Der deutsche Versicherungsmarkt erlebte im Geschäftsjahr 2021 schadenseitig eine der grössten Herausforderungen seiner Geschichte. Überschwemmungen im westdeutschen Ahrtal nach dem Unwetter Bernd im Juli sorgten laut deutscher Bafin für Schäden in Höhe von 8,2 Milliarden Euro, eine Schätzung, die wenig später von der Munich Re auf 11 Milliarden Euro nach oben korrigiert wurde. Trotzdem war das Geschäftsjahr 2021 sehr erfolgreich für den Markt. Grund dafür war ein sehr starker Markt mit mehr als auskömmlichen Raten. Seit 2011 profitieren die Versicherer im Kfz-Geschäft, das ein Drittel des Prämienvolumens ausmacht, von starken Raten mit zum Teil sehr positiven Ergebnissen.

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Durchmischte Bilanz der Schweizer Versicherer

Die Zurich ist der grösste Schweizer Versicherer auf dem deutschen Schadenversicherungsmarkt. Doch ihr Geschäft geht an die irische Tochter Zurich Insurance plc und wird in den Statistiken der deutschen Aufsicht nicht berücksichtigt. Die Baloise rangiert mit 775 Millionen Euro Beitragseinnahmen an 29. Stelle auf dem deutschen Markt. Die Vorgängergesellschaft Basler Securitas lag vor zehn Jahren noch auf Rang 31. Für die Helvetia stellte 2021 ein schlechtes Schadenjahr dar, indem sie mit einem versicherungstechnischen Verlust in Höhe von 5,2 Prozent der Nettoprämie schloss. Mit Beitragseinnahmen in Höhe von 556 Millionen Euro ist sie im Ranking der grössten Schadenversicherer von Rang 36 auf Rang 38 zurückgefallen.

Statistische Auswertungen der Bafin zeigen, dass das versicherungstechnische Ergebnis der deutschen Schadenversicherer trotz der Katastrophenbelastung bei 5,6 Prozent der Nettobeiträge lag, ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann. Das Ergebnis war sogar so gut, dass die Versicherer den Schwankungsrückstellungen zuführten. Dies geschieht, wenn die technischen Ergebnisse einzelner Sparten unter dem langjährigen Durchschnitt liegen. Zehn Jahre davor, im Jahr 2011, fiel das technische Ergebnis mit 0,7 Prozent vergleichsweise mager aus, obwohl man marktweit der Schwankungsreserve entnahm. 

Wegen dem Brexit existiert eine neue Rangfolge der grössten Versicherer Deutschlands

Blickt man zehn Jahre zurück, so hat sich die Rangfolge der grössten Versicherer Deutschlands merklich verändert. Grund dafür sind vor allem Initiativen der Industrieversicherer, der Allianz, Munich Re und Talanx. Nach dem Brexit-Votum verlegte die Munich Re den Sitz ihres Londoner Versicherer Great Lakes nach München. «Auch nach dem Brexit bleiben wir in Grossbritannien stark vertreten und spielen als Träger des Nicht-Leben-Einzelrisikogeschäfts eine Schlüsselrolle in der Brexit-Strategie der Munich-Re-Gruppe», hebt man hervor. Mit mehr als 5 Milliarden Euro Beitragseinnahmen ist der Industrieversicherer der Munich Re nun der zweitgrösste Schadenversicherer unter Bafin-Aufsicht. Talanx hatte das Industriegeschäft von HDI-Gerling Industrie in HDI Global umbenannt und aus der früheren Hannover-Rück Tochter Inter Hannover die neue Einheit HDI Global Specialty geschaffen. Aufgrund starken Wachstums schob sich HDI Global von Rang 5 auf 3 vor, HDI Global Specialty rangiert an 13. Stelle.

Durch den inflationsbedingten wachsenden finanziellen Druck wird es jetzt schwieriger werden, auch für Industrieversicherer. «Die weltweite Inflation, der Krieg in der Ukraine, die Folgen der Corona-Pandemie sowie Naturkatastrophen werden die Weltwirtschaft auch in diesem Jahr auf die Probe stellen», sagt Dr. Edgar Puls, Vorstandsvorsitzender HDI Global SE. Hoffnung macht ihm ein steigendes Risikobewusstsein. «Unternehmen erkennen zunehmend die Bedeutung von Prävention und identifizieren ihre Risiken frühzeitig, was Grundlage dafür darstellt, dass sich der Wachstumstrend der letzten Jahre fortsetzen kann», sagt Puls. 

Nur acht der zwanzig grössten Schadenversicherer sind über dem Durchschnitt gewachsen

Die Allianz-Industrietochter AGCS rückte durch die Integration der verlustreichen US-Tochter Fireman’s Fund von Rang 6 auf Rang 4 vor. Aber Grösse ist nicht immer gleichbedeutend mit Erfolg. Schaut man auf die Wachstumszahlen und die Kostenquoten der deutschen Versicherer, wird deutlich, dass auf dem deutschen Versicherungsmarkt andere Gesetzmässigkeiten herrschen. Nur acht der zwanzig grössten Schadenversicherer wuchsen von 2011 bis 2021 über dem Durchschnitt. Drei dieser Gesellschaften schafften das durch Übernahmen von Gesellschaften aus der eigenen Gruppe. Neben AGCS war das bei der Generali der Fall, die das Geschäft der Aachen Münchener übernahm. Trotz dieser Übernahme fiel die Generali zwischen 2011 und 2021 um drei Plätze zurück und liegt jetzt an zehnter Stelle auf dem deutschen Markt. Ähnlich legte die Provinzial Versicherung – entstanden aus der Westfälischen Provinzial und der Provinzial Nord Brandkasse – vor allem deshalb so zu, weil sie mit ihrer Schwestergesellschaft Provinzial Rheinland fusionierte.

Organisches Wachstum verzeichnen neben dem öffentlich-rechtlichen Bayerischen Versicherungsverband (+80 Prozent in den letzten zehn Jahren) die Gegenseitigkeitsversicherer LVM (+79 Prozent), VHV (+ 77 Prozent) und die Huk Coburg mit ihren drei Gesellschaften. Zwar legte das auf Beamte fokussierte Kernunternehmen «HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a. G.» nur um 30 Prozent zu, doch dafür wuchs die Huk Coburg Allgemeine um 92 Prozent. Die 2001 gegründete reine Internetgesellschaft Huk24 konnte ihre Beitragseinnahmen mehr als verdoppeln und rückte mit mehr als 1 Milliarde Euro Beitragseinnahmen von Platz 33 auf Platz 26 vor. 

Angesichts teurer Kfz-Versicherungen kam der Huk Coburg («Aus Tradition günstig») ihre sehr kostengünstige vertriebliche und betriebliche Aufstellung zugute. Mit 12 Prozent der Beitragseinnahmen ist die Kostenquote der Coburger halb so hoch wie im Markt. Die Huk24 wendet sogar nur 6 Prozent auf. Gross bedeutet auch nicht gleich kostengünstig. Nur sieben der zwanzig grössten Schadenversicherer weisen eine marktunterdurchschnittliche Kostenquote auf. Neben den Industrieversicherern AGCS (Kostenquote 2021: 20,8 Prozent) und HDI Global (17,6 Prozent) sowie der öffentlich-rechtlichen SV (23,7 Prozent) operieren nur die Gegenseitigkeitsversicherer VHV (21,7 Prozent) und DEVK (23,6 Prozent) mit unterdurchschnittlichen Kosten.

Die realen Schaden-Kosten steigen stärker als die Indizes der Versicherer

Der hohe finanzielle Druck, dem die Schadenversicherer jetzt ausgesetzt sind, wird zu weiteren Marktverschiebungen führen. Effizienz wird wichtiger. Die realen Schaden-Kosten steigen stärker als die Indizes der Versicherer, warnte vor kurzem das versicherungsmathematische Beratungsunternehmen MSK. Nach zwei sehr auskömmlichen Dekaden sind Schadenversicherer jetzt gleich dreifach unter Druck, hebt die IT-Beratung Sollers in ihrer Studie «Navigating Through Stormy Times» hervor: Neben der Schadeninflation und steigender Belastung aus Naturkatastrophen und Rückversicherungskosten werden die Unternehmen mit geringerem Prämienwachstum zurechtkommen müssen. «Wegen dieser Herausforderungen wird operative Exzellenz immer wichtiger», prognostiziert Sollers-Chef Michal Trochimczuk.