Darum geht's
  • Pensionskassen in der Schweiz übernehmen zunehmend die Rolle von Vorsorgeberatern, indem sie Versicherten bei der Finanzplanung helfen.
  • Innovative Kassen bieten angepasste Sparpläne und umfassendes Coaching in Vorsorge- und Steuerfragen an, um die Altersvorsorge besser zu gestalten.
  • Diese erweiterte Rolle erfordert gut ausgebildete Fachkräfte und eine bessere Informationspolitik, um den komplexen Anforderungen gerecht zu werden.
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Die Zeiten haben sich auch für die Pensionskassen gewandelt. Früher verstanden sie sich einzig als Verwalterinnen der Altersguthaben, doch heute sollten dynamische Vorsorgeeinrichtungen ihren Versicherten einen Teil der Finanzplanung abnehmen. Für Werner Niederberger, Direktionsmitglied beim Versicherungsbroker Kessler, müssen das Denken und die Zielsetzung um 180 Grad gedreht werden: «Anstatt die berufliche Vorsorge zu verwalten, muss das Ziel lauten, möglichst viele Dienstleistungen aus einer Hand anzubieten und dies den Versicherten gegenüber transparent darzulegen.»

Pensionskassen sind keine Finanzplaner

Willi Thurnherr, Aon Schweiz

In diese neue Rolle als Vorsorgeberaterin sind allerdings erst einige wenige Pensionskassen geschlüpft. Dabei stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, wie weit sich die Verantwortlichen in der zweiten Säule vom reinen Verwalten des Kapitals verabschieden wollen. «Pensionskassen sind keine Finanzplaner», sagt Willi Thurnherr, Partner und Pensionsversicherungsexperte bei Aon Schweiz. Er meint damit eine umfassende Darstellung der individuellen finanziellen Situation, die alle Einnahmen und Ausgaben umfasst. Für ihn übersteigen etwa Erbschaftsthemen oder der Umgang mit Wohneigentum den Wirkungskreis der Pensionskassen bei Weitem.

Spezielles Vorsorge-Coaching 

Obwohl der Gesetzgeber in der beruflichen Vorsorge nur wenig Individualisierung zulässt, nutzen innovative Kassen diesen Spielraum vermehrt aus. Dazu gehört etwa das Anbieten von drei Sparplänen, wobei der Arbeitgeberbeitrag immer mindestens gleich hoch sein muss. Die Versicherten  entscheiden je nach Sparbedürfnis, wie hoch ihre Beiträge in die Pensionskasse monatlich sein sollen und beeinflussen dadurch die Höhe des Altersguthabens zum Zeitpunkt der Pensionierung. Wichtig bleibt auch die Vorbereitung auf die Pensionierung – mit verschiedenen Optionen bei den Altersleistungen.

Entscheidend ist für Jörg Odermatt, Gründungspartner beim Vorsorgeberater Pensexpert: «Die Pensionskassen sollten die Versicherten bei Vorsorge- und Steuerfragen coachen können.» Dazu braucht es bei einer Vorsorgeeinrichtung entsprechende Fachpersonen, welche diese anspruchsvolle Aufgabe übernehmen können. Zum Aufgabenkreis eines Vorsorge-Coachs gehört auch die regelmässige Weiterbildung der Versicherten. Gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Lage, rechtzeitig ihre persönliche Altersvorsorge mit geeigneten Massnahmen zu verbessern. Aus der Sicht von Vorsorgeexperte Odermatt wäre es auch bei der bevorstehenden Volksabstimmung zur Reform der beruflichen Vorsorge zu begrüssen, wenn die Versicherten über mehr Vorsorgewissen verfügen würden.

Luft nach oben

Den grössten Schritt vorwärts haben die Pensionskassen in der Informationspolitik vollzogen. Hochdigitalisierte Verwaltungen mit einem benutzerfreundlichen Versichertenportal sind weit verbreitet. Es wird versucht, mit modernen Kommunikationsmitteln die teils komplexen Sachverhalte in der zweiten Säule zu überwinden. Nebst der pflichtgemässen Abgabe von Daten zum angesparten Alterskapital und den zu erwartenden Leistungen gehören regelmässig versandte Newsletter dazu, die über kassenspezifische Themen – wie etwa Performance, Verzinsung, Deckungsgrad oder Anpassungen im Reglement – informieren. «Alle Vorsorgeeinrichtungen versuchen, für ihre Versicherten die ideale Pensionskasse zu sein, wenn auch der Fokus auf unterschiedliche Themen gelegt wird», beobachtet Branchenkenner Thurnherr.

Allerdings bleibt für weitere innovative Vorsorgelösungen – hin zu einer ganzheitlichen Finanzberatung – noch Luft nach oben. Nach Meinung von Insidern ist zum heutigen Zeitpunkt immer noch von einem Zusammenprallen der Sozialversicherungsfachleute und der professionellen Finanzplaner zu sprechen. Vorsorgeexperte Niederberger wünscht sich bei den erweiterten finanziellen Dienstleistungen zugunsten der Erwerbstätigen vor allem «einen besseren Überblick mittels einer Vorsorgeanalyse und dadurch das nicht ganz einfache Zusammenspiel und die Koordination der drei Säulen».

Trend zur Individualisierung

Sobald auch 1e-Pläne für Kadermitglieder und Spezialisten in einem Unternehmen bestehen, intensiviert sich der Dialog. Weil in diesen Vorsorgeplänen nur Lohnbestandteile über 132’300 Franken versichert werden können, bleibt ein Grossteil der Versicherten von diesen Sparmodellen ausgeschlossen. Generell nimmt jedoch der Trend zur Individualisierung zu. Entsprechend wird auch die Nachfrage nach 1e-Plänen steigen. Diese Vorsorgevariante bietet den Versicherten die Möglichkeit, aus bis zu zehn vorgegebenen Anlagestrategien von konservativ bis riskant auszuwählen, wobei eine davon «risikoarm» sein muss. «Die Beratung bei 1e-Plänen ist recht komplex, weil nebst dem Vorsorge- und Steuerbereich auch noch die Anlageseite dazukommt», sagt Marktkenner Odermatt. Entsprechend empfiehlt es sich, die Versicherten durch gut ausgebildete Finanzplaner betreuen zu lassen. 

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Die Kernkompetenz einer Pensionskasse, gemäss der gesetzlichen Vorgabe einen möglichst hohen Ertrag für die Versicherten zu erzielen, bleibt auch bei den erweiterten Finanzdienstleistungen an erster Stelle. Zusätzlich zur Anlage von Geldern sollten Pensionskassen aber immer häufiger auch Beratungen für ihre Mitglieder anbieten, um sie bei der Planung ihrer Altersvorsorge zu unterstützen. Speziell Sammel- und Gemeinschaftsstiftungen, die bereits mehr als drei Viertel der Vorsorgegelder in der zweiten Säule verwalten, können sich mit solchen Dienstleistungen gegenüber der Konkurrenz profilieren.

Dieser Beitrag erschien erstmals am 27. Juni 2024 im HZ Insurance Print Special Pensionskasse.