Andrej V. Beuth, Gratulation, Sie wurden vor Kurzem in den Vorstand der SIBA gewählt. Wie sehen Sie die Entwicklung und die Rolle bzw. Einflussnahme der FINMA auf die Branche?
Herzlichen Dank.
Grundsätzlich wäre ich schon sehr froh, wenn die FINMA bzw. Vermittleraufsicht schon heute etwas aktiver wäre und besser hinschauen würde. Beispielsweise bei Personen, welche drei Mal die Vermittlerprüfung nicht bestanden haben. Es gibt noch andere Beispiele. Für die Zukunft wünsche ich mir eine Vermittleraufsicht als Missbrauchsaufsicht, mit dem Ziel die Kunden vor Falschberatungen zu schützen und nicht eine Aufsicht, die unnötigen Mehraufwand verursacht, den am Ende die Kundinnen und Kunden bezahlen müssen.
Welche Veränderungen sind künftig für sogenannte Versicherungsvermittler zu erwarten?
Aus heutiger Sicht scheint klar, dass es je ein separates Register für Versicherungs-Treuhänder sowie eines für Kundenberatende von Versicherungs-Gesellschaften geben wird. Bislang wurden Personen vergessen, die nicht im klassischen Aussendienst beratend tätig sind. Auf Brokerseite sind es Personen, die nicht in der Mandatsleitung sind. Beratungen finden seit jeher auch auf Agenturen statt, per Telefon oder etwas weniger lange via Video-Telefonie. Letzteres wird bekanntlich zunehmen. Das sind sehr viele Personen, die bislang "vergessen" gingen und genauso gute Beratungen machen, wie Mandatsleitende oder Aussendienstmitarbeitende. Von der Logik her müssten meines Erachtens auch diese Beratenden, die Vorgaben und Weiterbildungsverpflichtungen erfüllen. Wir werden sehen, wie das künftig gehandhabt wird. Das lässt sich derzeit abschliessend noch nicht beantworten.
Wie sieht es mit Versicherungsvermittlern aus, die im Ausland ihr Firmendomizil haben?
Nach meiner Meinung hätten Versicherungsbroker ohne Sitz in der Schweiz nie in das Vermittler-Register aufgenommen werden dürfen. Das war nicht nur ein Überlegungsfehler, sondern ist schlichtweg grobfahrlässig. Für den Standort Schweiz ist es nachteilig, dass sich Versicherungsbroker im Ausland Kunden in der Schweiz unter den Nagel reissen. Die internationalen Versicherungs-Broker haben eine Legal Entity in der Schweiz und genau diese Schweizer Vertretungen sollten die Kunden beraten, weil nur diese das notwendige Wissen dazu haben, insbesondere mit unseren Sozialversicherungen. Wenn ich bei XY Insurance Broker in London arbeite, fehlen die Kenntnisse über den Schweizer Markt, Gesetze und unsere lokalen Besonderheiten.
Ich erlebe es noch heute, dass Versicherungsbroker im Ausland denken, dass die Deckung über den Konzern auch für Tochterfirmen in der Schweiz gilt. Das ist in der Schweiz verboten. Wir sind nicht EU-Mitglied und in der Schweiz belegene Risiken, müssen lokal versichert werden (non-admitted Thematik).
Ich befürchte aber eine Übergangsphase, dass die Berufskollegen im Ausland zuerst noch drinbleiben dürfen. Aber als Optimist hoffe ich auf ein kleines Wunder und Korrektur dieses Fehlers.
Die FINMA scheint viel vorzuhaben mit der Vermittleraufsicht. Was, ausser den Berufskollegen im Ausland, hätte in der Vergangenheit und heute von der FINMA besser gemacht werden müssen?
Ich denke, dass zu Beginn von der Vermittleraufsicht sehr vieles gut und engagiert gemacht wurde mit Besuchen vor Ort, sogar bei sehr renommierten Broker-Unternehmen und nicht nur kleineren Versicherungsbrokern. KYC wurde damals von der FINMA sinngemäss gut bis sehr gut umgesetzt. Für mich hat sich das im Laufe der Zeit aber so verändert, dass ich, ausgenommen die Bewirtschaftung der Registrierungs-Plattform, die Vermittleraufsicht nicht mehr wahrgenommen habe, um Missbräuche zu verhindern. Es ist für mich unerklärlich, wieso beispielsweise registrierte Privatpersonen mit "Steuerwohnsitz" im nicht benachbarten Ausland nicht automatisch einen Alarm auslösen und näher geprüft werden. Das würde ich gründlich anschauen, ob das nicht eine Schein-Tätigkeit ist und allfällige Diplome (sofern diese vorhanden sind) dazu dienen, dass andere Personen ohne diese Diplome tatsächlich aktiv sind.
Mit der permanenten Weiterbildung bzw. dem erforderlichen Nachweis dazu, vermutlich im Zweijahresrhythmus, werden wir auch sehen, ob im Ausland erworbene Titel tatsächlich gleichwertig sind in Bezug auf die Anforderungen in der Schweiz. Diese ausländischen Weiterbildungen könnten sogar vom Umfang anspruchsvoller sein, aber es geht darum Kunden in der Schweiz zu beraten. Dafür sind einzig unsere Aus- und Weiterbildungsangebote in der Schweiz geeignet. Ich denke nicht, dass es beispielsweise in Malaysia (oder wo auch immer) Weiterbildungen im Versicherungsbereich gibt, die eine gute Beratung für Kunden in der Schweiz sicherstellen und auf unseren Markt ausgerichtet sind.
Fairerweise ist das meines Wissens aber nicht der Fehler der FINMA, sondern eines mittlerweile Pensionierten, der der Meinung war, dass man diese Weiterbildungen zwingend anerkennen müsse und die FINMA diesbezüglich suboptimal informiert hat. Das ist falsch. Wir hätten damals die Chance gehabt, den Schweizer Standort zu schützen und für den Kundenschutz mehr zu tun. Fehler darf man machen, aber bitte nicht zwei Mal den gleichen.
Wird es Spezial- und Ausnahmeregelungen geben?
Wie soll ich das diplomatisch ausdrücken? Das könnte ich vielleicht, will ich aber gar nicht erst versuchen. Regeln gelten gemeinhin für alle, sonst kann man es lassen. Aus meiner Sicht sind deshalb Spezial- und Ausnahmeregelungen nicht nur falsch und unfair, sondern bewirken eine Schwächung des eigenen Vertriebs von Versicherungs-Gesellschaften. Wenn Versicherungs-Gesellschaften ihren eigenen Vertrieb unterstützen wollen, dann müssten sie gegen Spezial- und Ausnahmeregelungen sein. Wieso sollte jemand beim TCS oder einem Garagenbetrieb nicht die gleichen Anforderungen haben, wie die eigenen Mitarbeitenden, wenn es um Beratungen für Motorfahrzeugversicherungen geht? Zudem gelten Ausnahmeregelungen auch für neue Player wie Tesla, Emil-Frey etc. Tesla hat m.W. in Deutschland die Lizenz als Versicherer. Das wird ein kleiner Schritt in die Schweiz. Wenn Google und andere junge und viel dynamischere Grossunternehmen weniger regulatorische Hürden haben als unsere alteingesessenen Versicherer, werden sie die Versicherer und Krankenversicherer rechts überholen, dass denen schwindlig wird.
Ich gehe davon aus, dass ich bis zur Pensionierung als Versicherungsbroker tätig sein werden und mich diese Speziallösungen beruflich nicht stören. Im Gegenteil, so werden viele gute Kundenberatende sich wohl fragen, warum sie vom eigenen Unternehmen gegenüber Kooperationspartner nicht geschützt werden. Als Folge davon wird für einige der Einstieg bei einem Versicherungs-Treuhänder zum Thema werden.
Um Ihre Frage zum Schluss doch bestmöglich zu beantworten: Ich vermute, dass es Ausnahmefälle geben wird, fände aber gleich lange Spiesse für alle gut.
Was ist mit "Grand-Fathering" gemeint und was stört Sie?
Im Jahr 2006 wurde der Fehler gemacht, dass sich Personen ohne Weiterbildung ins Vermittlerregister eintragen konnten, wenn diese entweder hauptberuflich fünf Jahre in der Branche tätig waren oder acht Jahre nebenberuflich. Der Gedanke war wohl, dass sich in den Berufsjahren ausreichend Erfahrung und Kompetenz angesammelt hat, um eine gute Beratung zu bieten. Dieser Gedanke ist per se nicht falsch. Es mag darunter Praktiker geben, die gut oder sehr gut beraten. Aber wie kann ich das belegen? Zu oft habe ich erlebt, dass Personen bei Prüfungen gescheitert sind und danach behauptet haben, dass sie halt Praktiker sind.
Ich finde es nicht fair, dass solche Personen derzeit im gleichen Register sind, wie andere, die sich einer Prüfung stellen mussten und dafür viel Zeit und Energie investiert haben.
Das "Grand-Fathering" wird sich aber dadurch lösen, dass viele "Grand-Fathers" mittlerweile in Pensionsalter sind. Wenn wir nachher einen obligatorischen Weiterbildungsthymus haben, werde ich mich darüber kaum mehr aufregen.
Wo sehen Sie besonderen Bedarf bei der Aus- und Weiterbildung von Versicherungsvermittlern?
Wichtig ist, dass wir weiterhin den Praxisbezug sicherstellen und à jour bleiben. Ich denke, dass die vorhandenen Angebote gut sind. Aber natürlich darf man nie zufrieden sein und muss versuchen besser zu werden. Dies ist eine altbekannte Weisheit. Die grosse Herausforderung besteht darin, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Beispielsweise finde ich die Lehrmittel für die Vermittlerausbildung des VBV nach wie vor sehr gut, aber in der Zwischenzeit sind Cyber, Organhaftpflicht oder für Privatkunden "KESB"- und Nachfolge-Themen Alltag. Das war 2006 noch nicht der Fall bzw. Organhaftpflicht nur für grössere Unternehmen. Wir werden vermutlich lesen, ob die Credit Suisse eine ausreichende Limite für ihre Organhaftplichtversicherung hat. Bei den kleineren Firmen ist das in den Medien zu wenig präsent. Aber das Thema ist auch für KMU sehr wichtig.
Die Branchenthemen praxisorientiert zu vernetzen, muss das Ziel sein. Das Abfragen von Fachwissen ist heute verpönt. Es gibt Vorgaben mit Fallstudien, Mini-Cases u.a. Allerdings kann ich nicht vernetzt beraten, wenn mir das Fachwissen dazu fehlt. Es wird anspruchsvoller gute Aus- und Weiterbildungen zu erarbeiten und die Aktualitäten miteinzubeziehen. Die Regulatorien helfen zwar den Aus- und Weiterbildungsinstituten und füllen deren Kurse und Kassen, aber es wird auch für diese schwieriger gute Aus- und Weiterbildungen zu erarbeiten.
Macht Ihnen die digitale Entwicklung Angst?
Ich gehöre bekanntlich zum alten Eisen und diese Selbsterkenntnis hilft etwas und im Alter wird man vermutlich nicht mehr so schnell unruhig, wenn Sachen aufgebauscht werden. Bisher bin ich beispielsweise von ChatGBT nicht sonderlich beeindruckt bei meinen eigenen Versuchen sowie den Tests innerhalb unserer Familie. Da hatte ich wohl zu hohe Erwartungen. Es ist klar, dass sich AI, wie jede Technologie massiv und rasant verbessern wird. Unseren Berufsalltag wird dies beeinflussen. Ich gehe aber davon aus, dass dies primär willkommene, unterstützende Funktionen sein werden. Für die Datensammlung und Analyse von Bedürfnissen wird das sicherlich hilfreich sein. Ich bin überzeugt davon, dass von den Kundinnen und Kunden weiterhin ein/e kompetente/r Ansprechpartner/in gewünscht wird. Bei den Rechtsanwälten finden Sie seit langem gefühlt tausend Vorlagen und trotzdem müssen diese die Verträge erstellen und beraten. Die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die ich kenne, könnten rund um die Uhr arbeiten; was sie teilweise auch tun.
Dem SIBA gehören die wichtigsten Versicherungs-Broker in der Schweiz an. Welches sind die besten Versicherungsbroker?
Selbstverständlich immer mein Arbeitgeber :-). Ich hoffe, dass bei dieser Frage jeweils alle ihren eigenen Arbeitgeber nennen, sofern dieser SIBA-Mitglied ist. Alles andere wäre eine falsche Antwort oder ein Zeitpunkt, sich zu hinterfragen oder/und beruflich neu zu orientieren. Um die Frage etwas objektiver und nicht aus Sicht meiner Anstellung zu beantworten, gibt es eine einfache Antwort: Wer der Beste oder Passendste ist, entscheiden die Kunden und nicht, wer behauptet der Schönste und Beste zu sein. Für die einen Kunden ist der eine Verischerungstreuhänder der Beste/Passendste und für andere Kunden wiederum ein anderer. Hilfreich dabei sind auch Kontinuität bei den Ansprechpartnern.
Finden Sie es gut, wenn Ihr/e Bankberater/in alle sechs Monate wechselt? Ich schätze es selbst sehr, wenn ich als Kunde die gleichen Ansprechpartner über die Jahre haben darf. Der Wettbewerb in unserer Branche stellt auch sicher, dass wir uns nicht nur in der Akquisition bemühen, sondern permanent. Wenn ich mich nicht konstant anstrenge, werde ich automatisch nicht mehr der beste und passende Versicherung-Treuhänder sein. Somit werden wir auch in Zukunft verschiedene beste Versicherungsbroker haben und viele werden zu Recht von sich behaupten, der/die Beste zu sein.