Seit Anfang Jahr leiten Sie den RVK. Zuvor haben Sie als GL-Mitglied den Bereich Marketing & Bildung verantwortet. Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag verändert?
Es liegt natürlich in der Natur der Sache, dass man als Direktor noch mehr die Sicht für das Gesamtunternehmen einnimmt. Mögliche Partikularinteressen rücken automatisch in den Hintergrund und die Rolle des Moderators und Motivators wird noch wichtiger. Dazu beschäftige ich mich nun viel mehr mit strategischen und regulatorischen Fragestellungen und stehe im intensiven Austausch mit unserem Präsidenten sowie dem Vorstand und Verwaltungsrat. Und manchmal darf ich mich sogar um die Planung des Weihnachtsessens kümmern (lacht).
Ihr Vorgänger Daniel Herzog hat die Neuausrichtung der Strategie in Richtung allgemeiner Gesundheitsmarkt initiiert. Sie waren als Marketingleiter massgeblich an der Ausarbeitung beteiligt. Sind Anpassungen der Strategie geplant, beispielsweise in Folge der Pandemie?
Zuerst einmal darf ich sagen, dass die Ausarbeitung der Strategie ein gemeinsames Projekt war und wir diese miteinander erfolgreich umsetzen konnten. Heute werden wir als Dienstleister im Schweizer Gesundheitsmarkt wahrgenommen. Die Strategie wird vom Vorstand jeweils für drei Jahre bestätigt und ist noch bis Ende 2022 gültig. Unsere Vision – als unabhängiger und führender Dienstleister tätig zu sein – wird durch diese Strategie unterstützt. Wir wollen auch zukünftig daran arbeiten und ein noch wichtigerer Lösungsanbieter für unsere Kernzielgruppen Kranken- und Privatversicherungen sowie Leistungserbringer sein.
Natürlich beobachten wir die Marktentwicklungen und lassen die Erkenntnisse in unsere Überlegungen zur gesamten Unternehmensentwicklung einfliessen. Dazu gehört auch Ihr Beispiel der Covid-19-Pandemie, welche uns insoweit betroffen hat, als wir einerseits unsere Bildungsangebote auf digitale Kanäle umgestellt haben und andererseits im Bereich der Digitalisierung bzw. Automatisierung weitere Anstrengungen unternehmen müssen. Gerade im Bereich der Digitalisierung rechne ich in Zukunft mit Verhaltensänderungen der Märkte.
«Unsere Mitglieder sind in ihren Märkten sehr gut verankert und geniessen das Vertrauen der Versicherten.»
Welche Meilensteine gibt es in den nächsten Jahren zu erreichen?
Als Dienstleister für den Gesundheitsmarkt wird auch uns die Digitalisierung bzw. Automatisierung beschäftigen. Wir wollen Prozesse anpassen und noch effizientere Lösungen anbieten. Gerade im Bereich Versicherungsmedizin sehen wir Potenzial, um weiterwachsen zu können und unsere Stellung als Marktführer zu stärken. Ausserdem arbeiten wir an einem Projekt zum Ausbau unserer Dienstleistungen Pflegestufen- und Spitex-Controlling.
Auf Verbandsseite ist es uns wichtig, unsere Mitglieder weiterhin in ihrer Selbstständigkeit zu stärken und sie besonders bei regulatorischen Fragestellungen noch besser zu unterstützen. Und innerhalb des RVK ist es mir persönlich wichtig, das Wir-Gefühl zu stärken und unsere tollen Mitarbeitenden für die zukünftigen Aufgaben weiter zu motivieren.
Die Versichertenbestände in der Grundversicherung sind beim RVK innert eines Jahres um 2,16 Prozent gesunken. Neu sind 677’000 Kundinnen und Kunden bei den 23 RVK-Mitgliedern versichert. Im Vorjahr waren es noch 692’000. Hat der RVK damit den Zenit seiner Marktabdeckung erreicht?
Nach Jahren des leichten Wachstums ist ein kleiner Rückgang schon mal möglich. Unsere Mitglieder sind in ihren Märkten sehr gut verankert und geniessen das Vertrauen der Versicherten, welche sich eine Auswahl an schlank organisierten Krankenversicherern wünschen. Es kann aufgrund der Prämienentwicklung in gewissen Regionen immer zu Verschiebungen kommen, weil ein, zwei Verbandsmitglieder Versicherte verlieren.
Tatsache ist, dass die Zahl der Verbandsmitglieder kaum steigen wird. Umso schöner deshalb, dass bei Fusionen, welche in der Vergangenheit immer mal wieder vorkamen, dies mehrheitlich unter den Verbandskassen geschieht.
Schliesslich darf ich aber feststellen, dass gerade die sogenannte «Marktbereinigung» nicht im prognostizierten hohen Tempo eingetreten ist. Aber, und das ist sehr wichtig, dank unserer Strategie und der erfolgreichen Marktbearbeitung konnten wir zahlreiche neue Versicherungskunden ausserhalb des Verbandes dazugewinnen. Mittlerweile macht dies über einen Drittel unseres Volumens aus.
«Wir rechnen damit, mit unserem Projekt Pflegestufen- und Spitex-Controlling künftig noch mehr in allen Landesteilen vertreten zu sein.»
In welchen Regionen, Teilmärkten oder/und Marktsegmenten sehen Sie noch Potenzial?
Obwohl wir schon zahlreiche neue Kranken- und Privatversicherungen gewinnen konnten, ist es uns noch nicht ganz gelungen, bei allen grossen Kranken- und Privatversicherungen unsere Vorteile im Bereich der Versicherungsmedizin, der Rechnungskontrolle, des Leistungseinkaufs und der Bildung klar zu positionieren. Ich wünsche mir weiteres Engagement, denn wir wollen auch dort zu einem «Preferred Provider» werden.
Dann, wie angesprochen, sehen wir gute Möglichkeiten, schweizweit Anspruchsgruppen im Bereich des Pflegestufen- und Spitex-Controlling sowie die dazugehörenden Weiterbildungsangebote mit unserer Expertise unterstützen zu können.
Sie sind primär in der Deutschschweiz und dem Fürstentum Liechtenstein präsent. Die Romandie und das Tessin sind weisse Flecken auf der RVK-Karte. Warum das?
Das stimmt so nicht ganz. Mit dem in den letzten Jahren aufgebauten Kundenstamm decken wir in verschiedenen Dienstleistungen auch die Westschweiz ab. Und wir rechnen damit, mit unserem Projekt Pflegestufen- und Spitex-Controlling künftig noch mehr in allen Landesteilen vertreten zu sein.
Das Kerngeschäft des RVK umfasst die Bereiche Versicherungsmedizin & Case Management, Versicherungen & Dienstleistungen sowie Bildung & Veranstaltungen. Wo bleibt da das Rückversicherungsgeschäft, aus dem der RVK entstanden ist?
Aus aufsichtsrechtlichen Gründen haben wir dieses Geschäft im Jahr 2012 in die jetzige RVK Rück AG überführt. Die RVK Rück AG gehört dem RVK-Verein und wird von diesem kontrolliert. Die Rückversicherung ist somit nach wie vor eines unserer Kerngeschäfte. Mit einem Prämienvolumen von rund 6,5 Millionen Franken ist das Geschäft auch wirtschaftlich für uns bedeutsam. Ein Ausbau der Aktivitäten war aus verschiedenen Gründen bis heute aber keine Option.
«Im Rahmen der Überführung in die Rück AG haben wir verschiedene Optionen geprüft und uns für die heutige Lösung entschieden.»
Eigentlich ist das Rückversicherungsgeschäft ein anderes Universum. Bestand nie die Überlegung, die RVK Rück AG zu verkaufen?
Im Rahmen der Überführung in die Rück AG haben wir verschiedene Optionen geprüft und uns für die heutige Lösung entschieden. Ein Verkauf ist kein Thema. Wir wollen für unsere Kunden weiterhin ein unabhängiger, zuverlässiger und sicherer Partner sein und sie so in ihrer Eigenständigkeit unterstützen. Ich glaube, dies ist uns sehr gut gelungen.
Speziell dünkt mich auch die Rechtsform des RVK als Verein. Die Delegierten nehmen die Mitgliedschaftsrechte des Vereins wahr und der Vorstand als Exekutivorgan vertritt die Interessen des Vereins. Kann der RVK die künftigen Herausforderungen als Verein überhaupt bewältigen?
Auch dazu wurden in der Vergangenheit schon Überlegungen gemacht. Wir kamen dann zum Schluss, dass die Vorteile der jetzigen Rechtsform überwiegen. Wie es das Beispiel der RVK Rück AG zeigt, sind wir auch mit der aktuellen Rechtsform in der Lage, auf neue Marktsituationen zu reagieren und damit optimal für die Zukunft gerüstet zu sein.