Eigentlich wollte sie eine internationale Karriere machen. Weil andere Kulturen und Mentalitäten sie reizen. De facto ist sie seit vielen Jahren beim selben Unternehmen in ihrer Heimat Luzern tätig. Weil sich die Kultur im Unternehmen stets verändert hat und weil ihr Aufgabenbereich mit jedem Schritt auf der Karriereleiter ein anderer wurde. 2015 ist sie ganz oben angekommen und das Erste, was sie als frischgebackene CEO der CSS verkündete, war eine klare Ansage:  «Wir wollen nicht nur der führende Krankenversicherer sein, sondern die Innovation im Gesundheitsmarkt prägen.» Philomena Colatrella hat nicht lange gebraucht, um genau dahin zu kommen. Gemessen am Prämienvolumen ist die CSS seit 2019 der Platzhirsch im ganzen Land – und mit der Innovation kam die CSS auch gut voran. 

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«Die Branche ist sich häufig uneins und zu oft geht vergessen, worum es wirklich geht: Nämlich um den Erhalt eines gesellschaftlich relevanten Gesundheitssystems, das finanzierbar ist», sagt die Luzernerin. Der Bevölkerung den Zugang zu einem guten und bezahlbaren System zu ermöglichen, das sei es, was sie antreibe und durch die langen Arbeitstage trage. Ihr Wecker klingelt vor sechs Uhr in der Früh, dann gönnt sie sich eine Stunde Zeit zum Lesen. «Ich liebe Studien und lese alles an relevanten Forschungsergebnissen, was mir in die Finger kommt», sagt sie. Denn im Grunde ihres Herzens ist sie eine Naturwissenschafterin. «Zwar komme ich aus einem humanistisch geprägten Elternhaus, aber die MINT-Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik haben mich schon immer fasziniert», sagt sie. Sie entschloss sich dann jedoch für Jura als Studienfach, was «MINT in Prosa» sei, sagt sie und lacht. 

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Als sie dann als junge Anwältin zur CSS ging, war ihr nach drei Monaten schon langweilig und sie war kurz davor, wieder zu kündigen. Ihr damaliger Chef hielt das wohl korrektermassen für Unterforderung und übertrug ihr mehr Verantwortung. Und so kam es, dass Philomena Colatrella zunächst das Team des Rechtsdienstes aufbaute, dann den Bereich Legal & Compliance organisierte und letztlich das ganze Unternehmen umbaute – nachdem sie von den Männern der CSS dazu ermuntert worden war, den Posten der CEO zu übernehmen. «Eigentlich war und bin ich immer auch die grösste Kritikerin der CSS», sagt Philomena Colatrella, die ihren kritischen Blick aber stets zum Anlass für Verbesserung nimmt. Stillstand kommt nicht infrage. So geht ihr Engagement weit über die Krankenversicherung hinaus. Themen wie Digital Health und die boomende Startup-Szene haben es ihr angetan.

Durchschnittlich alle drei Jahre brauche sie eine Veränderung oder etwas Neues, stellt sie fest. Dann macht sie eine Weiterbildung, nimmt Klavier- oder Gesangsunterricht oder lernt eine weitere Fremdsprache dazu, nebst den fünf Sprachen, die sie schon beherrscht. Derzeit ist sie bei Portugiesisch, sie lernt die Sprache «so zwischendurch». «Mein Energielevel ist hoch und ich habe Lust, diese Energie in eine herausfordernde operative Tätigkeit zu stecken», erklärt sie. Ihr Mann sei zum Glück ganz anders gestrickt als sie und gebe ihr und ihrer «kreativen Rastlosigkeit» die lebensnotwendige Bodenhaftung. 

Kreativ ist ein weiteres Stichwort: Musik, Kunst, Theater – alles Kulturelle ist ihr wichtig. Wie auch ihre Tätigkeit im Stiftungsrat des Kleintheaters Luzern, wo sie in den letzten Jahren viele Menschen mit einem Sinn für klugen Humor angetroffen habe. Und seit Corona stehe auch wieder ein Klavier in ihrem Haus, auf dem sie aber nur für sich selbst spielt. Musik liebt sie von Klassik bis Rock; ihr Handy klingelt mit dem Sound von David Bowies «Under Pressure», was manchmal für Erheiterung in ihrem Umfeld sorgt. «Ich bin extrem vielfältig interessiert und lasse mich dadurch nicht in eine Schublade stecken. Ich bin auch da wirklich divers», sagt sie und lacht.