Mit dem Wert einer Marke ist es so eine Sache. Vor allem bei Konsumgütern wird die Diskussion darüber sehr schnell emotional, denn während sich dieser für Investoren oder andere Finanzexperten stark auf Finanzkennzahlen abstützt, haben für Käuferinnen und Käufer Gefühle und Einstellungen einen enormen Einfluss auf den Markenwert von Konsumgütern und Modeartikeln. Bei diesen schafft eine Marke Wert, indem sie durch ihre individuellen Eigenschaften im Entscheidungs- und Kaufverhalten der Konsumenten überzeugt.
Vertrauen macht wertvoll
Bei der Kaufentscheidung für eine Versicherungsleistung spielen dagegen andere Faktoren eine Rolle. «Vertrauenswürdigkeit der Marke, Transparenz, Verlässlichkeit bei Schadenereignissen sind genauso wichtig wie die Beratungskompetenz, das Verständnis im Versicherungsfall oder die Convenience der Kundenbeziehung», weiss Thomas Deigendesch aus seiner langjährigen Erfahrung als Markenbewertungsexperte und Managing Partner bei Jung von Matt Brand Identity (siehe auch Nachgefragt).
Je nachdem wie eine Versicherungsmarke hinsichtlich der oben genannten Eigenschaften gegenüber den Marken ihrer Mitbewerber dasteht, überzeugt sie also mehr oder weniger Konsumenten bei ihrer Entscheidung für eine Versicherung und deren Leistungen. Dies wiederum hat einen direkten Einfluss auf den Markenwert des Unternehmens. «Je stärker eine Versicherungsmarke durch ihre Wettbewerbskraft wie z. B. Bekanntheit und Kundenbindung sich durchsetzt und mit ihren Imageeigenschaften die Kaufpräferenzen von Konsumenten positiv anspricht, desto mehr trägt sie zur Erwirtschaftung von Cashflows und Erträgen bei und desto wertvoller ist sie», so der Markenexperte.
Rankings kritisch betrachten
Geht es nach dem Ranking von Brand Finance Insurance, besitzt der chinesische Versicherer Ping An einen Markenwert von 45 Milliarden Dollar und ist damit das wertvollste Versicherungsunternehmen der Welt. Allianz und Axa, die ersten Vertreter der europäischen Assekuranz, folgen mit 20 bzw. 17 Milliarden Dollar auf den Plätzen drei und vier.
Mit einem Markenwert von deutlich unter 10 Milliarden Dollar folgt die Zurich als erster Schweizer Versicherer abgeschlagen auf Rang 13. Solche Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen. «Markenwertrankings betrachten die Marken- und Finanzdaten eines Unternehmens von aussen und gehen nicht in die analytische Tiefe», konstatiert Deigendesch. Aus dieser Perspektive ist es nicht verwunderlich, dass die Hälfte der zehn wertvollsten Unternehmen in besagtem Ranking chinesische Versicherer sind. Dank deren gigantischem Heimmarkt sind sie eindeutig im Vorteil.
Thomas Deigendesch rät dazu, die Methode und die Berechnung einer Marke im Einzelfall immer genau anzuschauen, um die Robustheit des Markenwertes zu beurteilen. Zudem muss auch beachtet werden, dass Marken je nach Branche und Produkt einen unterschiedlichen Stellenwert in der Kaufentscheidung der Konsumenten haben. In der Versicherungswirtschaft liegt der Anteil der Marke am Unternehmenswert bei 16 bis 20 Prozent. Ein Klacks im Vergleich zur Konsum- und Luxusgüterindustrie. In dieser kann er zwischen 40 und 60 Prozent betragen.
NACHGEFRAGT bei Thomas Deigendesch:
«In der Regel wird das Ertragswertverfahren angewendet»
Lässt sich der Wert einer Marke überhaupt berechnen oder ist da viel «Kaffeesatzlesen» drin?
Eine fundierte Markenwertberechnung hat nichts mit Kaffeesatzlesen zu tun, sondern folgt internationalen Standards, Normen und Verfahren.
Was sind das für Standards?
Es gibt beispielsweise die ISO-Norm 10668 für die finanzielle Bewertung von Marken und in Deutschland vom Institut der Wirtschaftsprüfer den IDW Standard 5 zur Bewertung von immateriellen Vermögenswerten. Diese tragen zur Erwirtschaftung der Unternehmensergebnisse bei und können auch bilanziert werden. Seriöse Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Markenbewertungsspezialisten orientieren sich an diesen Standards.
Und was ist das Wichtigste bei der Berechnung?
Um den Markenwert in einem laufenden, existierenden Geschäft zu ermitteln, wird in der Regel das Ertragswertverfahren angewendet. Der Wert definiert sich hier nach dem Gegenwartswert der zukünftig zu erwartenden Erträge oder Cashflows, die der Marke zugerechnet werden können.
Das tönt ziemlich komplex …
Vereinfacht ausgedrückt geht man in drei Schritten vor: Zuerst prognostiziert man in der Regel fünf Jahre in die Zukunft die zu erwartenden Erträge. Danach isoliert man die Marken-Erträge, also Erträge, die nicht durch andere materielle oder immaterielle Vermögensgegenstände wie Humankapital oder Patente verursacht werden. Da die prognostizierten Erträge einem Risiko der Eintrittswahrscheinlichkeit unterliegen, werden diese in einem dritten Schritt mit einem risikoangepassten Kapitalisierungszinssatz diskontiert.
Eine solche Markenwertberechnung erfordert eine fundierte Analyse der finanziellen Daten des Unternehmens sowie eine fundierte Analyse der Marke und ihrer akquisitorischen Kraft.