«Vielleicht unspektakulär, aber wirkungsvoll»: Damit war nicht der Austragungsort gemeint, denn das «Joggeli», wie das Fussballstadion St. Jakob-Park in Basel genannt wird, konnte sich auch an diesem verregneten Sommertag sehen lassen. Als «unspektakulär, aber wirkungsvoll» bezeichnete der scheidende Präsident des Schweizerischen Versicherungsverbandes SVV, Rolf Dörig, in seiner Präsidialrede die Versicherungsbranche.
«Wenn wir unser Geschäft richtig machen, sollten uns auch unerwartete Ereignisse nicht überraschen. Unsere Branche schafft Stabilität und Sicherheit für die Menschen und Unternehmen in diesem Land und trägt zum Wohlstand unserer Gesellschaft bei. Vielleicht unspektakulär, aber sehr wirkungsvoll», sagte Dörig in Basel. Diese wichtige Aufgabe der Versicherungswirtschaft und ihr Beitrag zur Standortattraktivität und Finanzstabilität des Landes waren auch das übergreifende Thema am «Tag der Versicherer».
Basel hat nicht nur die Pharmaindustrie
Regierungsrat Kaspar Sutter, Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt des Halbkantons Basel-Stadt, hob in seiner Grussbotschaft das Gewicht der Versicherungswirtschaft auch in Basel hervor: «Grossprojekte wie der Baloise Park und der Helvetia Campus zeigen die Bedeutung der Versicherungsindustrie in Basel. Sie ist ein wichtiger Pfeiler der hiesigen Wirtschaft», sagte er. Wie die Pharmaindustrie sei auch die Versicherungsbranche darauf angewiesen, genügend Fachkräfte zu finden, um die Dienstleistungen und Produkte von morgen zu entwickeln.
Eine multipolare Welt
Mit Spannung erwarteten die Gäste das Referat von Eric Gujer, Chefredaktor der «Neuen Zürcher Zeitung». Er öffnete das Feld und bot neben der regionalen und nationalen Perspektive auf die Wirtschaft auch einen Blick auf die geopolitischen Entwicklungen und auf ihre Bedeutung für die Schweiz und Europa. Die globalen Machtverhältnisse hätten sich verschoben: «Wir leben wieder in einer multipolaren Welt», sagte Gujer. Er sieht die Welt an einem Scheideweg mit verschiedenen Machtblöcken. In dieser Zeit müsse auch die Schweiz auf ihre Nachbarn zugehen. «Das heisst jedoch nicht, dass die Schweiz der EU beitreten muss. Es bedeutet aber, dass man nicht überall Nein sagen darf, sondern auch etwas geben muss», betonte er.
Hochkarätiges Podium zum Versicherungsstandort Schweiz
Ein Thema, das in der Öffentlichkeit und in den Medien wenig präsent zu sein scheint, ist der Vertrauensverlust der Bevölkerung und der Investoren im In- und Ausland in die Schweizer Behörden und Institutionen, der jüngst durch die erzwungene Übernahme der Credit Suisse durch die UBS noch verstärkt wurde. Die Podiumsgäste Eric Gujer, Chefredaktor «Neue Zürcher Zeitung», Christa Markwalder, Nationalrätin, und Patrick Raaflaub, SVV-Vizepräsident und Group Chief Risk Officer Swiss Re, waren sich einig: Die politische Berechenbarkeit hat gelitten, und die Reputation der Behörden und der Finanzindustrie muss wieder aufgebaut werden. Ein Spillover-Effekt in der Regulierung müsse unbedingt vermieden werden: «Wir können die Unterschiede im Geschäftsmodell zwischen Banken und Versicherungen nicht genug betonen», sagte Nationalrätin Christa Markwalder.
Banken und Versicherer mit verschiedenen Geschäftsmodellen
Banken und Versicherer haben unterschiedliche Risikoprofile. Zwar arbeiten beide mit Kapital und erfüllen wichtige finanzielle Bedürfnisse der Bevölkerung, erläuterte der SVV-Vizepräsident Patrick Raaflaub. Doch ein «Bank Run» sei bei den Versicherern nahezu ausgeschlossen. Die Auszahlungen der Versicherer seien immer an einen spezifischen Schadensfall oder an einen vordefinierten Leistungsfall gebunden. «Der Versicherte kann deren Eintritt nicht beeinflussen. Entweder es gibt einen Schaden, oder es gibt ihn nicht», sagte Raaflaub. Im Ereignisfall ermöglichen Versicherer durch ihre Schadensauszahlung finanzielle Kontinuität und psychologische Sicherheit. Banken und Versicherer seien unterschiedlichen Risiken ausgesetzt und dürften deshalb regulatorisch nicht in denselben Topf geworfen werden, betonte Raaflaub weiter.
Das Fazit? Gerade in wirtschaftlich und politisch turbulenten Zeiten bieten Versicherer finanzielle Stabilität. Dieser wichtige Beitrag zur Standortattraktivität des Finanzplatzes Schweiz und auch die Bedeutung der Versicherer für die Resilienz der Gesellschaft müssen im Dialog mit Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Investoren im In- und Ausland noch stärker herausgearbeitet werden.
Ein dynamischer Versicherungsmarkt liegt im Interesse aller
Denn eine erfolgreiche Wirtschaft ist auf gute Rahmenbedingungen angewiesen, wie Juan Beer, SVV-Vizepräsident und CEO Zurich Schweiz, in seinem Schlusswort, das zugleich den scheidenden Präsidenten Rolf Dörig würdigte, darlegte: «Die Rahmenbedingungen müssen uns vor allem befähigen und nicht behindern, denn ein dynamischer, innovativer und nachhaltiger Versicherungsmarkt liegt im Interesse aller Anspruchsgruppen.»
Mit Blick auf das Fussballstadion stimmten in Basel jedenfalls die örtlichen Rahmenbedingungen, als sich die zahlreichen Gäste, darunter auch der neue Arbeitgeberpräsident Severin Moser und der Mitte-Präsident Gerhard Pfister, im Anschluss an das Programm beim Lunch und beim Apéro austauschten. Pünktlich zum Ende der Veranstaltung hörte auch der Sommerregen auf, bevor man sich auf den Heimweg machte, vorbei am illustren, noch im Bau befindlichen Helvetia Campus.
93. Generalversammlung wählt Stefan Mäder zum Präsidenten
Die Delegierten des Schweizerischen Versicherungsverbandes SVV haben an ihrer Generalversammlung in Basel Stefan Mäder zu ihrem neuen Präsidenten gewählt. Mäder, Verwaltungsratspräsident der Mobiliar, folgt auf Rolf Dörig, der dem Branchenverband der Privatversicherer während sechs Jahren vorstand. Das Vizepräsidium besteht aus Juan Beer, CEO Zurich Schweiz, und neu Patrick Raaflaub, Group Chief Risk Officer und Mitglied der Konzernleitung von Swiss Re. Raaflaub löst Michael Müller ab, der per 1. Juli als Group CEO der Konzernleitung der Baloise vorsteht, aber im Vorstand des SVV bleibt.