Herr Furtschegger, Cybervorfälle wurden erneut als das grösste Geschäftsrisiko für 2025 eingestuft. Wie unterstützt Allianz Commercial Unternehmen dabei, ihre Resilienz gegen Cyberangriffe und deren Folgen zu stärken?
Wir sind zunächst beratend tätig und unterstützen unsere Kundinnen und Kunden dabei, ihre Resilienz zu stärken und Prävention zu verbessern. So tragen wir dazu bei, dass es gar nicht erst zu Vorfällen kommt. Dafür gehen wir mit den Verantwortlichen ins Gespräch und schauen uns zahlreiche Bereiche an, die für uns im Rahmen der Risikominimierung eine Rolle spielen. Das beginnt bei Fragen nach Mitarbeiterschulungen, um Phishing-Angriffe zu vereiteln, betrifft Fragen nach Daten- und Server-Back-ups, Multifaktor-Authentifizierung, Firewalls und «Detection and Response»-Lösungen, um Attacken und Cybervorfälle verhindern, erkennen oder im Ernstfall deren Ausmass minimieren zu können. Schliesslich stellen wir auch die Frage nach entsprechenden Massnahmenplänen und deren Einübung und unterstützen bei der Definition von entsprechenden Cybersicherheitskonzepten.
Wenn wir diesen IT-Reifegrad nach unserer Underwriting-Prüfung feststellen, gehen wir in den Risikotransfer. Darüber hinaus helfen wir unseren Versicherten bei präventiven Schutzmechanismen, von der Implementierung eines Cyberkrisenplans bis hin zu Cyberkrisenübungen mit dem Krisenstab unseres Versicherten. Auch nach einem Cybervorfall unterstützen wir unsere Kunden: Wir haben Cyber- und IT-Experten sowie ein umfassendes Netzwerk von Dienstleistern, die im Fall des Falles etwa bei der IT-Forensik oder juristischen Fragen unterstützen.
Der Klimawandel hat erstmals Platz fünf in der Risikoliste erreicht. Welche spezifischen Massnahmen planen Sie, um Schweizer Unternehmen bei der Anpassung an klimabedingte Risiken und Übergangsrisiken zu unterstützen?
Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) in der Schweiz hat bereits im Jahr 2020 bestätigt, dass im Finanz- und Versicherungssektor Klimarisiken berücksichtigt werden. Dies kann und muss noch weiter ausgebaut werden. Die Allianz Suisse, unter Allianz Commercial verantwortlich für mittelgrosse Firmen- und Industriekunden, ist Mitglied des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV) und liefert regelmässig aggregierte Schadendaten in bestehende Gemeinschaftsstatistiken zur Forschung und für gezielte Massnahmen, um das Pariser Klimaabkommen in der Wirtschaft umzusetzen.
Prävention und Schutz vor den Folgen der Klimarisiken und des Klimawandels sind ein noch zentraleres Thema im schweizerischen Elementarschadenpool.
Michael Furtschegger, Regional Managing Director Germany & Switzerland von Allianz Commercial
Prävention und Schutz vor den Folgen der Klimarisiken und des Klimawandels sind ein noch zentraleres Thema im schweizerischen Elementarschadenpool, kurz: «ES-Pool», geworden. Der ES-Pool ist ein freiwilliger Zusammenschluss privater Versicherungen zum besseren Risikoausgleich bei Elementarschäden. Dabei haben sich zwölf Versicherungsgesellschaften im Elementarschadenpool zusammengeschlossen. Diese Gesellschaften decken über 90 Prozent des Marktes ab. Im ES-Pool, bereits 1936 mit dem Gedanken der solidarischen Deckung von Naturgefahren gegründet, ist der Klimawandel mit seinen Folgen und zukünftigen Herausforderungen auch ein zentrales Thema.
Wie alle Versicherungsgesellschaften, die in der Schweiz die Feuerversicherung anbieten, kommen wir ferner der gesetzlichen Verpflichtung nach, Elementarschäden in die Versicherung einzuschliessen und darüber hinaus die Bedürfnisse der Versichertengemeinschaft zu erfüllen. Wir stehen mit Beratung, Modellierung und Versicherungsschutz zur Seite.
Mit wiederkehrenden Schadenssummen von über 100 Milliarden Dollar jährlich bleiben Naturkatastrophen ein zentrales Risiko. Welche neuen Versicherungslösungen bieten Sie an, um Unternehmen besser gegen diese Risiken abzusichern?
Grundsätzlich können wir mit den bisherigen Versicherungslösungen viele Risiken absichern. Wir bieten darüber hinaus weitere Versicherungslösungen an, denken Sie an Möglichkeiten im Bereich «Alternative Risk Transfer». Unser Vorgehen schliesst inzwischen zudem parametrische Deckungen ein.
Mir ist es wichtig, zu betonen, dass Risikotransfer nur ein Teil der Lösung ist – die zweite Säule ist die Prävention. Wenn wir als Versicherer einspringen, ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Was bedeutet Prävention an der Stelle? Dazu gehört etwa Sachschutz gegen die Sekundärgefahren des Klimawandels – Fluten, Starkregen, Stürme und so weiter –, Analysen und Modellierungen eigener Betriebsunterbrechungsrisiken inklusive entsprechender Vorbereitungen im Bereich des Business-Continuity-Management. Auch hier können wir mit unseren Risikoingenieuren, Supply-Chain- und Klimamodellen und unserer langjährigen Erfahrung unterstützen.
Änderungen in der Gesetzgebung und Regulierung stehen weiterhin im Fokus der Unternehmen. In der Schweiz werden Nachhaltigkeitsberichte und ESG-Anforderungen immer wichtiger. Wie unterstützen Sie und Ihr Team lokale Unternehmen dabei, sich an diese wachsenden regulatorischen Anforderungen anzupassen und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben?
Ähnlich wie für Unternehmen in Europa unter CSRD – Corporate Sustainability Reporting und EU-Taxonomie – gilt für Unternehmen in der Schweiz seit dem 1. Januar 2023 die Berichterstattung in Sachen ESG, gesetzlich verankert. Basis ist die Verordnung zur Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange. Die nichtfinanzielle Berichterstattung erstreckt sich auf die bekannten «ESG-Themenbereiche» Umwelt und CO2-Ziele, Soziales, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung.
In diesem Sinne gilt es für die Unternehmen zunächst, sich an diese Vorschriften zu halten und ihre Prozesse, Strukturen, Governance und Berichtswesen danach auszurichten, um gesetzeskonform und compliant zu handeln.
Wie im Bereich Cyber können wir als Versicherungspartner eine wichtige Beratungsrolle übernehmen. Grundlage sind Gespräche mit den Verantwortlichen in den Unternehmen. Ziel ist es, den aktuellen Ansatz in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaberichterstattung zu verstehen sowie potenzielle Bereiche für eine Zusammenarbeit im Bereich Klimaschutz und Klimaresilienz zu identifizieren.
Ein weiterer Baustein sind dann individuelle Versicherungs- und Risikolösungen. Die Allianz entwickelt massgeschneiderte Versicherungsprodukte und Risikomanagementlösungen, die speziell auf die Bedürfnisse von Unternehmen zugeschnitten sind, um ihnen zu helfen, Risiken im Zusammenhang mit ESG-Anforderungen zu mindern und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Wir als Versicherungspartner können im Bereich CSR eine wichtige Beratungsrolle übernehmen. Grundlage sind Gespräche mit den Verantwortlichen in den Unternehmen. Ziel ist es, den aktuellen Ansatz in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaberichterstattung zu verstehen sowie potenzielle Bereiche für eine Zusammenarbeit im Bereich Klimaschutz und Klimaresilienz zu identifizieren.
Michael Furtschegger, Regional Managing Director Germany & Switzerland von Allianz Commercial.
Die rasante Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) wurde erstmals unter den Top-Ten-Risiken gelistet. Wie bewertet Allianz Commercial die Chancen und Risiken von KI für ihre Kunden und ihre eigenen Geschäftsprozesse?
Dass die KI weltweit erstmals in den Top Ten landet – als Teil des Risikos «neue Technologien» – ist ein interessantes Ergebnis. Dazu zwei Hinweise: Zum einen scheint das Thema weltweit präsenter zu sein als in Europa. Denn weder in Europa insgesamt noch in Deutschland oder der Schweiz ist es in den Top Ten vertreten. Zum anderen sehen die Befragten mehr Chancen als Risiken durch die KI. 50 Prozent von ihnen sind der Meinung, dass KI mehr Vorteile als Nachteile hat, nur 15 Prozent sehen es andersherum.
Auf Chancen und Risiken blicken wir als Versicherer in verschiedener Hinsicht. Da ist einerseits die Risikenseite: Was bedeutet KI etwa im Bereich der Cyberkriminalität? Wir sehen bereits heute automatisierte, KI-basierte Angriffsmodelle. Auch im Bereich des Datenschutzes oder der Governance sind Risiken denkbar. In meinen Augen überwiegen aber die Chancen. Um bei der Cyberkriminalität zu bleiben: KI kann genauso den Verteidigern bei Risikoprävention und -minimierung in die Hände spielen.
Wir als Unternehmen nehmen die Risiken ernst, schauen aber positiv auf KI und setzen entsprechende Lösungen bereits ein. Das gilt für einfache Anwendungen wie Allianz GPT, also eine Chat-GPT-Anwendung, gemünzt auf die Allianz – was die Vorteile gewährt, KI in der Praxis einzusetzen, ohne den Datenschutz zu verletzen oder sensible Informationen zu streuen. Es bietet aber auch Möglichkeiten im Underwriting oder in der Schadenbearbeitung. Hier setzen wir zunehmend KI-Applikationen ein. Unser Ziel ist es, insgesamt die Produktivität zu erhöhen und unsere Mitarbeitenden von repetitiven, wenig wertschöpfenden Aufgaben zu entlasten.