der Interessengemeinschaft der unabhängigen Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen. Sie vertritt insgesamt 53 Pensionskassen mit rund 2 Millionen Aktivversicherten. Für ihn kam die Mitteilung «aus dem Nichts», zumal ihm kein Fall bekannt ist, in dem eine Pensionskasse rein aufgrund ihrer Verzinsungspolitik in Unterdeckung geraten sei. Trotz der Börsenturbulenzen 2022 in Folge des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise steht die Branche den Umständen entsprechend gut da. «Zudem wird der gewichtete Durchschnitt über den Grossteil der Pensionskassen berechnet, ohne dass diese überhaupt betroffen wären von der Mitteilung der OAK», sagte Fiore in einem Gespräch. «Bei einer Umsetzung leiden nicht nur der Wettbewerb, sondern auch die jetzigen Generationen an Aktivversicherten. Diese mussten bereits in den vergangenen Jahren aufgrund der stetigen Senkungen der technischen Zinssätze auf einen Teil ihrer Besserverzinsung verzichten.» Zumal es durch die Zinswende positive Effekte gebe und die Verzinsung der Altersguthaben höher angesetzt werden könnte.
Für die Festlegung einer Obergrenze bei den Verzinsungen durch die OAK fehle zudem schlicht und ergreifend die gesetzliche Grundlage. Diese Festlegung obliege den obersten Organen der Vorsorgeeinrichtungen. Was inter-pension ebenfalls sauer aufstösst, ist die Tatsache, dass es im Vorfeld der OAK-Mitteilung keine Gelegenheit für eine Stellungnahme gab und keine Anhörung stattfand. Sie empfiehlt den obersten Organen ihrer Mitglieder als Konsequenz, die Mitteilung schlichtweg zu ignorieren.
«Operation gelungen, Patient tot»
Unter dem Titel «Operation gelungen, Patient tot» kommentiert der Schweizerische Pensionskassenverband Asip seine ablehnende Haltung zur OAK-Mitteilung. Für den Dachverband, der über seine rund 900 Mitglieder rund zwei Drittel der Versicherten in der beruflichen Vorsorge vertritt, würden durch die Regelung falsche Anreize gesetzt. Bei gutem Renditeverlauf entstehe für eine Sammel- und Gemeinschaftseinrichtung künstlicher Druck, den Deckungsgrad zum Beispiel durch eine Erhöhung des technischen Zinssatzes möglichst hoch und die Zielwertschwankungsreserve möglichst tief anzusetzen, um von der Regelung gar nicht betroffen zu sein. Dies könne unter Umständen sogar eine Gefahr für die finanzielle Stabilität der Vorsorgeeinrichtung bedeuten, gibt Asip in seiner Stellungnahme zu bedenken. Die Pensionskassenverbände demonstrieren also allesamt Einigkeit in ihrer ablehnenden Haltung. Offensichtlich wurde mit der OAK-Mitteilung ein echter Papiertiger geboren.