Das sagen nicht nur die Branchenriesen Munich Re und Swiss Re. Auch ihre Kundschaft - also Erstversicherer wie Allianz und Axa - erwartet, dass Rückversicherungsschutz im kommenden Jahr teurer wird. Die hohen Schäden durch die Coronavirus-Pandemie hätten den Trend zu höheren Prämien zusätzlich befeuert, sagte Branchenexperte Johannes Bender von der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) am 8. September 20 in einer Videokonferenz.
Während S&P die zu erwartenden Preissteigerungen der Rückversicherer im Geschäft mit Erstversicherern wie Allianz und Axa nicht beziffern wollte, wurde die Ratingagentur Moody's konkreter. Die meisten von ihr befragten Erstversicherer erwarteten, dass sie für Rückversicherungsschutz im Schaden- und Unfallgeschäft im nächsten Jahr über 5 Prozent mehr bezahlen müssten als zuletzt, schrieb Moody's in einer am Dienstag veröffentlichten Studie. Viele rechneten mit Steigerungen von bis zu 15 Prozent. Möglicherweise halte der Trend auch über das nächste Jahr hinaus an, prognostizierte Moody's.
Diese Erwartungen passen zu den Aussagen der beiden weltgrössten Rückversicherer. So hatte die Swiss Re am Morgen angekündigt, dass sie angesichts der Niedrigzinsen und der hohen Belastungen im Schaden- und Unfallgeschäft mit weiteren Preiserhöhungen in allen Teilbereichen rechnet. Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek hatte sich bereits am Montag überzeugt gezeigt, dass die Rückversicherer 2021 erneut an der Preisschraube drehen können. Er begründete dies auch mit einem Aufholprozess, nachdem die Preise mehrere Jahre lang gefallen waren.
Normalerweise treffen sich die Rückversicherer mit ihren Kunden und Maklern im September in Monte Carlo, um Preise und Bedingungen für die Vertragserneuerung zum folgenden Jahreswechsel auszuhandeln. Wegen der Corona-Pandemie fällt die Veranstaltung aus. Die Gespräche und die Pressekonferenzen zum Thema finden deshalb vielfach in Videokonferenzen statt.
Trotz der erwarteten Preiserhöhungen gehen Experten nicht davon aus, dass die Gewinne der Rückversicherer in nächster Zeit allzu üppig sprudeln. Sowohl S&P als auch Moody's haben ihren Ausblick für die Branche unter dem Eindruck der Corona-Krise von "stabil" auf "negativ" gesetzt.
Die Rückversicherer hätten mehrere Jahre lang ihre Kapitalkosten nicht verdient, begründete S&P-Analyst Bender den Schritt. Für das laufende Jahr erwartet er für die 20 grössten Unternehmen der Branche eine Eigenkapitalrendite von 0 bis 3 Prozent. Für 2021 geht er von einer Steigerung auf 5 bis 8 Prozent aus.
In der Lebensrückversicherung, bei der in diesem Jahr vor allem die hohe Zahl der coronabedingten Todesfälle in den USA teuer zu Buche schlägt, dürfte die Eigenkapitalrendite laut S&P zwar von über 10 Prozent auf 4 bis 6 Prozent sinken. Damit werfe dieses Geschäft aber immer noch deutlich mehr ab als die Schaden- und Unfall-Rückversicherung.
"Wir erwarten, dass die Branche frühestens im Laufe des Jahres 2021 ihre Kapitalkosten verdienen kann", sagte Bender. "Erst dann würden wir den Sektorausblick auf stabil setzen." Dass die Unternehmen die hohen Schäden infolge der Pandemie tragen können, steht für ihn jedoch ausser Frage. "Wir sind weiterhin der Ansicht, dass die Branche über ein robustes Kapital verfügt", sagte Bender.
Wie teuer die Corona-Krise die Branche zu stehen kommt, steht immer noch in den Sternen. S&P geht derzeit von versicherten Schäden in Höhe von 35 bis 50 Milliarden US-Dollar (30 bis 42 Mrd Euro) aus. Der Rückversicherer Swiss Re rechnet sogar mit 50 bis 80 Milliarden Dollar. Und der Branchenriese Munich Re hat mehrere Studien zusammengetragen, bei denen die Spanne für die weltweit versicherten Corona-Schäden von 30 bis 107 Milliarden Dollar reicht.
Im ersten Halbjahr verbuchten die Top 20 der von S&P beobachteten Rückversicherer infolge der Corona-Krise bereits Schäden von 12 Milliarden Dollar, davon etwa 11 Milliarden im Schaden- und Unfallgeschäft und etwa eine Milliarde in der Lebensrückversicherung. Die Branche musste laut S&P vor allem für den Ausfall von Grossveranstaltungen, die Schliessung von Betrieben sowie Ausfälle in der Kreditversicherung und der Hypothekenversicherung in den USA geradestehen.
Im zweiten Halbjahr dürften weitere Schäden hinzukommen, sagte Bender, und auch für 2021 rechnet er mit weiteren Belastungen infolge der Pandemie. Zudem dürfe man die Hurrikan-Saison nicht vergessen. Man wisse nicht, welche Schäden Wirbelstürme in diesem und im nächsten Jahr noch anrichteten.
Zuletzt hatte Hurrikan "Laura" in den USA gewütet. Experten zufolge muss die Versicherungsbranche mit mehreren Milliarden Dollar für die Schäden geradestehen. Je nach Quelle könnten sich die versicherten Wind- und Sturmschäden an Land auf 4 oder 12 Milliarden Dollar summieren.
Bei Munich Re und Swiss Re schlugen die Folgen der Corona-Krise im ersten Halbjahr besonders teuer zu Buche. Der Dax -Konzern aus München verbuchte infolge der Pandemie Schäden in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Der Gewinn brach um mehr als die Hälfte auf 800 Millionen Euro ein. Bei der Swiss Re summierten sich die Corona-Schäden sogar auf 2,5 Milliarden Dollar. Der Konzern verbuchte daher in den ersten sechs Monaten unter dem Strich einen Verlust von rund 1,1 Milliarden Dollar.
(awp international/hzi/kbo)